Heparin: Ein Polysaccharid als Thrombose-Hemmer

Viele kennen und hassen dieses: Eine Operation ist durchstanden, und dann folgt die tägliche Spritze in die Bauchhaut. Dabei bekommt man eine Substanz namens Heparin verabreicht. Wenn man das nicht konsequent durchzieht, ist man ernsthaft von Blutgerinnseln bzw. Thrombosen bedroht. Denn Heparin ist ein Blutgerinnungshemmer (Antikoagulans; lat. coagulare, gerinnen, anti, gegen).


Zusammensetzung von Heparin
Heparin ist ein lineares Polysaccharid. Das Kettenrückgrat besteht aus Resten von Glucosamin und Glucuronsäure, die α-(1-4)-glykosidisch verknüpft sind. Dabei ist die hohe Periodizität der Zweierfolge bemerkenswert.
Das Glucosamin ist zugleich Schwefelsäureester und Schwefelsäure-Amid („Sulfonamid“). Alle Gruppen wirken letztlich als Säuren, die im physiologischen pH-Bereich deprotoniert, also als Anionen vorliegen. Neben dem Kohlenhydratanteil sind im Heparinmolekül noch kleine Proteinanteile enthalten.

Letztlich ist das Molekül eine polymere Säure bzw. Anion mit einer mittleren Molmasse von 15.000. Medizinisch wird Heparin als wasserlösliches Natrium-Salz („Heparin-Na“) eingesetzt.


Heparin wurde zunächst in der Leber gefunden (lat. hepar, Leber). Es ist - obwohl es in der Leber gebildet wird - auch in anderen Organen sowie in Blutzellen enthalten. Heute wird es mikrobiologisch hergestellt.

Manche Leute haben etwas gegen den Einsatz von Heparin. (Siehe zum Beispiel Frage/Antwort 202.) Diese Patienten sollte man daran erinnern, dass das Polysaccharid eine körpereigene Substanz ist. Man erhöht durch die Spritze nur deren Konzentration, um die Thrombose-hemmende Wirkung zu verstärken (Motto: Viel hilft mehr.).


Wie hemmt Heparin die Blutgerinnung?
Zur Auslösung der Blutgerinnung benötigt man eine Reihe von Substanzen, die eine regelrechte Kaskade bilden, an deren Ende Thrombin aus Fibrinogen das Fibrin, das „verstopfende Prinzip“ des Bluts, freisetzt. Thrombin wirkt dabei katalytisch.

Ein Faktor der Kaskade sind z. B. die Calcium-Ionen. Wenn man sich das Polyanion Heparin anschaut, könnte man annehmen, dass es wie ein Kationenaustauscher wirkt und Calcium-Ionen wegfangen könnte.

Jedoch ist das hier nicht der Fall. Zielmoleküle des Heparins sind andere Gerinnungsfaktoren. Dabei handelt es sich um Proteine, mit deren basischen Gruppen die sauren bzw. anionischen Reste des Heparins reagieren. Es bilden sich auf diese Weise Molekülkomplexe, die die Funktion des Proteins in der Blutgerinnungskaskade in dem Sinne beeinflussen, dass eine Gerinnung ausbleibt. Vereinfachend kann man sagen, dass die Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin blockiert wird.


Abbau von Heparin
Im Körper wird Heparin enzymatisch abgebaut. Das wirksame Enzym heißt Heparinase. Die Wirkung von Heparin kann aber auch - anders als die anderer Blutgerinnungshemmer wie Marcumar ® oder ASS - wenn nötig jederzeit aufgehoben werden, indem man ein basisches Protein (Protamin) injiziert. Deren basische Gruppen wechselwirken wegen der höheren Konzentration mehr mit den sauren Gruppen des Heparins und vermindern so die Bindung an das Prothrombin.


Verwechselt wird Heparin oft mit Hirudin
Blutegel beißen sich in der Haut von Säugetieren fest und saugen Blut. Damit das Blut dabei nicht gerinnt, enthalten sie in ihrem Speichel den Blutgerinnungshemmer Hirudin (lat. hirudo, Blutegel). Es handelt sich hierbei um ein Protein mit der Molmasse um 10.000, das - und hier ähnelt es dem Heparin - vorwiegend anionische Reste trägt - in diesem Fall allerdings von sauren Aminosäuren.

Hirudin reagiert deshalb wie Heparin mit den basischen Gruppen des Prothrombins und blockiert auf diese Weise die Blutgerinnungskaskade.


Heute gibt es synthetische Gerinnungshemmer
Heparin hat - obgleich es ein körpereigener Naturstoff ist, in manchen Fällen Nebenwirkungen. Deshalb gibt es heute fast nur noch synthetische Gerinnungshemmer, die weniger Nebenwirkungen zeigen. Bekannt ist vor allem Fondaparinux-Na. Bei dem handelt es sich nur um einen Fünffachzucker, also um ein Oligosaccharid (lat. oligo, wenig), das einem Ausschnitt aus einem Heparinmolekül ähnelt.


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Letzte Überarbeitung: 25. November 2013, Dagmar Wiechoczek