Kohlenhydrate machen Geschichte

Experimenteliste zu den Kohlenhydraten

Kohlenhydrate sind fester Bestandteil unseres Lebens. Schließlich bestehen wir zu einem großen Teil aus ihnen! Außerdem kommt man nicht umhin, überall auf sie zu treffen. Sei es in Lebensmitteln oder Kleiderstoffen, in Büchern oder Süßigkeiten. Es ist kaum möglich, ihnen zu entgehen. Doch das war nicht immer so. Der Mensch hat sich die unterschiedlichen Kohlenhydrate erst nach und nach zunutze gemacht. Jedes einzelne Kohlenhydrat hat seine Geschichte.

Bild 1: Zuckerrohrfeld auf Mauritius
(Foto: Daggi)


Das Zuckerrohr und sein Siegerzug um die Welt
Bei der Erwähnung von Zuckerrohr denkt jedermann zunächst an Mittel- und Südamerika, wo dieses "Gras" heutzutage auf riesigen Plantagen zur Gewinnung von "Bioalkohol" und "Biosprit" gehegt und gepflegt wird. Ursache für die großflächige Verbreitung des Zuckerrohrs waren letztlich Völkerwanderungen, damit verbundene Kriege und Eroberungen, die vom Osten ausgingen.

Ursprünglich begann das "süße Leben" in Polynesien. Es gibt Hinweise dafür, dass das Zuckerrohr hier beheimatet ist. Von dort aus hielt es seinen Siegeszug westwärts um die Welt. Schon 8000 vor Christus war es in China und Indien bekannt. Hier wurde auch um 700 vor Christus das erste Mal daraus Zucker hergestellt. Durch die Feldzüge Alexander des Großen verbreitete sich die "süße Nachricht" westwärts. Damals dehnte sich der Anbau des Zuckerrohrs nach Persien und Ägypten aus. Schon 800 nach Christus wurde das Zuckerrohr in allen wärmeren Gebieten um das Mittelmeer angebaut. Die Kreuzzüge sorgten auch dafür, dass der daraus gewonnene Zucker auch in Mitteleuropa bekannt wurde - auch wenn hier aus klimatischen Gründen an den Anbau von Zuckerrohr nicht zu denken war.

Die vielfältigen Verwendungszwecke für Zucker bekamen hier schon die ersten Konturen: Als Medizin, als Süßungsmittel, als Statussymbol oder als Grundlage für die Gewinnung von Alkohol. 1319 gelangte der Zucker das erste Mal nach England. Auch hier war er teuer und begehrt.

Der tatsächliche Durchbruch gelang mit der Erschließung neuer Kolonien, die durch Columbus 1492 eingeleitet wurde. Er brachte die ersten Zuckerrohrpflanzen in die neue Welt, wo sie optimale klimatische Bedingungen vorfanden. Das Zuckerrohr wurde auf riesigen Plantagen angebaut. Die Arbeit war hart und kräftezehrend. Damit begann eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte des Zuckers - die Geschichte der Sklaven in der neuen Welt. Trotz der massenhaften Produktion blieb Zucker trotzdem ein Luxusgut und damit lediglich etwas für die Reichen. Er erhielt den Namen "weißes Gold", und genauso wurde er gehandelt. Das gemeine Volk hielt sich nach wie vor an den Honig als Süßungsmittel. Leider waren auch andere Süßmittel "en vogue" - wie z. B. der Bleizucker. Dahinter verbirgt sich das hochtoxische Bleiacetat, das quasi jeder herstellen konnte. Denn viele Leute verfügten über Blei und über Essigsäure. Wenn man beides zusammen einige Monate in einem Topf aufbewahrte, kristallisierte Bleizucker aus. Damit konnte man den sauren Rotwein verfeinern. Ludwig van Beethoven und auch Heinrich Heine sollen daran gestorben sein.

Wahre Durchbrüche in der Geschichte des Zuckers gelangen erst viel später. So entdeckte Andreas Sigismund Marggraf 1747 den Zuckergehalt der Zuckerrübe und schuf damit eine Alternative zum schwer beschaffbaren Zuckerrohr. 1801 schaffte der Chemiker Franz Carl Achard die erste Grundlage zur industriellen Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben.

Bild 2: Modernes Zuckerrübenfeld
(Foto: Blume)


Cellulose - ein Kohlenhydrat nicht zum Essen
Cellulose ist einer jener Stoffe, die, obwohl sie schon Urzeiten bekannt sind, ihren Wert nach wie vor nicht verloren haben. Sie wird aus Pflanzenfasern gewonnen.

Bekannt ist, dass die Ägypter schon ca. 2500 vor Christus anfingen, Flachs anzubauen. Aus ihm gewannen sie Leinen. Er diente zur Herstellung von Kleidungsstücken für die Lebenden und vor allem für die Toten. Auch in Griechenland und Rom war er der Stoff, aus dem Kleidung gemacht wurde. Leinen wurde auch als Segeltuch und zum Drehen von Tauen verwendet. Schon Homer und auch die Bibel berichten über die Kunst des Spinnens und Webens. Auch die Baumwollpflanze war bereits bekannt.

Um das Jahr 105 vor Christus wurde die Verwendung von Cellulose mit der Erfindung des Papiers erweitert. Sie wird dem chinesischen Eunuchen Cai Lun zugeschrieben. Das Verfahren galt als geheim und wurde in China streng bewacht. Mit der Geheimhaltung war es allerdings aus, als chinesische Soldaten in die Gefangenschaft der Araber gerieten und sie dort dann gezwungen wurden, Papier herzustellen. So gelangte die Papierherstellung in die Welt. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurde nach dem chinesischen Rezept Papier gefertigt.

Kann man eigentlich Cellulose essen? Wir nicht - aber Bakterien und Pilze vermögen es, Cellulose in Traubenzucker zu zerlegen. Das geht aber technisch auch mit Säuren. So wurde die technische Holzverzuckerung besonders in Notzeiten angewandt, um die Lebensmittelversorgung zu sichern. Als Motto galt bekanntlich: "Je größer die Zeiten, desto kleiner die Mahlzeiten!"


Wie gelangte die Stärke ins Essen?
Früher wurde vor allem Tierisches gejagt oder gesammelt. Das Fleisch enthielt zwar die so genannte tierische Stärke, das Glykogen. Aber das war hinsichtlich der Kohlenhydrate schon weitgehend alles. Die Menschen lernten schon früh, sich nicht nur auf das Jagdglück zu verlassen. So wurden aus Jägern Sammler: Die für die Ernährung besonders notwendige Stärke war in den Körnern von Wildgräsern enthalten. Zucker gab es in den Früchten. Und dazu gab es reichlich Vitamine.

Die Menschen wurden bald sesshaft und fingen an, körnertragende Grassorten gezielt anzubauen und hinsichtlich ihrer Größenzunahme zu züchten. So waren diese Bauern nicht mehr so abhängig von Zufall und vom Finderglück. Er brachte auch weitere Vorteile mit, denn Getreide lässt sich leicht lagern und so für Notzeiten aufbewahren.

Der Getreideanbau band den Menschen somit an den Boden. Damit begann die eigentliche Geschichte der Menschheit.


Kohlenhydrate sind bedeutende nachwachsende Rohstoffe
Zum Essen gibt es anscheinend zu viel davon. So hat man die Technologie der "Non Food Materials", der Nachwachsenden Rohstoffe erfunden. Aus Cellulose macht man nicht nur Kleiderstoffe und Papier, sondern auch Kunststoffe wie Celluloid und sogar Sprengstoff.
Aus Stärke und Zuckern gewinnt man heute nicht nur Glucose, sondern auch Folien und neuerdings in großen Mengen "Biosprit", den Treibstoff der Zukunft, wenn man Aussagen von Fachleuten glauben darf.


Zucker macht auch Geschichte
Nicht nur die Geschichte der Zuckergewinnung ist lehrreich. Zucker spielte auch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der menschlichen Geschichte. Das betrifft zum Beispiel die Vorgeschichte zur Bildung der Vereinigten Staaten von Amerika. Der englische König Georg III musste seine in Nordamerika stationierten Truppen bezahlen. Dazu erhob er von den 13 Einzelstaaten Steuern auf die Verschiffung bestimmter Waren. So führte das Zuckergesetz von 1733 dazu, dass Zuckereinfuhren aus nichtenglischen Gebieten mit hohen Einfuhrzöllen belegt wurden. Besonders betroffen waren die Rumproduzenten…

Das Gesetz wurde natürlich umgangen. 1763 wies die Regierung ihre Behörden und Marine an, die Schmuggler unbarmherzig zu jagen. Dabei wurden auch Blankovollmachten für Hausdurchsuchungen erteilt. Diese writs of assistance riefen einen derartigen Unwillen hervor, so dass man durchaus feststellen kann, dass hiermit der Keim für die amerikanische Revolution gelegt worden ist. Als dann aufgrund des Stempelgesetzes von 1764 nur englische Waren eingeführt werden durften, war das Maß voll.


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Letzte Überarbeitung: 05. Februar 2014, Dagmar Wiechoczek