Prof. Blumes Tipp des Monats Juli 2000 (Tipp-Nr. 37)
Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis
unbedingt beachten.
Flüssigkristalle
Du wirst sicherlich schon einmal den Begriff "LCD" gehört haben. Dahinter verbirgt sich
nichts anderes als die Abkürzung für "Liquid Crystal Display", also
Flüssigkristallanzeige. Das betrifft deinen Computerbildschirm, die Digitaluhr an deinem
Handgelenk oder die Anzeige von Handys, Taschenrechnern sowie modernen Fotoapparaten.
Man baut Fenstergläser, die sich bei starkem
Sonneneinfall abdunkeln. Aber auch die Temperaturindikatoren, die man
z. B. als externes Fieberthermometer den Patienten auf die Stirn klebt, sind hier zu nennen.
Eines haben alle Effekte gemeinsam: Stets handelt es sich um die Antwort von besonders
strukturierter Materie auf Energiezufuhr.
Bild 2: Temperaturabhängige Anisotropie von
Flüssigkristallen: Die linke Tasse enthält kaltes, die rechte dagegen heißes Wasser
(Foto: Daggi) |
Alle beschriebenen Gegenstände enthalten als wichtige Funktionsträger Kristalle.
Ihre Moleküle sind im Kristallgitter aber leicht verschiebbar. Deshalb sind einige
Eigenschaften eher denen von Materie im flüssigen Zustand zuzuordnen. Da sie auch in
der Schmelze zunächst ihre Ordnung in gewissem Umfang beibehalten, nennt man diese
Substanzen folglich Flüssigkristalle.
Struktur eines flüssigkristallinen Stoffs: Cholesterylbenzoat
Die ersten Flüssigkristall-Bildner hat man schon 1889 entdeckt. Das war
Cholesterylbenzoat, also der Benzoesäureester von Cholesterin.
Es scheint bei 145 °C zu schmelzen, bleibt dabei aber merkwürdigerweise milchig trübe.
(Dennoch spricht man vom Schmelzpunkt.) Erst bei
178 °C wird die Schmelze schlagartig klar. Das nennt man den Klärpunkt.
Beim Abkühlen stellt man fest, dass sich die Effekte umkehren, wobei nun bei zunehmender Trübung
unter einem bestimmten Blickwinkel ein intensives blauviolettes Farbenspiel erkennbar ist.
Dieses Experiment könnt ihr leicht nachvollziehen (-> Versuch).
Bild 3: Vom Klärpunkt zum Schmelzpunkt (Cholesterylbenzoat) (Fotos: Daggi)
Hierzu gibt es einen Film (1,8 MB)
Klicke hier |
Versuch: Demonstration von temperaturabhängigen Flüssigkristall-Effekten
Schülerversuch, 5 min.
Geräte
Kristallisierschale, Tiegelzange, Bunsenbrenner.
Chemikalien
Cholesterylbenzoat (Bezugsquelle: z. B. Fluka Nr. 26760; 25 g kosten 55,50 DM).
Durchführung
Gib in eine Kristallisierschale oder in ein anderes feuerfestes Glasgefäß mit flachem Boden
soviel Cholesterylbenzoat, dass der Boden etwa ½ cm hoch mit dem weißen Pulver bedeckt ist. Dann
erwärmst du die Substanz über dem Bunsenbrenner. Dabei vermeide unbedingt den direkten Kontakt
des Gefäßes mit der Flamme - auch wenn das Schmelzen etwas länger dauert! Andernfalls wird die
Schmelze aufgrund der Zersetzung von Cholesterylbenzoat rasch gelb und zeigt nicht mehr so schön
die gewünschten Effekte.
Die klare Schmelze lässt du im hellen Licht abkühlen. Beobachte genau.
Ergebnis
Beim Abkühlen der wasserklaren Schmelze wandert eine blauviolette Zone rasch durch die
Schmelze. (Betrachte hierzu die Bildfolge.)
Zum Schluss ist die Schmelze zwar noch flüssig, aber milchig trübe geworden. Etwas länger
dauert es, bis die Schmelze erstarrt und sich die schneeweißen Kristalle von festem
Cholesterylbenzoat zurückbilden.
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Flüssigkristalline Substanzen haben beim Schmelzpunkt schon viele der
isotropen, das heißt richtungsunabhängigen Eigenschaften einer Flüssigkeit. Sie zeigen aber noch
die optische Anisotropie von kristallinen Festkörpern, die zur
Trübung und zu dem Farbenspiel führt. Erst beim Klärungspunkt gehen auch diese
verloren. Der völlig isotrope Zustand einer echten Flüssigkeit stellt sich ein.
Um das zu verstehen, müssen wir die Kristalle und Moleküle genauer betrachten.
Die flüssigkristallinen Substanzen sind aus stäbchenförmigen oder flächigen,
eher länglichen Molekülen aufgebaut, die leicht kristalline Strukturen bilden können.
Allerdings ist ihr Zusammenhalt nicht so, dass man von Kristallen im engeren Sinne sprechen
kann. Da ihr Aggregatzustand zwischen dem einer Flüssigkeit ("flüssige Phase") und dem
eines Kristalls ("feste Phase") liegt, nennt man ihn auch
Mesophase.
Bei der Verflüssigung bilden sie nicht sofort Flüssigkeiten, in denen sich
die Moleküle frei hin und her bewegen und sogar rotieren können. Dazu hängen sie als
sperrige Moleküle zu stark zusammen. Am Schmelzpunkt, also beim Auflösen des
anisotrop-kristallinen Zustands, bildet sich deshalb eine anisotrope Flüssigkeit aus, bei
der das Kristallgitter zwar zusammenbricht, die Moleküle aber eine Vorzugsrichtung behalten,
die zur optischen Anisotropie führt. Dabei richten sich die Stäbchen parallel aus.
Diese anisotropen Eigenschaften (Trübung und Farbigkeit aufgrund von Beugung, Reflexion usw.) verlieren die
Moleküle erst beim Übergang anisotrop-flüssig zu isotrop-flüssig. Die
Schmelze wird nun klar.
Cholesterylbenzoat ist ein Beispiel für einen Temperaturindikator. Unterschiedliche Stoffe
(man kennt heute über 15 000 von ihnen) zeigen unterschiedliche Farben - und das je nach
Substanz bei den verschiedensten Temperaturen.
Wichtig für die LCD-Technik ist, dass die Moleküle vieler Flüssigkristallbildner zugleich
elektrische Dipole sind. Deshalb können auch elektrische Felder Flüssigkristalle ausrichten,
so dass der angesteuerte Bereich eine bestimmte Helligkeit oder Farbe annimmt. Solche Geräte
führen dem Display statt Wärme elektrische Energie zu und benötigen deshalb eine Batterie.
Die Anisotropie der Flüssigkristalle wird deutlich, wenn du deinen LCD-Computerbildschirm
von verschiedenen Seiten her betrachtest. Bei einem
klassischen Bildschirm beobachtest du diese Effekte nicht.
Die LCD-Bilder bauen sich zwar träger auf, aber die Vorteile gegenüber einem gewöhnlichen
Bildschirm sind gewaltig:
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Die LCD-Bildschirme sind völlig flach. |
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Sie werden ohne Hochspannung und damit ohne Brandgefahr
betrieben. |
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Sie sind ohne Implosionsgefahr, da sie ohne Braunsche Röhren
betrieben werden. Damit kann man auf die Verwendung von Panzerglas verzichten; sie sind deshalb
besonders leicht. |
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Ohne LCD wäre ein Lap-Top bzw. Note-Book nicht herstellbar. |
Die LCD-Technologie ist mittlerweile so vielfältig geworden, dass die Entdecker, der
österreichische Botaniker Reinitzer und der deutsche Physiker Lehmann,
heute wohl einen Nobel-Preis zugesprochen bekommen würden.
Rüdiger Blume
Weitere Tipps des Monats
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Letzte Überarbeitung: 12. August 2008, Dagmar Wiechoczek
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