Bild 1: Ricinuspflanze (Foto: Blume)


Ricinusöl - das unbekannte, etwas andere Fett

Experimente:
Versuch: Untersuchung von Ricinusöl


Ricinusöl wird aus den stacheligen Früchten des Ricinusstrauchs gewonnen, den man mit seinen großen roten oder grünen Blättern im Sommer auch in deutschen Gärten und Parks sieht. Die Früchte dieses Wolfsmilchgewächses sind zwar sehr giftig, das Öl selbst jedoch nicht. Es hat aber andere Eigenschaften, die dem einen oder anderen Kind in schlechter Erinnerung sein mögen: Ricinusöl ist (wie die Mediziner sagen) "dünndarmaktiv", d. h. es wirkt stark abführend.

Ricinusöl ist wie Leinöl dünnflüssig. Wie die alkalische Hydrolyse zeigt, ist es ein fettes Öl. Man erwartet also eine große Anzahl von Doppelbindungen in dem Molekül. Dafür spricht eigentlich, dass Ricinusöl eine schwache Tendenz zur Trocknung hat, also (anders als Leinöl) nicht zu den selbst trocknenden Ölen zählt. Brom wird addiert. Dagegen ist eine Reaktion mit Kaliumpermanganatlösung kaum feststellbar.
Das Löslichkeitsverhalten hilft weiter: Ricinusöl löst sich gut in Ethanol, während dies beim Leinöl kaum der Fall ist. Das lässt vermuten, dass Moleküle von Ricinusöl ebenfalls polare OH-Gruppen tragen. Dies ist tatsächlich der Fall: Die dem Ricinusöl zugrunde liegende Fettsäure, die Ricinolsäure, ist eine Hydroxyfettsäure mit 18 C-Atomen. Chemisch ist sie eine Ölsäure mit einer Hydroxygruppe neben der Doppelbindung.

Ricinolsäure

Da 80 % seiner Fettsäurereste von der Ricinolsäure stammen, verfügt Ricinusöl über eine große Anzahl polarer Gruppen.
Die sperrigen und zugleich hydrophilen, also lipophoben OH-Gruppen erschweren die Zusammenlagerung der Moleküle und verhindern damit den Aufbau geordneter fester Strukturen. Nahordnungskräfte (wie die nach van der Waals benannten) können also nicht wirken. Das ist Grund für die niedrige Schmelztemperatur von Ricinusöl und für den flüssigen Aggregatzustand bei Zimmertemperatur.
Erklären kann man damit auch die geringe Reaktion mit Kaliumpermanganat, da die neben der anzugreifenden Doppelbindung liegende OH-Gruppe stört. (Brom wird hiervon nicht betroffen.)
Die Molekülstruktur ist auch Grund dafür, dass dieses Fett durch Lipasen weniger angegriffen wird und deshalb unverdaut den Darm durchwandert - mit den bekannten schrecklichen Folgen...
Hydroxycarbonsäuren werden im großen Umfang bei Synthesen von Kunststoffen wie Polyester oder Polyurethanen oder Schmelzklebern eingesetzt. Sie werden normalerweise erst aus Ölsäure hergestellt. Deshalb macht die OH-Gruppe die Ricinolsäure interessant für die chemische Industrie.
Da jedes Fettmolekül durchschnittlich über 2 bis 3 OH-Gruppen verfügt, kann das Ricinusöl auch direkt ohne Verseifung zur Synthese von Kunststoffen eingesetzt werden. Diese haben den Vorteil, dass sie biologisch abbaubar sind.
Ricinusöl ist deshalb ein wichtiger nachwachsender Rohstoff, der im Umfang von vielen hunderttausend Tonnen jährlich gewonnen wird. In südlichen Ländern gibt es deshalb riesige Ricinusplantagen.


Ricinusöl - sein Einsatz in der Medizin
Über die durchschlagend abführende Wirkung von Ricinusöl haben wir schon berichtet. Wussten Sie aber, dass Ricinusöl auch zu den besten Hustenmitteln gehört? Trinken Sie einen halben Becher Ricinusöl. Danach trauen Sie sich nicht mehr zu husten.


Die Ricinuspflanze heißt auch Kroton
Zunächst einmal nennt man den Ricinusstrauch auch Wunderstrauch, weil er unter optimalen Bedingungen in den Tropen so schnell wächst („quasi über Nacht“). Außerdem hat sich auch ein anderer Name eingebürgert, Kroton oder Croton. Sie werden sagen, dass es sich bei letzterer um eine Gärtnerpflanze handelt, die man im Blumenladen kaufen kann. Das stimmt. Die ist beliebt, weil sie so bunte Blätter hat. Und ab und zu blüht sie auch, wie das Exemplar auf der folgenden Abbildung.

Bild 2: Eine typische Büro-Kroton
(Foto: Blume)


An den Blüten erkennt man die Verwandtschaft zum Ricinusstrauch. Beide Namen besagen eigentlich dasselbe: Nur dass man den Wunderstrauch im griechischen Sprachraum Kroton und im lateinischen Ricinus nannte.

Sie gehören übrigens zu den Wolfsmilchgewächsen (Euphorbiaceae) und sind sogar mit der Helvea brasiliensis, dem Kautschuk spendenden Gummibaum, verwandt. Es sei auch an die Euphorbia lathyris erinnert, ebenfalls ein Strauch, der für die Technologie nachwachsender Rohstoffe interessant sein könnte.


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Letzte Überarbeitung: 28. Januar 2008, Dagmar Wiechoczek