Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 372
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2016
F: Wir haben im Zuge unserer Masterarbeit den Alkohol - Nachweis mit Cerammoniumnitrat durchgeführt und sind momentan an deren fachlichen Aufarbeitung. Leider ist uns nicht ersichtlich, welcher Komplex sich bei Reaktion mit Ethanol bildet. Handelt es sich generell um eine Komplexierung des Cer - Ions mit dem Alkohol oder läuft vorab eine Redoxreaktion und somit Oxidation des Alkohols zur Carbonylverbindung (bei primären Alkoholen also zu Aldehyden) ab?
Leider konnten wir auch bezüglich des Namens der entstehenden Komplexverbindung keine Informationen finden.
Vielen Dank vorab für Ihre Rückmeldung!


A: Ich gehe davon aus, dass Sie meine Webseite zum Thema kennen:
http://www.chemieunterricht.de/dc2/tip/juli1997.htm

Es handelt sich meines Wissens nach um einen Cer(IV)-Alkohol-Komplex, aus dem heraus die Redoxreaktion stattfindet. Das merkt man schon daran, dass sich zunächst rasch die rote Farbe des Komplexes einstellt und sich dann erst langsam der typische Aldehydgeruch aufbaut. Parallel dazu verschwindet wieder die rote Färbung der Lösung.

Die Bildung des Alkohol-Komplexes ist dadurch bevorzugt, da das Hydroxyl-Sauerstoffatom basischer ist als das des Carbonyls. Bei der Komplexbildung kann es auch zur Deprotonierung des Alkohols kommen. Das ist schon aufgrund der starken Ladung des Zentral-Ions vorstellbar. Das führt zu besonders starker Bindung an das Zentral-Ion, aber auch zur Förderung des Elektronentransfers vom Alkohol(at) zum Cer(IV).

Zur Benennung des Komplexes: Findet eine Deprotonierung des Alkohols statt, so handelt es sich im Falle des Methanols (Ligand CH3O-) um einen Cer(IV)-methoxo-Komplex, beim Ethanol hieße die Verbindung Cer(IV)-ethoxo-Komplex. Über die Ligandenzahl weiß ich nichts.


2017
F: Zunächst einmal ein großes Lob an ihren Bildungsserver und die Möglichkeit Ihnen Fragen zu senden. Ich hätte ein paar Fragen zu Ihrem Tipp des Monats Nr. 87 über die Extraktion von Coffein aus schwarzem Tee:

Nimmt man Ethanol als Lösungsmittel, weil sich Coffein darin besser löst als in Wasser oder liegt der Grund in den verschiedenen Siedepunkten?
Um die Fette zu beseitigen wird ja das Salz MgO verwendet. Läuft die Verseifung der Fette dann so ab, dass sich zuerst durch das hinzugegebene Wasser die Fette in Gylcerin und die Fettsäuren spalten und das doch eigentlich schwerwasserlösliche MgO mit H2O zu OH reagiert, wodurch die Fettsäuren dann zu den Magnesiumsalzen werden? Warum wird die Lösung dann insgesamt 3 mal am Rotationsverdampfer bis zur Trockne eingedampft?

Die Amine bilden unter der Schwefelsäure die wasserlöslichen Salze. Zählen dazu alle Enzyme/Proteine, die darin enthalten sind?
Kohlenhydrate sind in Tee ja ebenfalls vorhanden. Stimmt es, dass sich diese durch die Extraktion mit Ethanol darin nicht lösen und somit auch nicht unter den Verunreinigungen sind?

Wenn man Coffein am Soxhlet nicht aus schwarzem Tee, sondern aus Kaffeepulver isoliert, werden dann bei der Abtrennung der Verunreinigungen dieselben Schritte benötigt? Im Grunde sind ja dieselben Stoffgruppen als im Tee enthalten, mit Ausnahme der Gerbstoffe, die im Kaffee ja nicht enthalten sind oder? Muss man dann trotzdem Schwefelsäure hinzufügen? Jedoch sind im Kaffee noch Säuren wie Ameisen- oder Essigsäure enthalten, die im Tee nicht vorhanden sind. Lösen sich diese dann auch im Ethanol oder müssen diese Verbindungen auch noch abgetrennt werden.


A: Sie müssen wissen, dass viele Vorschriften zur Isolierung von Naturstoffen uralt sind und daher viel Alchimistisches enthalten, also nicht so exakt erklärbar sind, wie Sie es wünschen.

Zum Beispiel: Coffein löst sich in Ethanol keineswegs besser als in Wasser! Es ist in Wasser sowie in Chloroform sogar besser löslich. Letzteres nimmt man nicht, weil es giftig/vielleicht sogar cancerogen ist und letztlich auch schwer aus dem Coffein zu entfernen ist.

Man nimmt Ethanol statt Wasser, weil es bei der Abtrennung darauf ankommt, es in den nicht-ionischen Zustand zu überführen. Zur Erinnerung: Coffein ist eine Base, die mit der Säure Wasser reagiert und dabei protoniert wird.

MgO dient vor allem als Adsorptionsmittel für Lipide, das (anders als CaO) nur schwach basisch ist. Es ist durchaus in Wasser löslich (wenn auch nur schwach). Trotz seiner geringen Basizität wirkt es auch mit, Fettsäuren unter Bildung schwerlöslicher Mg-Salze abzutrennen.

Die Vorschrift für Tee ist nicht ohne weiteres auf Kaffee zu übertragen. Am Besten geht das noch mit zerkleinerten ungerösteten Kaffeebohnen. Bei geröstetem Kaffee kann man die braunen Röstprodukte mit Aktivkohle oder Bleicherde entfernen.


2018
F: Seit Jahren nutze ich gerne und häufig Ihre Materialien zur Chemie.
Zunächst als Student und Referendar, nun auch im Beruf als Studienrat an einem niedersächsischen Gymnasium.
In meinem Unterricht hat eine Referendarin eine Lehrprobe bezüglich der Abscheidungspotentiale bei der Elektrolyse einer Natriumsulfat- Lösung durchgeführt.
An dieser Stelle benötige ich zusätzlich zu den Materialien im Internet Ihre Hilfe:
In der Nachbesprechung der Lehrprobe verwies die Fachleiterin darauf, dass ein fachlicher Fehler vorläge, wenn die Referendarin eine Oxidation/Reduktion von Hydroxid- bzw. Oxonium-Ionen an den Elektronen lehren würde, da diese in einer neutralen Lösung nur in geringsten Mengen vorlägen (Das ist ja auch direkt einsichtig). Die Fachleiterin sagte wörtlich: "Es handelt sich dabei um die Entladung von Wasser an den Elektroden".
Hier möchte ich einhaken, denn "die Entladung von Wasser" wird auch auf ihren Seiten mit der Autoprotolyse als Zwischenschritt angegeben!
Ganz abgesehen von den Reaktionen, die ablaufen, wenn man korrekterweise die Funktion der Sulfat-Ionen betrachten würde.

Können Sie mir auf diese Weise eine kurze Rückmeldung geben?
Einer langjährigen Fachleiterin einfach zu widersprechen, ist für mich als junger Kollege nämlich nicht ganz so einfach! In den Standardwerken (Riedel/Atkins) findet sich leider nichts Explizites zu dem Thema!


A: Grundsätzlich handelt es sich bei der so genannten Wasser-Elektrolyse um eine durch Sulfat-Ionen katalysierte Zersetzung von Wasser in seine Elemente. Dabei gibt es immer wieder Streit darüber, ob nun die polarisierten Wassermoleküle an ihrem jeweils passend geladenen Ende andocken und Elektronen aufnehmen bzw. abgeben oder ob es die Ionen sind, die entladen werden. Dabei ist das Streiten darüber egal: Denn primär reagiert Wasser mit Sulfat-Ionen und bildet entladungsfähige Spezies. Hier beschreibe ich das Dilemma der Darstellung.

Was Sie den Schülern nun über den tatsächlichen Reaktionsverlauf erzählen, hängt von deren Vorwissen ab und auch von den Lernzielen, die Sie erreichen wollen. Dabei muss man „didaktisch reduzieren“. Das sollte auch die Fachleiterin wissen.

Wenn Sie im Anfangsunterricht (vorausgesetzt: Ionen-Begriff ist bekannt) den Schülern sagen, dass Wassermoleküle entladen werden, fragen die sich, wieso die ungeladenen Moleküle an die Elektroden kommen. Also nehmen Sie die Ionen-Entladung. Das stimmt mit dem Versuchsergebnis überein. Die geringe Wasserstoff-sowie Hydroxid-Ionen-Konzentration in der Natriumsulfat-Lösung fällt den Schülern erfahrungsgemäß nicht auf und wird nicht problematisiert.

Dann kommt für Fortgeschrittene ein Problem: Bei Verwendung der Schwefelsäure können Sie gut mit der Wasserstoffentstehung aus H+ (bzw. H3O+) argumentieren, aber woher kommen dann die OH--Ionen? Bei der Sulfatlösung liegen beide Ionen wenigstens gleich konzentriert vor, aber dann kommt das Problem mit der geringen Konzentration. Man kann nun argumentieren, dass die Ionen ständig über das Dissoziationsgleichgewicht in dem Maße, in dem sie verbraucht werden, nachgeliefert werden.

Egal, wie Sie das drehen: Das Ganze ist in der Gegenwart von Sulfat-Ionen sowieso fachlich falsch.

Den besonderen Experten können Sie endlich die Sulfat-Geschichte erklären und haben dabei zusätzlich einen guten Einstieg in die Katalyse oder ein gutes Beispiel für Katalysereaktionen.


2019
F: In dem Buch „Chemie“ von Charles E. Mortimer und Ulrich Müller, 9. überarbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag, findet man auf Seite 101 folgende Formulierung:

„In der Regel ist die Bildung von Ionen mit Edelgaskonfiguration energetisch begünstigt. Mehr als drei Elektronen werden allerdings nie von einem Atom abgegeben oder aufgenommen. Die dafür aufzuwendende Energie steht nie zur Verfügung.“

Gleichzeitig findet man aber in anderen Büchern Angaben z. B. zum Redoxpotential von Sn2+/Sn4+ sowie zur Existenz von Ce4+. Entstehen diese vierwertigen Ionen erst in wäßriger Lösung? Oder trifft die Formulierung im „Mortimer“ nicht zu?


A: Die Formulierung trifft zu, wenn es um freie Ionen geht. Mangan kann in wässrigem Milieu frei nur als Mn3+ existieren, genau genommen als hydratisiertes Ion Mn3+(aq). Dabei sind die Bindungen zu den Wassermolekül-Dipolen nur elektrostatischer, also physikalischer Natur. Ab Mn4+ liegen nur Hydrate bzw. Oxi-Ionen mit kovalentem Bindungsanteil vor: Mn(OH)O oder MnO2. Bei höheren Oxidationsstufen als (III) werden also keine ionischen Bindungen mehr ausgebildet, sondern (allerdings polarisierte) kovalente Bindungen. Grund ist das starke elektrische Feld der vierfach positiven Punktladung des Atomkerns, das so auf die Elektronen des polaren Umgebungsstoffs (hier Wasser) wirkt, dass sich gemeinsame Molekülorbitale aufbauen.

Formal jedoch scheint natürlich alles möglich - sogar bis „8+“ beim Osmium. Denken Sie auch an Mangan-„7+“ im Kaliumpermanganat-Ion MnO4- oder Iod-„7+“ im Periodat IO4-. Natürlich sind da nicht etwa Ionen wie z. B. Mn7+ im Spiel.

Man muss zwischen Ionenladung und Wertigkeit unterscheiden. Letztere nennt man auch Oxidationsstufe.

Es gibt in der normalen Chemie keine Mn4+-Ionen, wohl aber positiv-vierwertiges Mangan Mn(+IV), das gebunden ist mit anderen minus-x-wertigen Atomen wie z. B. Sauerstoff(-II).

Zur Beschreibung solcher Bindungszustände darf man nicht mehr von rein physikalischen elektrostatischen Beziehungen zwischen getrennten Ionen ausgehen, sondern muss hier MO-Theorien (bei Komplexen: Kristall- sowie Ligandenfeldtheorie) anwenden.


2020
F: Laut Wikipedia hat Mannose folgende Schmelzpunkte D-Mannose: 133 °C; L-Mannose: 129-131 °C. Da D-Mannose und L-Mannose Enantiomere sind, dürften sie sich hierin aber nicht unterscheiden. Erklärung?


A: Sie haben natürlich Recht. Offenbar haben die Autoren von Wikipedia verschiedene Quellen genutzt. Sie müssen wissen, dass D-Mannose ein Naturstoff ist, der sich leicht rein darstellen lässt. Deshalb kann ihr Schmelzpunkt (CRC-Handbook of Chemistry and Physics, 89th Edition: 132 °C) gut bestimmt werden. Die L-Mannose dagegen ist kein Naturstoff und muss synthetisiert werden. Mehrstufige Zuckersynthesen sind wegen der schlechten Kristallisierbarkeit vor allem auch der Zwischenstufen bekanntermaßen eine schwierige Sache. Folglich sind Verunreinigungen nicht auszuschließen, so dass es beim Schmelzpunkt zu Abweichungen nach unten kommen kann. Stichwort: Schmelzpunkts-Erniedrigung.

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Letzte Überarbeitung: 21. Januar 2013, Dagmar Wiechoczek