Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 183
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F: Ein Ei das verdirbt steigt in einem Wasserglas nach oben. Erklärt wird dies immer mit der Entstehung von Schwefelwasserstoff. Aber die Dichte des Eis bleibt doch gleich, da sich die Masse des Eis doch nicht verändert, wenn ein neuer Stoff entsteht und auch das Volumen des Eis gleich bleibt. Könnte es sein, dass der Schwefelwasserstoff durch die Hülle diffunidert und dadurch die Dichte sinkt??


A: Die Eierschale ist nicht völlig dicht, sondern porös und erlaubt den Austausch von Gasen. Das alternde Ei verliert zunächst vor allem Wasser(dampf). Dadurch wird Raum für auftreibende Gase geschaffen. Diese entstehen vor allem durch enzymatische Reaktionen, so z. B. Bildung von CO2 durch Decarboxylierung von Carbonsäuren sowie durch Atmungsvorgänge. Weiter entsteht im alternden Ei das bekannte H2S hauptsächlich durch Beta-Elimination von proteingebundenem Cystein. Diese Gase können einmal die entstandenen Räume füllen. Sie können aber auch durch die Eischale abdiffundieren. Damit verliert das Ei Materie, es wird leichter. Insgesamt nimmt seine Dichte ab, es steigt auf.


1072
F: Ich habe im Labor mit Glycerin und Tollens Reagenz einen Silberspiegel im Reagenzglas erhalten, mit Ethanol nicht. Wie kann es sein, dass ein sekundärer Alkohol mit Tollens reagiert ? Der Reaktionslösung wurde lediglich Ammoniak zugegeben; kann es sein, dass die entstandenen Hydroxid - Ionen das Glycerin oxidiert haben zu einem Keton, welches dann mit Tollens reagiert hat


A: Tollens Reagenz ist ammoniakalische Silbernitratlösung. Wir kennen sie vom Glucose-Silberspiegel.
Das Molekül des Glycerins ist weniger stabil als das von Ethanol. Durch die Häufung der Hydroxylgruppen findet gegenüber den C-Atomen ein starker Elektronenzug statt. Der wird durch die H-Brückenbildung noch verstärkt. Der Elektronenabzug wirkt sich am stärksten am mittleren C-Atom aus. Das bedeutet, dass OH--Ionen aus der Lauge angreifen können. Die Elektronen werden von den Silber-Ionen übernommen. Folge: Oxidation sowie auch möglicherweise das Zerbrechen der Moleküle. Mögliche Reaktionsgleichung:

R-OH + OH- + Ag+ ———> R=O + H2O + Ag

Diese Carbonylverbindung reagiert gegenüber Tollens Reagenz ebenso wie ein reduzierender Zucker.


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F: Wir haben verschiede Koordinationszahlen für die Aqua-Komplexe des zweiwertigen Kupfers, nämlich 4 und 6, in ein und demselben Lehrbuch gefunden. So steht das z.B. im Schroedel Sek II auf Seite 193 und 198. Sind beide Koordinationszahlen möglich oder ist eine von beiden falsch?


A: Beides ist richtig. Im Kristall liegen [Cu(H2O)4]-Komplexe vor, in wässriger Lösung dagegen [Cu(H2O)6]-Komplexe. Der erstere Komplex ist quadratisch planar, der zweite verzerrt oktaedrisch. Die hinzu gekommenen H2O-Moleküle liegen etwas weiter entfernt und sind auch nicht so fest gebunden. Die Verzerrung der Struktur ist Folge des Jahn-Teller-Effekts und betrifft entartete d-elektronische Zustände in Komplexmolekülen.


1074
F: Um der Cheops-Pyramide in Ägypten liegen viele linsenartige Steinchen herum. Das sollen versteinerte Linsen sein. Stimmt das?
Ich erinnere mich, dass es in der Bibel (?) eine Geschichte gibt, dass die Kinder Israels die Pyramiden gebaut haben. Die Leute sollen Linsen gegessen haben.


A: Eine nichtchemische, aber naturwissenschaftliche Frage. Sie betrifft die Paläontologie oder Fossilkunde. Bei den runden Steinchen handelt es sich um herausgewitterte riesige Einzeller, um die Foraminiferen. Sie waren vor allem im Eozän gesteinsbildend. Man spricht von Nummulitenkalk (vom lat. nummus, Münze). Mit diesem Kalkgestein wurden die Pyramiden von Giseh gebaut. Die runden Steinchen waren wohl der Grund für die Legende mit den Linsengerichten, mit denen der Pharao die Israeliten gelabt haben soll. Esau verkaufte bekanntlich sein Erstgeburtsrecht an Jakob gegen ein Linsengericht (Gen. 25, 29-33).


Nummulitenkalk (Narbonne, Südfrankreich) (Foto: Blume)

Hier ist ein Foto einer Probe. Sammeln Sie in Ägypten auf keinen Fall die Steinchen ein! Man könnte es Ihnen als Diebstahl von Altertümern auslegen. Nummulitenkalke gibt es bei Mainz, um Paris und in Südfrankreich. Auch an der Küste von Kroatien liegen die teilweise mehrere Zentimeter großen "Münzen" herum. Man findet sie auch aufgespalten; dann erkennt man eine innere Kammerstruktur. Das verwechseln viele Leute mit den gekammerten Gehäusen von Ammoniten. Die waren damals aber schon ausgestorben.


1075
F: In einer Webseite haben Sie beschrieben, weshalb die Bürzel/Feder-Fette der Vögel nicht einfrieren. Ist das bei Schafen auch so? Die stehen doch auch bei Forst auf der Weide herum.


A: Sie meinen die Frage 1037.
Wie das Bürzelfett der Vögel enthält auch das Wollfett (Bezeichnung Lanolin vom lat. lana für Wolle) der Schafe kaum ungesättigte Fettsäuren. Die wären ja durch spontane Oxidation gefährdet. Dabei würde sich aus dem weichen, wärmedämmenden und zugleich wasserabweisenden Fettgemisch eine bröselige Masse bilden.

Lanolin ist ein Gemisch von vielen verschiedenen Substanzen. Der niedrige Schmelzpunkt des Wollfetts wird zunächst einmal wie bei den Vögeln durch Verzweigung der Fettsäuren gewährleistet. Interessant ist aber vor allem der Gehalt an "normalen" Fettsäuremolekülen, die weitgehend verestert vorliegen. Glycerin allerdings kommt als Reaktionspartner weniger in Frage. Denn Triglyceride der normalen Fettsäuren sind (wie die Margarine) bei tiefen Temperaturen eher fest.

Im Lanolin sind diese "normalen" Fettsäuren mit Steranen wie Cholesterin und Lanosterin verestert. Zur Erinnerung: Beide Substanzen sind letztlich Alkohole, da sie Hydroxylgruppen tragen. (Im Angelsächsischen spricht man ja auch von cholesterol.) Durch die Veresterung wird die Kristallisation der Fette erschwert. Sie bleiben deshalb auch bei tieferen Temperaturen schmierig. Hinzu kommen noch viele andere Verbindungen, wie zum Beispiel langkettige, verzweigte Alkohole, die insgesamt quasi als Weichmacher die Fettkristallisation stören.

Alle diese Substanzen fallen bei der Verarbeitung von Wolle an und werden nicht etwa als Abfall entsorgt, sondern sind geschätzte Rohstoffe zur Herstellung von hochwertigen Hautcremes wie Nivea®: Damit die menschliche Haut so geschmeidig bleibt wie das Fett der Schafe... Und die Haut läuft dann auch nicht Gefahr, nach kurzer Zeit ranzig zu riechen.

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Letzte Überarbeitung: 17. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek