Inhaltsstoffe des Baldrians

In der Naturheilkunde spielt die Wurzel der Baldrianpflanze eine wichtige Rolle. Der wissenschaftliche Name des Echten Baldrians ist Valeriana officinalis. (Zum Namen: Beachten Sie die Sprachverschiebung von V nach B!)

Vielleicht haben Sie ja wie wir so eine 0,5 bis 1 Meter hohe, mehrjährige Pflanze in Ihrem Garten.

Echter Baldrian in unserem Garten
(Foto: Blume)


Ihre Blütenfarbe variiert übrigens von Weiß bis Rosarot.

Bekannt ist der Gehalt der Baldrianwurzeln an Pentansäuren. Nach dem wissenschaftlichen Namen Valeriana des Baldrians gilt die Bezeichnung Valeriansäuren als Synonym für diese C5-Carbonsäuregruppe. Davon gibt es vier (und wie wir gleich hören werden:) genau genommen sogar fünf Isomere.


Erstaunlicherweise hat der zugrunde liegende Kohlenwasserstoff Pentan nur drei Isomere.

Dass es dennoch vier Pentansäuren gibt, liegt daran, dass sich vom Isopentan (2-Methyl-butan) zwei Säuren ableiten, die Isovaleriansäure und die Ethyl-methyl-essigsäure. Da das C2-Atom von letzterer Säure asymmetrisch substituiert ist, gibt es dazu noch zwei optische Isomere (Enantiomere). Macht zusammen fünf Valeriansäuren:

Von den vier Isomeren der Valeriansäuren kommen ausgerechnet nicht die Valeriansäure, sondern vor allem die 3-Methyl-buttersäure (Isovaleriansäure) sowie die Ethyl-methyl-essigsäure gebunden als Ester in den Wurzeln von Baldrian vor.

Als Alkoholkomponente dieser Ester (Valepotriate) dienen kompliziert gebaute, zu den bicyclischen Monoterpenen zählende C10-Verbindungen.

Obgleich diese Verbindungen Epoxide sind, sind sie erstaunlicherweise kaum krebsfördernd oder gar mutagen. Das unterscheidet sie grundlegend von den Epoxiden, die bei der Entgiftung von PAK im Körper entstehen. Analysen belegen, dass diese Substanzen auch gar nicht in den käuflichen Baldriantinkturen vorkommen.

Diese Ester sind nicht sonderlich stabil und werden rasch zersetzt. Die bei der Hydrolyse der Valepotriate freigesetzten C5-Carbonsäuren sind wohl für den typischen Geruch des Baldrians nach „rolliger Katze“ verantwortlich. Die Inhaltsstoffe des Baldrians wirken auf Katzen offenbar wie liebesfördernde Substanzen. Man spricht von Aphrodisiaka (nach Aphrodike, der griechischen Liebesgöttin).

Dass Baldrian das Verhalten von Katzen beeinflusst, wussten wir schon als Kinder. Um Nachbarn zu foppen, haben wir in der Nachbarschaft Baldriantropfen aus dem Apothekenschränkchen meiner Oma verspritzt und uns dann am deutlich verstärkten nächtlichen Katzengesang erfreut. Diese Tropfen haben wir (entsprechend dem Motto „Jugend forscht“®) auch einmal unserer Hauskatze ins aufgesperrte Maul geträufelt. Dass sie daraufhin einen meterhohen senkrechten Sprung nach oben vollführte, lag nach heutiger Sicht wohl nicht so sehr an den liebesfördernden Inhaltsstoffen (wie wir damals als unschuldige Jungforscher vermuteten), sondern am für Katzen ungewohnten, scharf schmeckenden Alkoholgehalt der Schlaftropfen...

Auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass bestimmte Inhaltsstoffe des Baldrians sedierend auf Rezeptoren der GABA (g-Aminobuttersäure) oder des Adenosins, einem zentral sedierend wirkenden Botenstoff, einwirken, ist es gut möglich, dass es letztlich auch der nicht unbeträchtliche Alkoholgehalt mancher Baldrianzubereitungen ist, was die Leute, die darauf vertrauen, leichter einschlafen lässt. Genau genommen sind viele der stark beworbenen „beruhigenden“ oder „stärkenden Naturheilmittel“ eigentlich nur (manchmal sogar ziemlich hochprozentige) Kräuterschnäpschen.


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Letzte Überarbeitung: 24. März 2011, Dagmar Wiechoczek