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Tipp des Monats November 2023 (Tipp-Nr. 317)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Falsch getankt – ein Drama?

Uwe Lüttgens

Unser Fuhrpark, bestehend aus einem alten Dieselkombi und meinem Motorrad, wird seit einiger Zeit ergänzt durch einen Kleinwagen, der ebenso wie das Motorrad mit Benzin betankt werden muss. Stehe ich an der Tankstelle, versuche ich mir – Routine hin, Routine her – immer wieder bewusst klarzumachen, welchen fossilen Kraftstoff ich tanken muss: Diesel oder Super-Benzin?

Bild 1: Diesel oder Super – tanke ich den richtigen Kraftstoff?
(Foto: Lüttgens)

Denn es kommt ab und zu vor, als man denkt, dass Besitzer eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor den falschen Kraftstoff tanken. Weil sie mit ihren Gedanken woanders sind oder gerade die „falsche“ Routine abläuft. Ein Beispiel erzählte mir ein Tankstellenbetreiber: „Neulich kam ein Berufskraftfahrer, der normalerweise mit seinem schweren LKW unterwegs ist, mit seinem Wohnmobil aus dem Urlaub wieder zurück und wollte noch rasch tanken. Er fuhr jedoch aus beruflicher Gewohnheit an die AdBlue-Zapfsäule, da AdBlue die LKW-Motoren bekanntlich umweltfreundlicher machen soll. Der Berufskraftfahrer war beim Tanken, wie ich glaube, nicht im Urlaubsmodus mit seinem Camper, sondern fuhr „gedanklich“ mit seinem LKW an die Zapfsäule, an der routiniert vor dem Einfüllen des Diesel-Kraftstoffs erstmal AdBlue getankt wird.“

Sicherlich eine eher seltene Fehlleistung, jedoch mit fatalen Folgen für den Diesel-Motor des Campers: Einmal AdBlue im Tank, schaffte der es gerade so noch von der Tankstelle zum benachbarten Supermarkt. Dann gab der Motor seinen Geist auf, wahrscheinlich, weil die schleimige Pampe, die sich aus Diesel, Harnstoff und Wasser bildet und das Einspritzsystem zusetzt, den Zylinderraum stark geschädigt hat. Das war teuer, der Schaden betrug ca. 6500,- Euro für einen neuen Motor. Ursache dieses teuren Faux-Pas war – wie so häufig – Gedankenlosigkeit, gepaart mit Routine.

Wie sieht es aber mit der durchaus häufiger vorkommenden Verwechslung aus, wenn man fälschlicherweise Diesel statt Super-Benzin tankt oder Benzin statt Diesel-Kraftstoff? Auf jeden Fall sollten Sie erstmal Ruhe bewahren und keinesfalls die Zündung einschalten und den Motor anlassen, um Schlimmeres zu verhindern. Anschließend rufen Sie einen mobilen Abpumpservice [z.B. 1] an, der die weiteren Schritte sach- und fachgerecht durchführt. Bei der Suche wird Ihnen jeder freundliche Tankstellenbetreiber zur Seite stehen, wenn Sie einmal falsch getankt haben.


Experiment: Mischbarkeit von Benzin und Diesel
Klären wir, ob sich Benzin und Diesel im Tank miteinander mischen. Dazu können wir ein kleines Experiment durchführen:


Experiment 1: Mischbarkeit von Benzin und Diesel

Material: Otto-Kraftstoff, Diesel-Kraftstoff, 4 Reagenzgläser und -halter

Durchführung: Beide Kraftstoffe werden jeweils in ein Reagenzglas gefüllt. Anschließend werden in zwei weiteren Reagenzgläsern die Mischungen erzeugt und geschüttelt.

Bild 2: Otto-Kraftstoff erscheint farblos (li.), Diesel-Kraftstoff leicht gelblich.
(Foto: Lüttgens)

Beobachtungen: Es spielt kaum eine Rolle, ob wir zuerst Diesel im Reagenzglas vorlegen und dann Benzin hinzugeben, oder umgekehrt vorgehen: In beiden Fällen setzt sich der schwerere Diesel-Kraftstoff unten ab. Allerdings ist keine deutliche Abgrenzung beider Kraftstoffe erkennbar. Durch kräftiges Schütteln vermischen sich Benzin und Diesel sofort.

Bild 3: Der Kraftstoff mit der größeren Dichte sinkt nach unten, egal welcher Kraftstoff zuerst eingefüllt wird (Fotos li.); bereits leichtes Schütteln sorgt für eine vollständige Durchmischung
(Fotos: Lüttgens)

Ergebnis: Benzin und Diesel sind miteinander leicht mischbar.

Das Ergebnis kann all diejenigen nicht überraschen, die im Chemieunterricht gelernt haben, dass sich Ähnliches mit Ähnlichem mischt. Denn dieser aus den Zeiten der Alchemie stammende Lehrsatz, auf lateinisch „Similia similibus solvuntur“, gilt auch für die Mischbarkeit von Benzin und Diesel-Kraftstoff.


Otto-Kraftstoff und Diesel-Kraftstoff im Vergleich

Otto-Kraftstoff Super-Benzin [2] Diesel-Kraftstoff [3]
Gemisch Verschiedene Kohlenwasserstoffe Verschiedene Kohlenwasserstoffe
Siedebereich 30 °C und 215 °C 140 °C und 460 °C
Dichte (15°C) 0,720 – 0,775 kg/L 0,820 – 0,845 kg/L
Flammpunkt < −35 °C > 56 °C
Zündtemperatur ca. 220 °C ≥ 225 °C

Super ist ein Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoffe. Dazu gehören Alkane und Alkene, aber auch cyclisch aufgebaute Cycloalkane und aromatische Kohlenwasserstoffe. Der leichteste dieser organischen Komponenten ist Pentan C5H12, das aus kleinen Molekülen mit fünf Kohlenstoffatomen und zwölf Wasserstoffatomen aufgebaut ist. Die schwereren Kohlenwasserstoffe bestehen aus Molekülen mit mindestens 10 Kohlenstoffatomen. Dementsprechend kann für das Kohlenwasserstoff-Gemisch kein fester Siedepunkt angegeben werden, sondern ein Siedebereich, der zwischen 30°C und über 215°C liegt [2].

Super-Benzin wird von Verbrennungsmotoren benötigt, die auch als Otto-Motoren bezeichnet werden. Im Zylinder des Motors wird das Benzin-Luftgemisch durch den Funken einer Zündkerze zur Explosion gebracht. Der Kolben wird durch die bei der Verbrennung entstehenden Gase – Kohlenstoffdioxid und Wasser - nach unten getrieben. Die sich dadurch drehende Kurbelwelle überträgt die Kraft auf den Antrieb der Räder. Das Auto fährt.

Diesel ist ein Gemisch von deutlich höher siedenden Kohlenwasserstoffen. Der Siedebereich liegt zwischen 140°C und über 460°C [3]. Grund hierfür ist das Prinzip des Motors, eines sogenannten Selbstzünders: Der über eine Düse in den Zylinder eingespritzte Kraftstoff wird, einmal dort verteilt, durch den hohen Druck des nach oben treibenden Kolben stark verdichtet. Dabei wird das Diesel-Luft-Gemisch so heiß, dass es schließlich explodiert. Der Kolben wird nach unten getrieben. Die sich drehende Kurbelwelle überträgt die Kraft schließlich auf die Räder.


Zurück zur Zapfsäule: Diesel im Benzin-Motor
Sie haben also an der Zapfsäule Diesel getankt, obwohl Ihr Fahrzeug durch einen Otto-Motor angetrieben wird. Schauen wir uns diesen Fall mit unserem gewonnenen chemischen Wissen an. Erst einmal befindet sich ja noch genug Benzin in den Leitungen hin zum Vergaser oder zur Einspritzanlage. Der Motor sollte also wie gewohnt anspringen. Jedoch sinkt der Diesel-Kraftstoff aufgrund seiner größeren Dichte im Tank nach unten. Kommt schließlich, wie bereits erwähnt, der deutlich höher siedende Brennstoff in den Zylinder, kann er dort wahrscheinlich nicht durch die Zündkerze gezündet werden. Ohne erfolgreiche Zündung keine Explosion. Folglich geht der Motor einfach aus. Vielleicht gibt´s vorher noch ein paar Fehlzündungen, da sich anfangs nur wenig Diesel im Benzin befindet. Ihr Auto würde dann von der Zapfsäule wegstottern und dabei eine Rauchfahne hinter sich hertragen, weil der Dieselanteil im Sprit rasch ansteigt und mitverbrannt wird, solange der Motor nur stottert und noch nicht gestorben ist. (vgl. [1])


Der umgekehrte Fall: Benzin im Diesel-Aggregat
Zum umgekehrten Fehler, den Ihr Dieselmotor Ihnen möglicherweise nicht verzeiht. Warum eigentlich nicht? Moderne Selbstzünder arbeiten mit Hochdruck-Pumpen und Hochdruck-Injektionssystemen, die bei einem Druck von mehr als 1500 bar den Diesel-Kraftstoff im Motorraum fein zerstäuben und so für eine möglichst vollständige Verbrennung sorgen. Diese Pumpe wird durch den Diesel-Kraftstoff ständig geschmiert. Wie wir im Experiment gesehen haben, schwimmt das fälschlicherweise getankte Benzin erstmal oben auf. Jedoch besorgt die Durchmischung mit dem Diesel-Kraftstoff eine kleine Fahrt mit dem Auto von allein. Wir haben dann ein Gemisch mit einem – je nach Füllmenge – mehr oder weniger hohen Anteil an Benzin, Kommt nun das Benzin, ein sehr gutes Lösungsmittel für Kohlenwasserstoffe, wie wir im Experiment gesehen haben, dorthin, wird der Schmierfilm aus Dieselkraftstoff aus der Kolbenpumpe weggespült. Die Folge wird eine Zerstörung von Kraftstoffpumpe sein, weil die Pumpe trocken läuft und „fest geht“. Gelangen durch die Zerstörung noch feinste Metallspäne in den Motor - davon berichten Werkstätten -, ist es ganz vorbei, denn jeder kann sich vorstellen, dass diese dort nichts zu suchen haben und zur Zerstörung des Diesel-Aggregats führen werden. (vgl. [1])

Übrigens: Bis vor 20, 30 Jahren war es üblich, im Winter dem Diesel bis zu 10% Benzin zuzufügen, damit bei starken Minustemperaturen der Diesel-Motor sicher anspringt. Heute klappt das mit den modernen Einspritzsystemen nicht mehr.

Wer Ottomotor und Dieselmotor miteinander vergleichen möchte, wird hier fündig.


Für Spezialisten: Flammpunkt und Zündtemperatur
Der Flammpunkt gibt die Temperatur an, bei der sich der Kraftstoff, einmal mit Luft vermischt, zündfähig ist. Bei einem Ottokraftstoff ist die Temperatur sehr, sehr niedrig, sie beträgt weniger als – 35 °C. Bei dieser Eiseskälte kann sich das Benzin-Luft-Gemisch noch entzünden, wenn die Zündkerze einen Funken erzeugt. Deshalb springen Benzinmotoren auch im tiefsten Winter unproblematisch an. Bei einem Dieselmotor sieht das ganz anders aus. Zum einen ist der Flammpunkt deutlich höher, fast 100 °C beträgt die Differenz zum Benziner.

Eine weitere wichtige Größe ist die Zündtemperatur. Sie gibt an, wie heiß der Kraftstoff werden muss, damit er sich selbst entzündet, ohne einen Zündfunken. Beide Kraftstoffe verbrennen von alleine bei Temperaturen deutlich über 200 °C. Diese Temperatur gilt jedoch nur für den Umgebungsdruck. Im Motor wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch jedoch komprimiert.

Benzin ist ein schönes Beispiel für einen Brennstoff, bei dem eine niedrige Flammtemperatur keinesfalls bedeuten muss, dass die Zündtemperatur ebenfalls niedrig zu sein hat.

Für Interessierte: Wir haben eine ganze Webseitengruppe rund um die technische Chemie im und ums Auto. Näher Informationen zum Flammpunkt und zur Zündtemperatur gibt´s hier; zu Zünd- und Explosionsgrenzen gibt´s hier eine Übersicht. Ein Experiment zum Flammpunkt findest du hier.


Quellen:
[1] Pinar Abpumpservice; https://www.kfz-falsch-getankt.de/ (zuletzt abgerufen am 23.10.23)
[2] Ottokraftstoff, in: GESTIS-Stoffdatenbank; https://gestis.dguv.de/data?name=531390 (zuletzt abgerufen am 23.10.23)
[3] Dieselkraftstoff; in GESTIS-Stoffdatenbank; https://gestis.dguv.de/data?name=536303 (zuletzt abgerufen am 23.10.23)


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Letzte Überarbeitung: 9. November 2023, Fritz Franzke