Alkoholische Gärung - auch ohne Gärbottich
Ethanol entsteht nicht nur, wenn man in einem Gärbottich gezielt Hefen zu einer zuckerhaltigen Lösung gibt und für Luftabschluss sorgt.
Gärungen laufen auch ab, ohne künstlich angesetzt zu werden. Sie sind ein Naturphänomen, das viel älter als die Menschheit ist. Wahrscheinlich haben Menschen die Gärung durch Zufall entdeckt. Da wird jemand ein Gefäß voll Beeren gesammelt haben, die beim Tragen zermatscht sind und bei warmem Wetter anfingen zu gären. Die Sammler werden die mühsam erworbenen Beeren nicht weggeworfen, sondern trotz des merkwürdigen Geschmacks gegessen haben. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich die Folgen auszumalen.
Alkoholische Gärung ist also ein ganz natürlicher Vorgang. Denn Zucker gibt es überall, die Hefen sind weit verbreitet, und für Luftabschluss ist an vielen Stellen gesorgt. So können Früchte bereits am Strauch vergoren sein. Reife Früchte atmen beim Wachsen so stark, dass sich in ihrem Gewebe ein sauerstofffreies Milieu bildet. Man spricht hier von anaeroben Bedingungen.
Wie aber kommt die Hefe zur reifen Frucht? Sie bildet Sporen, die sehr klein sind und deshalb vom Wind verteilt werden. Zufällig landet eine solche Spore auf der überreifen Frucht. Die Hefe beginnt zu wachsen, was sie in der Gegenwart von Sauerstoff viel lieber macht als ohne. Da aber auch die Frucht beim Reifen rasch wächst (sie bläst sich oftmals sozusagen über Nacht auf), kann die Hefe überdeckt werden. Bei Sauerstoffmangel schaltet diese ihren Stoffwechsel von Atmung auf Gärung um. Und da bei der Gärung aus einem Molekül Zucker nur etwa 10 % der ansonsten bei der Atmung freisetzbaren Energie zu gewinnen sind, muss die Hefe zum Wachstum unter anaeroben Bedingungen besonders viel Zucker umsetzen. Da pro Molekül Zucker jeweils zwei Moleküle Alkohol entstehen, ist die Alkoholproduktion beträchtlich.
Auch Tiere kennen die alkoholische Gärung und wissen sie offenbar zu schätzen. So gibt es in Südafrika den Marula-Baum, dessen Früchte zu einer wahren Tierwanderung führen. Die überreifen Früchte gären rasch und sind deshalb stark alkoholhaltig, und wenn man Aufnahmen im Film "Die lustige Welt der Tiere" betrachtet, die beim "Trinkgelage" gemacht wurden, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Affen und Elefanten den guten Schluck richtig genießen - aber am nächsten Tag auch deutlich unter den Folgen leiden. Diesen Zustand bezeichnet man in Deutschland gern als "Kater". Woher das deutsche Wort "Kater" kommt, erzählen wir auf dieser Webseite.
Was machen die Tiere mit dem Alkohol? Sie bauen ihn wie auch die Menschen in der Leber ab. Über Acetaldehyd (der ein Zellgift ist und das Katergefühl verursacht) wird Essigsäure gebildet. Dies machen übrigens auch Bakterien, die den hohen Energiegehalt von Ethanol zum eigenen Wachstum gut gebrauchen können. Sie oxidieren Ethanol zu Essigsäure - aber nur in Gegenwart von Sauerstoff. Wenn man Wein offen stehen lässt, wird daraus nach einiger Zeit Weinessig. Wohlgemerkt, dies ist diesmal eine Atmung und keine Gärung. Gärung ist also nicht gleichbedeutend für die Wirkung von Mikroorganismen (wie man gerne meint), sondern für anaeroben Stoffwechsel.
Die natürliche Gärung führt aber auch zu Nebenprodukten, die teils giftig, teils ungenießbar sind. Beispiele sind Methanol oder die im Fuselöl enthaltenen langkettigen Alkohole, Ketone oder Ester. Aus diesem Grunde ist man dazu übergegangen, statt der Wildhefen Reinzuchthefen für die speziellen Anforderungen zu züchten. Damit dieser künstlich eingeleitete Gärprozess nicht durch natürliche Fremdkeime gestört wird, muss man die Gärbottiche zuvor desinfizieren. Das kann z. B. durch Schwefeldioxid geschehen ("schwefeln").
Quelle:
R. Blume und Koll.: Chemie für Gymnasien D2. Cornelsen Verlag, Berlin 1994.
Weitere Texte zum Thema „Alkohol“