Biotechnische Herstellung von Citronensäure mit Hilfe von Mikroorganismen

Wie du weißt, bildet jedes Lebewesen - auch du - im Rahmen seines Stoffwechsels Citronensäure. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte Wehner, dass dies auch für Schimmelpilze zutrifft. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es dann, diese Entdeckung großtechnisch auszunutzen. Damit wurde das bis dahin ausschließlich verwendete Herstellungsverfahren für Citronensäure, die Gewinnung aus Citrusfrüchten, schnell bedeutungslos. Denn die Citronensäure ließ sich nun mit Hilfe dieser Schimmelpilze viel billiger gewinnen.

Als Ausgangsmaterial nimmt man Melasse, einen Abfallstoff aus der Zuckerindustrie, der noch immer einen Zuckergehalt von etwa 50 % hat. Zur Herstellung von 1 t Citronensäure werden etwa 3 t Melasse eingesetzt. Dazu benötigt man einen möglichst aktiven Mikroorganismus. Bewährt haben sich zu diesem Zweck Schimmelpilze der Gattung Aspergillus niger. Die Leistung der Pilzkulturen wird durch gentechnologische Verfahren gesteigert.

Für die Citronensäuregewinnung mit diesen Pilzkulturen gibt es zwei Verfahren. Da es sich beim der Citronensäurebildung zugrunde liegenden Citronensäure-Zyklus insgesamt um einen aeroben Prozess handelt, muss für ausreichende Sauerstoffzufuhr gesorgt werden.

1. Das Oberflächenverfahren
Beim Oberflächenverfahren befindet sich das Nährmedium in großen flachen Schalen. Die Pilzkultur schwimmt auf der Nährlösung, deshalb läuft die Citronensäurebildung nur an der Oberfläche, an der Grenze zwischen Nährlösung und Pilzkultur, ab.

2. Das Submersverfahren
Beim Submersverfahren (lat. submergere = untertauchen, versenken) werden die Pilzkultur und die Melasse in einem großen Tank ("Fermenter") verrührt. Dadurch läuft der Prozess in der gesamten Flüssigkeit ab. Allerdings müssen bei diesem Verfahren große Mengen Luft in die Nährlösung eingeblasen werden.

Bei vollständiger Umsetzung könnten theoretisch aus 100 g Saccharose 123 g Citronensäure-Monohydrat gewonnen werden. Die praktisch erzielbaren Ausbeuten liegen aber deutlich niedriger, weil zur Vermehrung und für andere Stoffwechselvorgänge des Pilzes Zucker verbraucht wird.
Das Pilzmycel wird nach Beendigung der Citronensäurebildung abgetrennt. Es ist proteinhaltig und ungiftig und dient als Futtermittel in der Tierhaltung.

Zur Gewinnung der Citronensäure aus der verunreinigten Fermenterlösung wird die Citronensäure durch Zugabe von Kalkmilch und Erhitzen als Calciumcitrat gefällt.

Das ausgefallene Calciumcitrat wird abgetrennt und mit verdünnter Schwefelsäure zu Citronensäure und Gips umgesetzt.

Der ausfallende Gips wird abfiltriert.
Die zurückbleibende, meist gelbliche Citronensäurelösung wird zunächst durch Aktivkohle entfärbt. Die resultierende Citronensäurelösung enthält kaum noch Verunreinigungen. Die aus ihr gewonnene Citronensäure entspricht den Reinheitsanforderungen des Lebensmittelrechts.
Insgesamt werden jährlich allein in Deutschland viele hunderttausend Tonnen Citronensäure auf diese Art und Weise gewonnen.


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Letzte Überarbeitung: 06. November 2000, Dagmar Wiechoczek