Prof. Blumes Tipp des Monats März 2005 (Tipp-Nr. 93)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Das salzige Wärmekissen, das Armeen warm hält


Bild 1: Panzer im kalten Morgennebel
(Foto: Blume)


Wir haben in einem Tipp des Monats bereits über Wärmekissen berichtet. Die von uns vorgestellten Beispiele beruhten auf der Freisetzung von Kristallisations- und Hydratbildungswärme: "Schnelle Wärme aus Kristallen". Auch die Bundeswehr verfügt über ein Wärmekissen. Das entwickelt so viel Wärme, dass die Soldaten damit sogar ihr Essen kochen können. Die Leute geben zu der festen Mischung etwas Wasser, dann wird sie heiß. Und das Tolle ist, dass man die Wärmeabgabe steuern kann - durch Öffnen oder Schließen des Gefäßes. Öffnet man es, wird die Masse rasch heiß, schließt man das Gefäß, kühlt sie ab.

Was steckt dahinter? Soviel sei schon jetzt gesagt: Die Bundeswehr arbeitet (wie alle Armeen) nicht mit subtilen Kristallen, sondern - wie es einer Armee ansteht - mit Eisen.

Hier ist das Rezept der Mischung, das für uns der Lehrer Patrick Geiger ausgetüftelt hat.

Versuch 1: Wärmekissen auf Eisenbasis
Mische 16 g Eisenpulver, 3 g frische, feine Aktivkohle (mit Holzkohle funktioniert gar nichts) und 3 g Kochsalz. Das Ganze wird gut vermischt und in ein Becherglas (50 ml; hohe Form) gegeben. Zu diesem Gemisch gibst du noch ca. 5 ml Wasser (nicht zu viel!) und verrührst gut. Anschließend formst du die Masse locker zu einem Haufen. Wichtig: Die Masse darf nicht zusammengedrückt werden.
Wir messen die Temperatur - am besten mit einem elektronischen Thermometer.

Ergebnis: Im oberen Teil der Masse erhielten wir Temperaturen von etwa 80 °C. Die Wärme hält sich einige Stunden lang.

Merkwürdig ist, dass vor allem im oberen Bereich - ja sogar an der Oberfläche - die höchste Temperatur zu messen ist. Liegt das vielleicht an der Luftzufuhr?

Versuch 2: Wärmekissen und Luft
Die Mischung wird in einen 1l-Gefrierbeutel gefüllt. Verschließen wir ihn, kühlt der Beutel aus, beim Öffnen erwärmt er sich rasch wieder. Das können wir schon mit der Hand fühlen.

Der folgende Versuch zeigt, dass der Luft-Sauerstoff für die Erwärmung verantwortlich ist.

Versuch 3: Wärmekissen und Sauerstoff
Der Gefrierbeutel aus Versuch 2 wird mit reinem Sauerstoff aus der Druckflasche prall gefüllt und verschlossen.

Ergebnis: Der Sauerstoff war innerhalb von 5 min verbraucht. Der Beutel war aus diesem Grund komplett zusammengefallen. Die Temperatur stieg rasch an und ging sogar an die Grenzen dessen, was ein Gefrierbeutel aushält.


Was steckt chemisch hinter dem eisernen Wärmekissen?
Woran denken wir, wenn wir die Mischung "Eisen, Natriumchlorid und Wasser" betrachten? Das Stichwort ist "Rosten". Und das ist eine Oxidation. Oxidationsmittel ist Sauerstoff - wie im richtigen Leben.

Zur Herleitung der Reaktionsgleichung zerlegen wir die Reaktion formal in die Oxidation und die Reduktion.

Oxidation Fe ———> Fe3+ + 3 e-
Reduktion O + 2 e- ———> O2-

Wir gleichen die Ladungen aus und multiplizieren dazu die Ox-Gleichung mit 2, die Red-Gleichung mit 3.

Oxidation 2 Fe ———> 2 Fe3+ + 6 e-
Reduktion 3 O + 6 e- ———> 3 O2-

Sauerstoff liegt als O2 vor.

Oxidation 4 Fe ———> 4 Fe3+ + 12 e-
Reduktion 3 O2 + 12 e- ———> 6 O2-

Nun muss noch das Wasser ins Geschäft kommen. Denn die O2--Ionen sind echt hypothetisch...

Oxidation 4 Fe + 12 H2O ———> 4 Fe(OH)3 + 12 H+ + 12 e-
Reduktion 3 O2 + 6 H2O + 12 e- ———> 12 OH-

Nun können wir daraus durch Addition die Gesamtreaktionsgleichung herleiten. (Dabei müssen wir noch die Reaktion H+ + OH- -> H2O einkalkulieren.)

4 Fe + 3 O2 + 6 H2O ———> 4 Fe(OH)3

Fe(OH)3 - ist das nicht Rost? (Genau genommen ist Rost eher FeOOH; aber das ist hier nicht so wichtig.) Wenn das Wärmekissen lange genug benutzt worden ist, stellen wir fest, dass es nur noch aus Rost besteht. Um den zu erkennen, spülen wir die Aktivkohle ab.

Das alles kennen wir unter dem Stichwort Korrosion. In diesem Fall handelt es sich um die Sauerstoffkorrosion. Aber wer hätte gedacht, dass bei so einem schleichenden Prozess wie dem Rosten soviel Energie frei gesetzt wird? Zur Erinnerung: Eisen ist ziemlich unedel. Hier läuft der Rostprozess dazu noch besonders rasch ab - fast so wie bei einer Verbrennung. Da wird die Oxidationsenergie genau so rasch frei. Wie gut Eisen brennen kann, zeigen wir mit dem Versuch vom pyrophoren Eisen.

Es gibt noch einen ähnlichen Versuch zur Theorie des hier beschriebenen Wärmekissens: "Feuer durch Wasser". Hierbei setzen wir statt Eisen Zink ein. Nach den Versuchsbedingungen handelt es sich außerdem um eine Säurekorrosion. Das Versuchsergebnis zeigt im Übrigen, dass die dort vorgestellte Mischung auf keinen Fall als Füllmaterial eines Wärmekissens geeignet ist.


Und wozu sind Kochsalz und Aktivkohle nötig?
Hier läuft ein elektrochemischer Vorgang ab. Stichwort: Lokalelement. Das Kochsalz ist ein Elektrolyt, der Ionenwanderungen und Elektronenübergänge unterstützt.
Die Aktivkohle wirkt anders, eigentlich katalytisch. Sie adsorbiert Sauerstoff, aktiviert ihn und reicht ihn an das Eisen weiter. Dazu kommt noch, dass sie die Eisenteilchen auf Abstand hält und so den Gas-Austausch erleichtert.


Wie entsorgt man die Kissen?
Die Kissen wärmen so lange, wie in ihnen Eisen vorhanden ist, das oxidiert werden kann. Bleibt noch die Frage, wie man die Kissen entsorgen soll. Da Rost unschädlich für die Umwelt ist, kann es in den Hausmüll geworfen werden. Wichtig ist vor allem aber, die Kissen vor dem Wegwerfen zu entschärfen, sie also durch Wasser zum starken Rosten zu veranlassen. Sonst könnten sie den Mülleimer in Brand setzen.


Für Spezialisten: Nun bleibt noch die Frage nach der freigesetzten Energie
In vielen Büchern wie zum Beispiel dem Holleman-Wiberg [1] (der Bibel der Anorganiker) findet man für chemische Reaktionen fast immer Angaben zur Reaktionswärme (Enthalpie). Aber zur Oxidation des Eisens oder gar zum Rosten haben wir nichts gefunden.

Wir können jedoch die Standardbildungsenthalpien D H0f heranziehen. Unter dieser für die chemische Forschung und Reaktionsplanung wichtigen Energiegröße versteht man die hypothetische Enthalpie bei der Bildung der Substanz aus den Elementen bei 25 °C. Die Standardbildungsenthalpien findet man in allen größeren Tabellenwerken zur Chemie [2].

D H0f für Fe(OH)3 bzw. Fe2O3 = -197 Kcal / mol = -824,2 KJoule / mol

Zum Vergleich ist hier die Standardbildungsenthalpie von flüssigem Wasser:

D H0f für H2O (fl) = -68,32 Kcal / mol = -285,9 KJoule / mol

Wer hätte gedacht, welche Energien beim Rosten von Eisen freigesetzt werden!

Bild 2: Was die Ritter früher gefroren haben müssen - so ganz ohne Wärmekissen!
(Foto: Blume)


Patrick Geiger und Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Literatur
[1] A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Walter de Gruyter, Berlin, New York (neueste Auflage).

[2] The Chemical Rubber Co. (Ed.): Handbook of Chemistry and Physics; Cleveland/Ohio (neueste Auflage).


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Letzte Überarbeitung: 03. Juli 2009, Dagmar Wiechoczek