Treibstoffgewinnung in Notzeiten

Das 19. Jahrhundert ist nicht nur mit der Motorisierung verbunden, sondern auch mit Notzeiten wie den Weltkriegen bzw. den Nachkriegszeiten. In diesen Zeiten kam es darauf an, die Motorisierung zu gewährleisten. Mangelfaktor war der Treibstoff. Man entwickelte eine Reihe von chemischen Verfahren, um dennoch an Brennstoffe, die als Treibstoffe genutzt werden konnten, zu gelangen. Da an Benzin ganz besonders Diktaturen interessiert waren, um ihre Aufrüstung von Ölimporten unabhängig zu machen, spielte Geld keine Rolle. Solche Verfahren sind aber auch immer dann interessant, wenn es wie 1973/74 zu krisenbedingten Ölverknappungen kommt.

Verfahren zur Kohleverflüssigung
Bereits zur Zeit des Ersten Weltkriegs bzw. danach wurde an der Gewinnung von Benzin aus der reichlich vorhandenen Kohle gearbeitet. Kohle ist selbst ein Kohlenwasserstoff, wie das schematische Formelbild zeigt.

Strukturformel von Steinkohle


Zwei Verfahren zu dieser so genannten Kohleverflüssigung werden hier immer genannt:


1. Kohlehydrierung nach Bergius 1913
Junge Steinkohle oder Braunkohle, angerührt mit Asphalt und Schweröl, werden bei 500 °C und 200-400 bar mit Wasserstoff katalytisch umgesetzt. Es bilden sich Kohlenwasserstoffe, die wie Erdöl weiter aufgearbeitet werden. Dieses Verfahren wurde 1927-44 genutzt und später in der an Braunkohle reichen DDR erneut belebt.


2. Fischer-Tropsch-Synthese 1925
Mit Wasserdampf wird aus glühender Kohle Synthesegas, eine Mischung von Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff erzeugt. Diese Gase reagieren mit besonderen Katalysatoren zu Kohlenwasserstoffen:

n CO + 2n H2 ———> (CH2)n + n H2O

(Genaueres zu den beiden Verfahren lies hier.)


Pyrolyse von Kunststoffen
Mittlerweile ist die Forschung zur Kohleverflüssigung weitgehend eingestellt worden. Bemerkenswerterweise setzt man heute auch Kunststoffe nach dem Bergius-Verfahren um. Das gelingt mit Hilfe der Pyrolyse und wird heute schon mit ganzen Hausmüllfraktionen gemacht. Dabei entstehen je nach Prozess-Temperatur ungesättigte, niedermolekulare Kohlenwasserstoffe, die noch katalytisch hydriert werden müssen.

Aber auch andere Quellen für Kohlenwasserstoffe spielen in Notzeiten eine Rolle.


Destillation von Ölschiefer
Durch Destillation bzw. Erhitzen ("Verschwelen") kann man aus Ölschiefer, der vor allem im oberen Schwarzjura (Stinkkalk) ansteht, erdölartige Produkte gewinnen. Die Aufarbeitung von Ölschiefer wurde im zweiten Weltkrieg sogar im großtechnischen Maßstab versucht. (Bei Hechingen entstand aus diesem Grunde zum Brechen des Kalkes ein KZ-ähnliches Lager für Kriegsgefangene und Fremdarbeiter. Glücklicherweise wurde das Schieferbrechen wegen der geringen Mächtigkeit der Schichten in dem Schwäbischen Jura (maximal 8 m) bald als zu wenig erfolgversprechend aufgegeben.)
Eine weitere Quelle sind die Ölsande, die ganz besonders in Kanada ausgebeutet werden.


Holzvergasung
Eine unerschöpfliche Quelle bildet Holz, da es zu den nachwachsenden Rohstoffen gehört. Holz kann man verschwelen, wobei sich brennbare Gase und verdampfbare Kondensate bilden (-> Webseite). Diese werden direkt in den Motor eingespeist, dort verbrannt und so zum Antrieb genutzt.

Da es in Zeiten teurer Abfallbeseitigung genug Holzabfälle gibt, ist das Prinzip der Holzvergasung wieder aktuell geworden. Damit werden zwar keine Autos, wohl aber Blockheizkraftwerke betrieben. In speziellen Reaktoren werden zunächst Holzspäne zu Kohlenstoffmonooxid, Wasserstoff und Methan zersetzt. Damit werden Gasmotoren angetrieben, die wiederum Strom erzeugen. Die Abwärme aus Abgas und Motorkühlung liefern den Wärmeanteil des Blockheizkraftwerks.


Weitere Texte zum Thema „Auto“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 04. August 2002, Dagmar Wiechoczek