Prof. Blumes Tipp des Monats Juli 2003 (Tipp-Nr. 73)
Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis
unbedingt beachten.
Chemie mit Stahlwolle
Wir alle schätzen Stahlwolle: Die einen reinigen und polieren damit (das sind weitaus
die meisten Leute), und einige Chemielehrer machen damit schöne chemische
Experimente.
Bild 1: Links: Stahlwolle verbrennt in reinem Sauerstoff.
Rechts: Stahlwolle verbrennt in Chlorgas
(Fotos: Daggi) |
Zuvor aber die Frage, die viele unserer Besucher immer wieder stellen: Wie wird
Stahlwolle eigentlich hergestellt?
Werdegang der Stahlwolle in Kurzform
Stefan Grüb, der Geschäftsführer der OSCAR WEIL GmbH
in Lahr (bekannt für Produkte wie Abrazo oder Rakso) hat
auf meine Bitte hierzu den folgenden Text und die Bilder geschickt. Danke!
DAS ROHMATERIAL
Das A und O für eine gute, d. h. für eine sortenreine, elastische und wirksame
Stahlwolle ist ein qualitativ hochwertiges Vormaterial. Nach von uns vorgegebenen
Rezepturen wird der Stahl im Stahlwerk gekocht, gewalzt und in der
Drahtzieherei zu verarbeitungsfähigem Stahlwolledraht gezogen.
Bild 2 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
DER STAHLWOLLEDRAHT
Von der Drahtzieherei wird der Spezialdraht auf tonnenschweren Rollen (Coils) an die
Stahlwollemaschine geliefert und dort in die Maschinen eingeführt.
Bild 3 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
DER DRAHT UNTERM MESSER
Der Stahlwolledraht wird unter feststehenden breiten Messern aus besonders
gehärtetem Material durchgezogen. Die Messer können unterschiedliche Riffelungen
haben. So entstehen die verschiedenen Sorten der Stahlwolle.
Tausende feiner und feinster Stahlfäden ergeben einen Stahlwollestrang.
Auf dem nächsten Bild kann man den Vorgang direkt von der Seite sehen. Man
erkennt auch, dass nicht trocken geschnitten wird, sondern eine Flüssigkeit zugesetzt
wird. Das erhöht die Elastizität der erzeugten Stahlfasern. Die Emulsion sorgt zugleich
für wirksamen Rostschutz.
Bild 4 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
13 VERSCHIEDENE FEINHEITSGRADE
Je nach Messerriffelung, Anstellwinkel der Messer, Maschinengeschwindigkeit und
Drahtqualität werden bis zu 13 verschiedene Sorten/Feinheitsgrade Stahlwolle
produziert, die alle aus sortenreinen, elastischen, zähen und scharfen Fasern
bestehen.
Bild 5 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
DIE ENDPRODUKTE
Die fertige Stahlwolle kommt auf großen Rollen in die Weiterverarbeitung.
Bild 6 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
Dort entstehen so unterschiedliche Produkte wie
- Polierpads für den Heimwerker
- Schleifröllchen für das Sanitärhandwerk
- 200 g-Pakete für die Holzoberflächenbearbeitung
- Schleifblätter für elektrische Schwingschleifer
- Spänematten zur Bodenpflege
Hier sieht man die Produktpalette auf einem Blick.
Bild 7 (Foto: © OSCAR WEIL GmbH) |
Chemische Experimente mit Stahlwolle
Stahlwolle ist aber nicht nur zum handwerklichen Gebrauch da. Chemielehrer und
Chemieprofessoren schätzen die Reinheit und Feinheit des Produkts, um damit
schöne chemische Experimente zu machen.
Wo bekommen sie die Stahlwolle her? Im Baumarkt gibt es immer eine Abteilung für´s
Schleifen und Fräsen. Da liegt fast das ganze Sortiment offen ausgebreitet. Wichtig:
Man muss reine Stahlwolle kaufen, also keine Sorten mit zugesetzten Schleif- oder
Polierpasten.
Vor den Versuchen sollte man die Stahlwolle durch Ausspülen in Alkohol/Brennspiritus
(F) entfetten. Sie kann sonst entweder (wie bei der Rostbildung) gar nicht oder (wie bei
der Verbrennung in reinem Sauerstoff) aufgrund des mitverbrennenden Öls zu heftig
reagieren. Nach dem Ausspülen gut trocknen lassen! Denn sonst brennt die Wolle
wegen des Alkohols zu heftig!
Hier sind einige Versuche, bei denen die Stahlwolle unerlässlich ist, aufgelistet.
Versuch 1: Herleiten des Gesetzes von der Erhaltung der Masse im
Anfangsunterricht der Chemie
Hierzu kann man die Stahlwolle als ein Beispiel für die Gewichtszunahme bei
Verbrennungen einsetzen (-> Versuch).
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Versuch 2: Rostbildung im Eiltempo
Mit entfetteter Eisenwolle kann man zeigen, wie erstaunlich rasch sich Rost bildet (->
Versuch).
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Versuch 3: Die Rolle von Sauerstoff bei der Verbrennung
Man stellt zwei große Erlenmeyerkolben, deren Boden mit Sand bedeckt ist,
nebeneinander. In einen füllt man reinen Sauerstoff (O). Man verschließt die Kolben
mit großen Stopfen oder mit Folie.
Nun nimmt man zwei dicke Eisendrähte (zum Beispiel die Stiele von Phosphorlöffeln),
biegt sie um zum Doppelhaken und befestigt an ihnen Stahlwolle.
Dann entzündet man die Stahlwolle und hängt die Haken in den Erlenmeyerkolben mit
Luft. Nach kurzem Verglühen hört die Reaktion auf.
Anders beim reinen Sauerstoff: Nach Aktivierung setzt die Verbrennung beim Einbringen der
glimmenden Stahlwolle in den Erlenmeyerkolben heftig ein. Die Verbrennung ist
vollständig und von grellem Licht begleitet. Es entstehen so hohe Temperaturen, dass
das Oxid sogar schmilzt und auf den Sandboden tropft. Ohne Sand würde das Glas
beschädigt!
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Versuch 4: Eisen reagiert auch mit Chlor
Aus der Analogie der Verbrennung von Stahlwolle in reinem Sauerstoff (klassische
Oxidation) und der Verbrennung in Chlorgas lässt sich der erweiterte Oxidationsbegriff
herleiten.
Man nimmt hierzu wieder zwei große Erlenmeyerkolben und bedeckt den Boden mit
Sand. In einen Kolben füllt man reinen Sauerstoff, in den anderen gelbgrünes
Chlorgas. Letzteres stellt man unter dem Abzug her, indem man in einer
Gasentwicklungsapparatur Kaliumpermanganat (O) mit konzentrierter Salzsäure (C)
übergießt. Die Verbrennungsreaktion sollte man jedoch auf dem Lehrertisch zeigen. Während der
Reaktion muss der Erlenmeyerkolben gut abgedeckt werden, damit Chlor nicht entweicht.
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Die Stahlwolle reagiert beide Male. Anders als mit Sauerstoff beobachten wir beim
Chlor nur eine tiefrote Glut; es bilden sich dazu braungelbe Nebel. Nach der Reaktion
erkennen wir an der Glaswand eine gelbe bis braune Substanz: Eisen(III)-chlorid (mit etwas
Eisen(III)-oxid aus Sauerstoffresten). Man sollte zum Vergleich gelbes Eisen(III)-chlorid
als Reinstoff aus der Chemikalien-Sammlung mitbringen und den Schülern zeigen.
Oxidation mit Sauerstoff: 4 Fe + 3 O2 >
2 Fe2O3 (und andere Oxide)
Oxidation mit Chlor:
2 Fe + 3 Cl2 >
2 FeCl3
Das Verbindende zwischen den beiden Reaktionen ist die Elektronenübertragung vom
Eisen zum Nichtmetall und die damit verbundene Ionenbildung. Damit bleibt der
Oxidationsbegriff nicht mehr auf den Sauerstoffaustausch beschränkt, sondern ist
auf den eigentlich ablaufenden Prozess, den Elektronentransfer erweitert worden.
Versuch 5: Stahl enthält Kohlenstoff
Dass das so ist, kann man durch Zersetzen von Stahlwolle in Salzsäure zeigen (->
Versuch).
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Ihr könnt entfettete Stahlwolle aber auch als Katalysator in der Haber-Bosch-Synthese
zur Herstellung von Ammoniak einsetzen.
Versuch 6: Ammoniaksynthese mit Stahlwolle
Eigentlich sollte man in diesem Versuch Eisenpulver (gemischt mit auflockerndem
Aluminiumoxid) als Katalysator verwenden.
Wir haben es ausprobiert: Es geht auch mit Stahlwolle. Man braucht dazu nicht
einmal Al2O3 (-> Versuch).
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Rüdiger Blume
Weitere Tipps des Monats
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Letzte Überarbeitung: 16. Juni 2010, Dagmar Wiechoczek
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