Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Januar 2017 (Tipp-Nr. 235)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Staubexplosionen zu Hause?

Jens Schorn

Staubsauger geht in Stichflammen auf!
Dies berichtete die Presse von einem Mann, der beim Renovieren seiner Wohnung einen Staubsauger zum abschließenden Reinigen benutzte. Beim Einsatz des Staubsaugers schoss eine Stichflamme aus dem Sauger und es kam zu einer Verpuffung. [1]

Werden feinverteilte feste Partikel von Stoffen in der Luft gezündet, so kann es an der Luft zu einer Explosion kommen. Die Verbrennungsgase und Dämpfe dehnen sich sehr schnell aus und sorgen für eine erhebliche Kraftentfaltung.

Für Demonstrationszwecke solcher Staubexplosionen bieten verschiedene Firmen sogenannte „Staubgas-Explosions-Rohre“ an.

Klick mich an!

Bild 1: Staubgas-Explosions-Rohr
(Foto: Schorn)

Für die Entstehung einer Staubexplosion spielen folgende Faktoren eine Rolle:

  1. Brennbarkeit des Stoffes
  2. Partikelgröße des Staubs
  3. Sauerstoffanteil in der Luft

In den Hinweisen zum Gebrauch dieser „Staubgas-Explosions-Rohre“ wird von Mehlstaub-Explosionen in Silos, von Metall- und Holzstaub-Verpuffungen in Eisen- und Aluminium-Verarbeitungsbetrieben und Tischlereien, sowie von Verpuffungen von Kohlestaub unter Tage berichtet.

Als Mittel der ersten Wahl wird meist die Verwendung von Bärlappsporen (Sporen meist von Lycopodium clavatum) empfohlen. Diese Sporen, als Hexenmehl oder Blitzpulver bezeichnet, wurden schon seit dem Mittelalter zur Erzeugung pyrotechnischer Effekte, z. B. dem Feuerspucken genutzt.

Bild 2: Lycopodium in Verpackung und im mikroskopischen Bild
(Foto: Schorn)

Da die Sporen eine sehr konstante Abmessung von 28-32 µm aufweisen, spielen sie in der Mikroskopie als Beimischungen der untersuchten Probe als Größenvergleich weiterhin eine Rolle. Sie dienen hier als Vergleich zur Abschätzung der Korngröße der verwendeten Stoffe.

Den Schulchemikern unter den Lesern sind die Bärlappsporen auch vom sogenannten Ölfleckversuch bekannt, bei dem die Molekül- oder sogar Atomgröße bestimmt werden kann.

Sowohl in Anleitungen zur Verwendung als Feuerspuckmittel wie auch unter Medizinern wird Allergikern und Asthmatikern empfohlen, diesen Sporen aus dem Weg zu gehen. Bärlappsporen können Allergien mit allergischen Reaktionen vom Typ I mit Dermatitis, Asthma und Rhinitis hervorrufen [2]

Als Chemielehrkräfte im Lehrbetrieb sind wir stets aufgefordert im Rahmen der sogenannten Gefährdungsbeurteilung für Experimente, die wir im Schulunterricht durchführen, nach stofflichen Alternativen oder nach einer Mengenreduzierung zu suchen.

Wir müssen also zwei Fragen stellen:
Welche Stoffe eignen sich für die Erzeugung einer Staubexplosion zu Demonstrationszwecken? Welche Mengen sollten mindestens eingesetzt werden, sodass der Explosionseffekt noch zu beobachten ist?

Zum Vergleich werden die von den Herstellern der „Staubgas-Explosionsrohre“ genannten Stoffe (Weizenmehl, Kakao und Pfeffer) untersucht. Weiterhin werden Zellulose und Eisenpulver als Stoffe ausgewählt, die nicht als atemwegssensibilisierend laut den Technischen Regeln für Gefahrstoffe Nr. 907 [3] eingeschätzt werden.

Die untersuchten Stoffe sind:

  • Lycopodium (Bärlappsporen)
  • Weizenmehl Typ 405
  • Backkakao 12%
  • Weißer Pfeffer
  • Eisenpulver 98% reinst
  • Zellulosepulver, mikrokristallin

Alle Stoffe wurden vorher 6 Stunden lang im Trockenofen bei 100 °C getrocknet und in geschlossenen Schnappdeckelgläsern bis zur Verwendung bei Raumtemperatur trocken aufbewahrt.

Ausgehend von den Bärlappsporen werden 2 gestrichene Teelöffel (1 g) verwendet und in dem „Staubgas-Explosionsrohr“ zerstäubt.

Bild 3: Lycopodium im Explosionsrohr
(Foto: Schorn)

Zur Orientierung der einzusetzenden Massen kann man sich der GESTIS-STAUB-EX Datenbank [4] bedienen. Dort findet man für die ausgewählten Stoffe die unteren Explosionsgrenzen, also den Konzentrationsbereich, in dem ein Staub im Gemisch mit Luft zur Explosion gebracht werden kann. Vergleichbares gibt es natürlich auch bei Dampf-Luftgemischen.

Eine Auswahl aus der Datenbank kann über die Korngröße getroffen werden.

Mit Hilfe einfacher mikroskopischer Bilder kann man die Korngröße der ausgewählten Stoffe abschätzen und anschließend in der GESTIS-STAUB-EX Datenbank dann die passenden Explosionsgrenzen auswählen. Diese Grenze dient dann zur Einschätzung der im Experiment zu verwendenden Massen.

Stoff Mikroskopisches Bild (100-fache Vergrößerung)
Lycopodium
Weizenmehl Typ 405
Backkakao ca. 12% Fett
Weißer Pfeffer
Eisenpulver 98% reinst
Zellulosepulver, mikrokristallin

Bild 4a-4f: Mikroskopische Bilder zur Bestimmung der Korngrößen.
Der Bildausschnitt (Durchmesser) beträgt jeweils 3,8mm.
(Fotos: Schorn)

Stoff Abgeschätzte durchschnittliche Korngröße [µm] Untere Explosionsgrenze [g/m3] Massenberechnung in Bezug auf das verwendete Explosionsrohr (V = 5,65 L)
Lycopodium 30 < 15 < 0,08g
Weizenmehl Typ 405 120 60 0,3g
Backkakao ca. 12% Fett 100 125 0,7g
Weißer Pfeffer 80 60 0,3g
Eisenpulver 98% reinst 40 125 0,7g
Zellulosepulver, mikrokristallin 110 30 0,15g

Versuch:
Die Apparatur wird wie oben beschrieben vorbereitet.
Der Tiegel wird mit dem jeweiligen Pulver gefüllt und so unter dem ausgezogenen Winkelrohr positioniert, dass die Spitze genau in die Mitte des Tiegels reicht. Das Teelicht wird angezündet und auf den Boden des Explosionsrohres gestellt. Das Rohr wird mit dem Deckel fest verschlossen. Durch ein kurzes aber kräftiges Zusammendrücken des Gummigebläses werden die Stäube aus dem Tiegel über das Glasrohr aufgewirbelt.

Beispielhaft sieht man bei der Explosion mit Zellulosepulver die Ausbreitung der Flammenfront.

Die Masse der verwendeten Stoffe wird solange reduziert, bis gerade noch eine Flammenfront zu beobachten ist. Dieses Vorgehen wird für alle genannten Stoffe durchgeführt.
Nach jeder Prüfung auf Explosion, muss das Explosionsrohr gereinigt werden.

Folgende Ergebnisse ließen sich für die verwendeten Stoffe feststellen.

Stoff Masse für eine Explosion (Deckel von der Apparatur geschleudert) Masse, bei der gerade noch eine Flammenfront im Explosionsrohr beobachtbar ist
Lycopodium 0,5g 0,3g
Weizenmehl Typ 405 0,5g 0,3g
Backkakao ca. 12% Fett 1,0g 0,5g
Weißer Pfeffer 1,5g 1,0g
Eisenpulver 98% reinst 1,5g 1,2g
Zellulosepulver, mikrokristallin 1,0g 0,5g

Insgesamt stellt man fest, dass der Effekt der Explosion bei Bärlappsporen, Weizenmehl, Eisenpulver und Zellulosepulver gleichermaßen gut abläuft und sich auch wiederholen lässt.

Bei Backkakao und weißem Pfeffer ist die Explosion insgesamt weniger heftig als bei den übrigen Stoffen. Betrachtet man das mikroskopische Bild, so stellt man fest, dass hier größere Verklumpungen möglicherweise die Ursache für eine schlechtere Verstäubung des Pulvers sind. Kakao enthält einen klebenden Fettanteil und Pfeffer enthält ätherische Öle und ebenfalls Fettanteile, die das Verklumpen verursachen.

Erstaunlich ist für Weizenmehl, Backkakao und Eisenpulver, dass man mit dem Explosionsrohr sehr nah an die untere Explosionsgrenze herankommt, obwohl die Ersteller der Datenbank (GESTIS-STAUB-EX) diese Werte mit erheblich größerem Aufwand ermitteln [5].

Abschließende Einschätzung:

Betrachtet man die Risiken, die vom bisherigen „Goldstandard“ Lycopodium und den anderen Naturstoffen Weizenmehl, Pfeffer und auch Backpulver in Form von Atemwegssensibilisierungen ausgehen können (TRGS 907), so kommt man zum Schluss, dass sich Eisen- und Zellulosepulver sehr gut als Ersatzstoff für das Zeigen einer Staubexplosion eignen. Nach dem Sicherheitsdatenblatt von Eisenpulver ergibt sich zwar ein lokaler Effekt für Verbraucher durch langzeitige inhalative Aufnahme ab einem Wert von 1,5 mg/m3 Luft. Man kann hier für Demonstrationszwecke aber nicht von einer dauerhaften Gefährdung sprechen.
Ob sich Hausstaub zur Explosion bringen lässt, kann man über das letzte Bild dieses Tipps des Monats gut abschätzen.

Bild 5: Mikroskopisches Bild von Hausstaub in 100-facher Vergrößerung
(Foto: Schorn)

Aufgrund der Korngrößenabschätzung von 80-120µm ist für sehr trockenen Hausstaub eine solche Explosion in der hier verwendeten Apparatur sicherlich möglich. Da Hausstaub ein sehr heterogenes Gemisch aus organischen und anorganischen Umweltstoffen ist und die atemwegssensibilisierende Wirkung hinlänglich bekannt ist, eignet sich dieser Staub nicht für die Demonstration wiederholbarer Experimente.

Damit ist die Entscheidung für Eisen- oder Zellulosepulver als Ersatzstoff zu treffen.

Speit der Staubsauger nun Feuer?
Im häuslichen Umfeld erscheint eine Hausstaubexplosion z. B. aus einem Staubsauger heraus eher unwahrscheinlich, da der Feuchtegehalt meist zu groß ist. Lediglich in abgehängten Decken, die nicht luftdicht verschlossen sind, können in einem Brandfall große Staubansammlungen zu einer Explosion führen. [6]


Quellen:
[1] Timo Kather, Staubsauger explodiert in Wohnung, http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-schoeneberg-staubsauger-explodiert-in-wohnung/13809320.html (abgerufen am 13.12.2016)
[2] http://www.vorsichtgesund.de/glossary/baerlapp-lycopodium-clavatum/ (abgerufen am 13.12.2016)
[3] Technische Regeln für Gefahrstoffe: Verzeichnis sensibilisierender Stoffe und von Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen (TRGS 907), http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/pdf/TRGS-907.pdf (abgerufen am 13.12.2016)
[4] http://staubex.ifa.dguv.de/(abgerufen am 13.12.2016)
[5] KSt-Wert, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, http://staubex.ifa.dguv.de/html-dokumente/erlt6.htm (abgerufen am 13.12.2016)
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Staubexplosion (abgerufen am 13.12.2016)


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 2. Januar 2017, Fritz Meiners