Warum der Schierlingsbecher tötet

In unserem Garten wächst allerlei wildes Kraut. Da steht zum Beispiel ein über zwei Meter hohes Doldengewächs, das so aussieht wie jedes andere. Schaut man jedoch genauer hin, fallen einem die roten Flecken an den geriffelten Stängeln auf. Richtig vermutet: Es handelt sich um den Gefleckten Schierling (lat. conium, Schierling; maculatum, gefleckt).

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Bild 1: Gefleckter Schierling
(Foto: Blume)


Hört man das Wort „Schierling“, fällt einem der Schierlingsbecher ein. Mit Schierlingssud pflegten die alten Griechen und Römer ihre Delinquenten hinzurichten. Jeder kennt wohl das Schicksal von Sokrates, der 399 v. Chr. den Becher trinken musste.

Tatsächlich handelt es sich um eine der giftigsten Pflanzen Deutschlands.

Das Gift wirkt vor allem, wenn es oral aufgenommen wird. Es soll aber auch die Hautschranke durchdringen können.

Die Blätter enthalten bis zu 0,5 Gew% eines Alkaloidgemischs. Das wichtigste Alkaloid ist das besonders giftige γ-Conicein. Daneben ist noch das weniger giftige, aber immer noch außerordentlich wirksame (+)-Coniin zu nennen.


Die Moleküle sind ausgesprochen einfach gebaut. Der Heterozyklus heißt Piperidin oder Hexahydro-Pyridin. Benannt ist Piperidin nach dem Pfeffer (Piper nigrum), in deren scharfschmeckenden Alkaloidmolekülen wie dem Piperin es als Baustein enthalten ist. Pyridin ist Bestandteil des Nicotins. Es hat ähnliche Wirkungen wie das Coniin.


Wie die Gifte des Schierlings auf molekularer Ebene wirken, weiß man noch nicht genau. Wirkorte sind aber die motorischen Zentren des Rückenmarks. Das hat zur Folge, dass vor allem die gestreifte Muskulatur betroffen ist. Typisch ist die von Zittern begleitete aufsteigende Glieder- und Organlähmung, die an den Füßen beginnt. Der Tod tritt meistens aufgrund von Atemlähmung ein. Das Hinterhältige am Verlauf der Vergiftung ist, dass man bis zum Eintritt des Todes bei vollem Bewusstsein bleibt. Deshalb konnte Sokrates auch noch mit seinen Jüngern sprechen…

Auch andere Doldengewächse sind toxisch. Viele kennen sicherlich den Wiesenbärenklau und seinen engen Verwandten, die Herkulesstaude. Diese sind wegen der Fototoxizität aufgrund der Furocumarine berüchtigt. Das gilt auch für den Sellerie oder die Petersilie, von denen einige Pflanzenteile toxische Substanzen enthalten.


Literatur
E. Teuscher, U. Lindequist: Biogene Gifte; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 3. Auflage, Stuttgart 2010.


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Letzte Überarbeitung: 30. September 2013, Dagmar Wiechoczek