Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

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2006
F: Betreff: Klebt Wasserglas "Granitstufen"?
Hallo, als kleiner Junge, gehorchte ich meinem Vater einmal nicht und schlug von unserer Haustürtreppe ein Stück Stufe ab. Nach der Tracht Prügel, meinte mein Vater er werde es reparieren (er arbeitete in einem Bergwerksbetrieb in Thüringen). Am nächsten Tag brachte er „Wasserglas“ mit und klebte die Treppenstufe zusammen. Nun 50 Jahre später passierte mir das gleiche mit unserem Enkel, nur er schlug es nicht ab, sondern trat auf einer neuen Setzstufe herum, die auf einer Spanplatte abgelegt war und ca. 15cm überstand. Jetzt habe ich zwar die Erinnerung an „Wasserglas“, aber ich weiß nun nicht, wie ich mit Wasserglas umgehen soll. Die Setzstufe ist aus bei Steinmetzen üblicherweise verwendeten Platten geschnitten, ich nehme an Bindemittel ist Zement, kleine Granitsteine und alles glatt geschliffen. Geht es überhaupt? Muss ich vorher die zu verbindenden Stellen mit Wasserglas oder Tiefengrund vorstreichen? Müssen beide Teile unter Druck gesetzt werden oder reicht ein zusammenschieben?


A: Mit dem mineralischen Kleber Wasserglas klebt man Substanzen, die silicathaltig sind, also Glas und deshalb auch Granit. Wasserglas ist selbst die Lösung eines Silicats (Natriumsilicat). Wenn es sich sicher um Granit oder ein anderes silicatisches Gestein handelt und nicht um Kalkstein, können Sie es also versuchen. Die zu klebenden Stellen müssen absolut staubfrei sein, weil jedes Körnchen die Kontaktflächen stört. Auch muss es total fettfrei sein. Nehmen Sie unverdünntes Wasserglas. Denken Sie daran, dass die Lösung stark alkalisch (ätzend!) ist. Hinzu kommt, dass Sie darauf achten müssen, dass keine Lösung auf die umgebenden Flächen tropft, weil Wasserglas alles an Silicaten angreift/anätzt.
Das Abbinden dauert ein paar Tage, weil chemische Vernetzungsreaktionen ablaufen müssen. Ich würde die Stücke deshalb auch zusammenschieben.


2007
F1: Vorab diese Bemerkung: Ich bin ein an Numismatik interessierte Pensionär. Ihren Namen und die Adresse fand ich im Internet, in dem Sie im Tipp Nr. 17 vom November 1998 das Verzinken von Kupfermünzen beschreiben.

Vor mir liegt ein konkreter Fall: Ein preußischer Dritteltaler Friedrichs des Großen aus dem Jahr 1758 wurde in der städtischen Münzstätte Osnabrück als kupferner Kern geprägt und anschließend "versilbert". In den angehängten Bildern sehen Sie den stark gereinigten kupfernen Kern und eine beschichtete Münze.

Ich konnte den Kern und die beschichtete Münze an der Fachhochschule Münster durch Röntgenfluoreszenz-Messung untersuchen lassen. Sowohl der Kern wie auch die Beschichtung zeigen Kupfer und Zink, jedoch in keinem Fall Silber.

Nun kannte man zu dieser Zeit noch nicht das reine Zink, wohl aber Galmei, das auch verwendet wurde, um Kupfer zu Messing zu wandeln. Ich habe aber bisher noch keinen Hinweis finden können, dass Galmei für das Beschichten von Kupfer eingesetzt wurde.

Ist Ihnen ein solches Verfahren der Zeit bekannt? Können Sie mir einen Hinweis geben, wo ich weiter suchen kann?


A1: Schon seit dem 5. Jahrhundert vor Chr. hat man bei den Etruskern Messing hergestellt. Dazu hat man Kupfer sowie Kupfererze zusammen mit auf Sardinien gefundenem Edlem Galmei bzw. Unedlem Galmei (Zinkcarbonat ZnCO3 bzw. Zinksilicat Zn4(OH)2[Si2O7] * H2O) erhitzt. Natürlich konnte man dabei auch Überzüge herstellen.

Metallisches Zink kennt man in Indien seit dem 13. Jahrhundert.

Jetzt muss ich Sie korrigieren: Zinkmetall hatte bereits Georgius Agricola (1494-1555) in den Händen, allerdings ohne davon großen Gebrauch zu machen.

1746 wurde Zinkmetall durch den „Alchimisten“ A. S. Markgraf wiederentdeckt. Er hat Zink durch Reduktion von Galmei mit Holzkohle hergestellt und als Element erkannt. Ob er den Versuch von Agricola kannte und nachahmte, weiß ich nicht.

Somit klingt es für mich nicht ungewöhnlich, wenn Kupfermünzen von 1758 nach dem „klassischen“ Verfahren (Erhitzen mit Zinkpulver in alkalischer Lösung) zum „Versilbern“ verfälscht wurden. Bekanntlich benötigte Friedrich II. für seine Kriege viel Geld...


F2: Ich danke Ihnen für Ihre hilfreichen Hinweise auf meine Fragen. Durch diese ist mir klar geworden, wie das Verzinken vor etwa 250 Jahren abgelaufen ist.

Die Münzfälscher hatten nun die Absicht, die kupfernen Kerne durch Erhitzen mit Zinkpulver in einer alkalischen Lösung zu "versilbern", was ihnen sicher auch gelungen ist.

Allerdings sind die auf unsere Tage gekommenen Münzen mit einer Verzinkung nicht silber-, sondern messing- bis goldfarben, was nicht im Sinne der Fälscher war. Die nachzuahmenden Münzen waren aus Silber!

Und dazu meine Frage: Ist es vorstellbar, dass die vor 250 Jahren verzinkten Münzen anfangs auch silberfarben waren, die Farbe dann aber im Laufe der Zeit umgeschlagen ist?

Ich denke da an das industrielle Verfahren des Temperns, wenn eine chemische Reaktion nicht durch kurzfristig hohe Temperaturen, sondern durch langfristig weniger hohe Temperaturen gezielt gesteuert wird.

In diesem Falle also: Statt der sehr kurzen hohen Erhitzung durch die Flamme des Bunsenbrenners die waren die Münzen einer 250 Jahre dauernden mäßigen Temperierung unseres Klimas ausgesetzt.


A2: Verzinkt man Münzen ohne sie zu erhitzen, sehen sie tatsächlich silbrig aus - vor allem, wenn man sie poliert. Wir zeigen das auf der Webseite, die Sie selbst als Einstieg genannt haben! Sie sollten diesen Versuch einmal machen!

Dass diese Münzen „altern“, dass sich also ein Farbwechsel nach Golden einstellt, ist durchaus möglich. Schließlich müssen nur Zinkatome in die Kupferschichten einwandern. Zu dieser Diffusion reichen Zeit und moderates Erwärmen aus. Das stellt man fest, wenn man echtes Cu/Zn-Messing in Salzsäure legt: Es löst sich nur Zink heraus, wodurch das Messingstück kupferfarben wird. Nach einiger Zeit stellt sich die Messingfarbe wieder ein, weil die Zinkatome von innen nach außen diffundieren. Das kann recht lange dauern, lässt aber durch moderates Erwärmen beschleunigen.


2008
F: Aufgrund meiner Abiturarbeit habe ich den Vitamin-Gehalt von Biozitronen und Zitronen, die konventionell angebaut wurden, gemessen. Die Biozitronen schnitten deutlich besser ab. Ist dies möglich? wenn ja, was könnte der Grund dafür sein?


A: Das überrascht mich, denn eine Untersuchung, die vor ein paar Wochen in den öffentlichen Medien diskutiert wurde, brachte genau das Gegenteil heraus: Bioprodukte unterschieden sich hinsichtlich des Gehalts an Vitaminen und anderen typischen Inhaltsstoffen in Nichts von den konventionell hergestellten Produkten.

Ich gehe mal davon aus, dass Ihre Messungen fehlerfrei und reproduzierbar sind.

Dann muss ich fragen, ob Sie Folgendes berücksichtigt haben: Was wissen Sie über die Herkunft der verglichenen Zitronen? Das betrifft z. B. Anbau-Ort, Bodenmineralien, Klima und Sonnenscheindauer. Es ist bekannt, dass sich diese Faktoren stark auf den Vitamin-Gehalt auswirken.
Hinzu kommt, dass Sie auch nur wirklich identische Zitronen-Sorten vergleichen dürfen. Denn auch davon hängt der Gehalt an Vitaminen ab. Es gibt nicht einfach nur „die“ Zitrone.

Ich würde somit aufgrund Ihrer Versuche keine Aussage wagen.


2009
F: Ich bin Student der Universität Würzburg und schreibe gerade meine Zulassungsarbeit in der Fachdidaktik Chemie. Meine Aufgabe ist es Experimente für den Chemieunterricht zum Thema "Halogene und Alkalimetalle" für eine Lernplatform zu Filmen und didaktisch zu analysieren. Zu den Videos fertige ich zudem Betriebsanweisungen an. Beim Versuch "Chlorbleichung einer Rose" bin ich beim theoretischen Hintergrund auf einige Fragen gestoßen die ich mir trotz Literaturrecherche und Befragung einiger Dozenten nicht ganz erklären kann.

Meine Frage bezieht sich auf die Farbänderung der Blüte von rot nach gelb durch die Bleichung. Wie kann ich die Oxidation von Cyanidin durch atomaren Sauerstoff mechanistisch oder in einer Reaktionsgleichung darstellen? Wird dabei der atomare Sauerstoff, der durch Zerfall der Hypochlorigen Säure entsteht, zu Wasser reduziert?

Zu Cyanidin bin ich bei meiner Recherche in erster Line auf ph-Wert abhängige Farbveränderungen gestoßen unter anderem auf Ihrer Seite. Dabei bin ich auch auf die Chalkonbildung aufmerksam geworden. Nun bin ich mir nicht sicher ob das Chalkon für die gelbe Färbung verantwortlich ist oder doch nur die Oxidation der beiden OH-Gruppen im Hydrochinonteil des Moleküls? Außerdem hab ich mich gefragt ob es möglich ist, dass Chlor selbst mit den Farbstoffen reagiert und eine Farbänderung bewirkt?

Bei Chlorophyll habe ich überhaupt keinen Ansatz wie die Oxidation von statten geht.
Ich habe im Anhang einen Auszug meiner Versuchsanweisung angefügt,so dass Sie meine Gedankengänge nachvollziehen können. Es geht mir dabei aber nicht um eine Korrektur meiner Arbeit. Ich möchte fachlich nur keine falschen Aussagen treffen.


A: Chlor bzw. Hypochlorige Säure und die daraus entstandenen O-Atome sowie Hydroxyl-Radikale sind äußerst unspezifisch in Hinsicht auf den Angriff auf derartig komplexe Moleküle. Da kann jede Ecke betroffen sein. Es können chlorierte wie auch hydroxylierte Verbindungen entstehen. Das gilt gleichermaßen für die Anthocyanide wie die Chlorophylle. Wenn sie nicht in die organischen Moleküle eingebaut werden, wird aus O und OH natürlich Wasser.

Chalkone entstehen vor allem durch ringöffnende Reaktionen des Pyranrings von Anthocyaniden. So beruht die Gelbfärbung, die man im alkalischen Milieu beobachtet, auf einer Addition von OH-Ionen neben dem O des Chromenrings, die zur Ringöffnung und anschließend zur Abspaltung des einzelnen Phenylrests führt. Dazu kommt die Oxidation des Systems unter Bildung von cyclischen, ungesättigten Ketonen, die (wie z. B. Benzochinon) gelb gefärbt sind. Klicke hier und lies Frage 663.

Seien Sie nicht böse, wenn ich Ihnen sage, dass ich aus Sicherheitsgründen keine Anhänge von Unbekannten öffnen kann.


2010
F1: Ich finde im Internet und in Schulbüchern (bin Lehrerin) zig Versuche mit z. B. Sulfanilsäure/Benzocain und beta-Naphthol. Funktionieren diese Versuche auch mit alpha-Naphthol? Dieses würde ich in der Apotheke meines Vertrauens zur Ausleihe bekommen.


A1: Gegen den Austausch spricht nichts. Es kann höchstens eine Farbtonänderung geben. Probieren Sie es aus. Sie können mir ja mal schreiben, ob das funktioniert.

Wissen Sie, dass Benzocain in vielen Medikamenten (Halstabletten wie Dorithricin) enthalten ist? Benzocain ist p-Amino-benzoesäure-ethylester. Es wirkt in den Mitteln gegen Halsentzündungen vor allem als Lokalanästhetikum, also als schmerzlindernd.

(Zur Information unserer Leser: Bei der Azosynthese greift Nitrit an der Aminogruppe an, bildet ein stabiles, weil aromatisches Diazonium-Kation, das elektrophil Aromaten wie die Naphthole angreifen kann. Dabei bilden sich Farbstoffe.)


F2: Danke für die Antwort! Ich konnte mir aus einer Apotheke beide Naphthole ausleihen. Wir probieren jetzt im Leistungskurs verschiedene Varianten aus: Benzocain als Reinsubstanz, Benzocain aus Dolo Dobendan® - oder Dorithricin® -Tabletten, Benzocain aus Anaesthesulf-Lotion® … gepaart mit 1- oder 2-Naphthol.


A2: Tolles Programm. Denken Sie bitte daran, dass Benzocain als so genannter „Para-Stoff“ bei empfindlichen Personen Allergien auslösen kann.


F3: Wir arbeiten grundsätzlich im Bereich der Farbstoffe mit Handschuhen, da unsere Schüler ja latente Allergien haben könnten. Aber danke für den Hinweis!

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Letzte Überarbeitung: 09. November 2012, Dagmar Wiechoczek