Was bedeutet der Aufdruck: "Mit überwiegend rechtsdrehender L(+)-Milchsäure hergestellt"?

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Wenn man sich das Etikett eines Joghurtbechers einmal näher anschaut, findet man in den meisten Fällen den Aufdruck "Mit überwiegend rechtsdrehender L(+)-Milchsäure hergestellt". Offensichtlich handelt es sich hierbei um einen gesundheitsbezogenen Hinweis, den es besonders hervorzuheben gilt. Warum?

Joghurt ist eines der wichtigsten Sauermilchprodukte. Der pasteurisierten Milch werden ganz bestimmte Mikroorganismen zugesetzt, die in der Lage sind, genau diese L(+)-Milchsäure in größerer Menge bei der Gärung zu bilden.

Was bedeutet das "L"?
Der Großbuchstabe L gibt die Konfiguration der Milchsäure an. Neben der L-Konfiguration gibt es auch noch eine D-Konfiguration. Das D steht für das lateinische Wort "dexter" und bedeutet "rechts", das L steht für "laevus" und bedeutet "links". Gemeint ist damit die Stellung der OH-Gruppe in einem Molekül. In der Fischer-Projektionsformel, in der das Molekül so dargestellt wird, dass die am höchsten oxidierte Gruppe nach oben zeigt, steht die OH-Gruppe entweder rechts oder links. Entsprechend wird dem Namen der Verbindung ein D oder L vorangestellt. Wenn du diese beiden Moleküle, die man allgemein als Enantiomere (von griechisch: enantios, entgegengesetzt) bezeichnet, mit Hilfe eines Molekülbaukastens nachbaust, wirst du feststellen, dass du die Atome und Atomgruppen drehen und wenden kannst wie du willst, du wirst die beiden Moleküle nie zur Deckung bringen können. Man sagt die Enantiomere verhalten sich wie Bild und Spiegelbild oder wie eine rechte und linke Hand zueinander. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass die Milchsäure in ihrem Molekül ein Chiralitätszentrum enthält. Das ist ein Kohlenstoffatom, das 4 verschiedene Atome bzw. Atomgruppen trägt. Ein solches Kohlenstoffatom wird mit einem Sternchen (C*) gekennzeichnet und als asymmetrisches Kohlenstoffatom bezeichnet.

Was bedeutet das "+"?
Verbindungen, die vier verschiedene Atomgruppen in ihrem Molekül aufweisen, also ein asymmetrisches C-Atom enthalten, sind optisch aktiv. Optisch aktive Substanzen drehen die Schwingungsebene des linear polarisierten Lichtes um einen ganz bestimmten Betrag nach rechts (+) oder links (-). Es handelt sich bei diesem Drehwinkel um eine substanzspezifische Größe, mit der man auch unbekannte Konzentrationen messen kann. Geräte, mit denen diese Messungen vorgenommen werden, sind Polarimeter. Ob ein Molekül rechts- oder linksdrehend ist, kann nicht wie die D- und L-Form anhand der Struktur festgemacht werden. Es handelt sich hierbei um eine Angabe, die nur auf experimentellem Weg ermittelt werden kann. Wichtig zu wissen ist, dass zwischen dem Drehsinn der Polarisationsebene (+/-) und der D/L-Konfiguration einer Verbindung kein Zusammenhang besteht. Das bedeutet, L-Verbindungen müssen also nicht automatisch nach rechts drehen, wie es z. B. bei der Milchsäure der Fall ist.

Der Stoffwechsel des menschlichen Körpers vermag ausschließlich L-Milchsäure zu bilden und mit Hilfe des Enzyms L-Lactat-Dehydrogenase abzubauen. Wird dem Körper eine größere Menge D-Milchsäure zugeführt, kommt es zu einer Anreicherung im Blut und zu einer Hyperacidität des Urins. Deshalb ist es wichtig, dass bei der Gärung in Sauermilchprodukten L-Milchsäure entsteht.
Die Milchsäurebakterien, die überwiegend rechtsdrehende L-Milchsäure bilden und für Sauermilch und Joghurt Verwendung finden, sind z. B. Streptococcus thermophilus, Streptococcus lactis, Streptococcus cremoris und einige Lactobacillusarten.


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Letzte Überarbeitung: 22. April 2007, Dagmar Wiechoczek