Wodurch entstehen Unfälle?
Experimente:
Versuche: Exemplarische Versuchsvorschriften zur Demonstration von Gefahr
und deren Abwehr
Versuch: Erst das Wasser, dann die Schwefelsäure...
Die folgende Aufzählung enthält die für die Schulpraxis und das
häusliche Umfeld der Schüler typischen Anlässe mit einer Auswahl von
Beispielen. Die Beispiele können sicherlich von Lehrern und Schülern aufgrund eigener
Erfahrungen ergänzt werden.
a) Nichtwissen
Ein Beispiel für mangelndes Fachwissen ist die Abwandlung des bekannten
Schülerversuchs zur Synthese von Eisensulfid aus Eisen und Schwefel. In dem Fall,
dass Eisenpulver ausgegangen sein sollte, dürfen keine anderen Metalle wie Zink oder
gar Magnesium eingesetzt werden, da eine kräftige Verpuffung oder gar Explosion die
Folge wäre.
Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von Metallpulvern anstelle von Granalien bei
der Wasserstoffdarstellung. Mit Zink- oder Aluminiumgranalien und halbkonzentrierter
Salzsäure verläuft die Reaktion schwach exotherm, mit den entsprechenden
Metallpulvern dagegen heizt sich die Reaktion derart auf, dass sich der Wasserstoff
entzünden kann.
Weiterhin zu nennen ist der Versuch, halogenierte Kohlenwasserstoffe mit Natrium zu
trocknen.
Zum Thema "Nichtwissen" gehört auch die folgende Meldung zu den Untaten einer Jungforscherin.
b) Leichtsinn
Unter dieser Rubrik sind wohl die meisten Gründe für Unfälle zu finden.
Als Leichtsinn ist es einzustufen, wenn man gefährliche Experimente bewusst
vorführt, um die Gefährlichkeit zu demonstrieren. Das betrifft z. B. die Mischung von
halogenierten Kohlenwasserstoffen mit metallischem Kalium. Aber auch die
Demonstration, wie Schwefelsäure reagiert,
wenn man sie mit Wasser übergießt, gehört hierzu.
Oft neigt man dazu, "schnell einmal etwas auszuprobieren".
Hierzu ein Beispiel aus der Schulpraxis: Beim Versuch, zu unterscheiden, ob es sich
beim Produkt der Fehlingschen Reaktion mit Formaldehyd um Kupfer(I)-oxid oder
metallisches Kupfer handelte, wurde zum Vergleich auch Kupfer(I)-oxid aus der
Sammlung mit konzentrierter Salzsäure übergossen; dabei fiel weißes
Kupfer(I)-chlorid aus. Da dieses den Schülern nicht bekannt war, sollte es in grünes
Kupfer(II)-chlorid überführt werden. Als Oxidationsmittel wurde Wasserstoffperoxid
gewählt. Bei dessen Zugabe schoss das gesamte (heiß gewordene) Reaktionsgemisch
aus dem Reagenzglas heraus. Kupfer(I)-chlorid ist nämlich ein Katalysator zur
Selbstzersetzung von Wasserstoffperoxid.
An vermeidbaren Beispielen sind hier weiterhin zu nennen:
- | Brennerflammen in der Nähe von offenen Lösungsmittelflaschen oder Entwicklungsapparaturen für brennbare Gase. |
- | Durchführung von Experimenten, ohne mindestens eine zweite Person in der Nähe zu wissen. Dies betrifft Lehrer, die nachmittags Versuche vorbereiten. Die oft entscheidende Erste Hilfe könnte im Falle eines Unfalls zu spät kommen. |
- | Nichtanketten von nur kurzfristig verwendeten Druckgasflaschen, die bei versehentlichem Umstoßen leicht zur Rakete werden können. |
- | Verzicht auf das Aufstellen einer Schutzscheibe oder auf das Austeilen von Schutzbrillen - z. B. aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit. |
- | Zu vermeiden ist auch das Pipettieren mit dem Mund, da dies zu gefährlich ist und zudem die Schüler zur Nachahmung verleiten könnte. |
- | Bei der Entwicklung von manchen Gasen kann die Reaktion nach kurzer Anlaufphase extrem heftig verlaufen. Dies passiert leicht bei der Freisetzung von Ammoniakgas aus Ammoniumchlorid und festem Natriumhydroxid nach Zugabe von Wasser. Aber auch die Einwirkung von Natronlauge auf Aluminium kann sich so aufschaukeln, dass es zur Knallgasexplosion kommen kann. |
- | Leichtsinn beobachtet man oftmals auch bei denjenigen Schülern, die ohne Aufsicht und Anleitung zu Hause oder auf Spielplätzen (leider auch manchmal mit Sprengstoffen) experimentieren. Hier ist die Frage zu stellen, ob man nicht einmal das Experimentieren mit allgemein zugänglichen Gefahrstoffen zum Gegenstand des Unterrichts machen sollte. Wenn man es sowieso nicht verhindern kann, dass die Kinder unter der Inkaufnahme von Gefahren experimentieren, sollte man ihnen wenigstens sagen, wie sie es richtig tun müssen. Ich will aber keineswegs pauschalisieren: Natürlich gibt es auch im häuslichen Umfeld verantwortungsbewusste m/w-Jungchemiker, die nicht nur an ihre Sicherheit, sondern z. B. auch an die fachgerechte Entsorgung ihrer Versuchsabfälle denken. |
Leichtsinnig ist auch der Versuch einer unsachgemäßen Reparatur. Das betrifft nicht nur Gasleitungen, sondern ganz besonders auch elektrische Anlagen.
c) Unwissenheit in der Bedienung von Sicherheitsgeräten
Jeder Lehrer sollte nicht nur wissen, wo Schaumlöscher, Notdusche,
Brandschutzdecke, die Haupthähne für Gas und Wasser sowie der Notschalter für
elektrischen Strom zu finden sind, sondern auch, wie man diese bedient.
Die folgende Meldung beschreibt sicherlich den Versuch, einen Friteusenbrand mit Wasser zu löschen. Ein gutes Beispiel für die Rubrik "Unwissenheit"!
Als Sicherheitsgerät im weiteren Sinne kann man auch den Giftschrank bezeichnen, ebenso die abschließbaren Sammlungsschränke, die dem unberechtigten Zugriff oder sogar dem Diebstahl von Chemikalien durch Jungforscher vorbeugen können.
d) Nervosität
Gerade jüngere, unerfahrene Lehrer lassen sich leicht durch überdrehte Schüler
ablenken. Zittrige Finger beobachtet man aber auch bei Lehrproben, Prüfungsstunden
usw., weiterhin bei der Durchführung von Versuchen,
von denen es heißt, dass sie gefährlich seien.
Es sollte ausreichend Zeit für die Durchführung von Versuchen eingeplant werden,
damit nicht unter Zeitdruck Sicherheitsmaßnahmen außer Acht gelassen werden.
e) Unordnung
Wenn experimentiert werden soll, muss der Laborplatz gut aufgeräumt sein. Am besten
wird er von allen nicht zum Versuch gehörenden Gegenständen befreit. Das betrifft nicht
nur den Lehrertisch, sondern vorrangig auch die Arbeitstische der Schüler.
Gerade im Sammlungsraum, der wegen der Zutrittsmöglichkeit für Schüler
besonders gefährlich ist, herrschen teilweise chaotische Zustände. Es stehen
unbeschriftete Flaschen herum, Bechergläser und Erlenmeyerkolben sowie Reagenzgläser
mit teilweise eintrocknenden Lösungen, Quecksilberresten (usf.).
Gefährlicher noch als Nichtbeschriftung ist Falschbeschriftung. Gerade in Sammlungen
gibt es viele Flaschen mit festem Etikett, welche nachträglich mit (nicht lange haftenden) Aufklebern
versehen werden.
f) Gefährliche Chemikalien in Lebensmittelbehältern
Besonders schlimme Folgen kann die Aufbewahrung von Chemikalien oder im Haushalt
befindlichen Gefahrstoffen in
Getränkeflaschen haben, eine Unsitte, die aus Sparsamkeit immer noch weit verbreitet
ist.
g) Lösemittel im Ausguss
Gießt man beispielsweise Diethylether in den Ausguss, so verteilen sich die
Dämpfe wegen der geringen Mischbarkeit mit Wasser rasch über das ganze
Abflusssystem. Überall in der Schule riecht es dann nach Ether. Explosionen
können die Folge sein.
Um sich eine Vorstellung von dieser Gefahr zu machen, muss man wissen, dass
sich aus einem Liter flüssigem Ether (unter Berücksichtigung der Explosionsgrenze
von Luft-Ether-Gemischen, welche bei 1,2 Vol% Ether liegt) 20 m3
zündfähiges Gemisch entwickeln können!
(Siehe hierzu die
Versuchsanleitung zum Löschen von Lösungsmittelbränden.)
h) Unzureichende Ausstattung des Schullabors
Oft genug kommt es vor, dass in Schullabors kein Abzug vorhanden ist, zu wenig oder
gar keine Schutzbrillen für die Schüler existieren, eine Schutzscheibe fehlt (usw.).
Bestimmte Versuche, bei denen giftige oder brennbare Gase entstehen, sollten ohne
Abzug auf keinen Fall im Klassenraum durchgeführt werden. Helfen kann hier ein
Schlauch, der das Gas aus der Apparatur zum Fenster hinausleitet.
i) Fehlendes Umweltbewusstsein bei der Arbeit im Schullabor
Eine Gefahr, deren man sich oft gar nicht bewusst ist, ist die latente Vergiftung der
Umwelt, in der sich vor allem Lehrer längere Zeit (oftmals das ganze Berufsleben!) im
Schullaboratorium aufhalten. Das betrifft besonders den ständigen Kontakt mit Lösemitteln, der
zu Leberschäden führen kann. Aber auch andere Gifte sind allgegenwärtig.
So kann man wohl realistischerweise davon ausgehen, dass die meisten Chemie- und
Physikräume durch Quecksilber verseucht sind. Da reicht schon ein heruntergefallenes
Thermometer aus, um die Luft mit zwar wenig, aber immer gegenwärtigem
Quecksilberdampf anzureichern. Bedenkt man, dass Quecksilber ein Summationsgift ist,
sollte ganz besonders der Lehrer, aber auch der Schüler ganz besonders vorsichtig mit
ihm umgehen.
Am meisten wird Quecksilber im Chemiesaal beim altmodischen Thermolyseversuch
mit Quecksilberoxid freigesetzt. Hier sollte man auf Silberoxid
zurückgreifen, welches man sich leicht unter Demonstration eines Recyclingverfahrens
wieder herstellen kann.
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