Die folgende Anfrage erreicht mich per E-Mail:
Ich habe das, was ich der Lehrerin geantwortet habe, zuvor zur Sicherheit mit den Teststreifen (man sagt auch Stäbchen oder neudeutsch „Sticks“) aus unserem Medikamentenschränkchen noch einmal ausprobiert.
Bei der Untersuchung erweist es sich als Vorteil, dass man auch gefärbte Lösungen (wie z. B. den dunkelroten Saft von Schwarzen Johannisbeeren) untersuchen kann. Bild 1: Glucose-Test
Das ist leicht zu erklären: Bei der Weingewinnung wird im Rahmen der alkoholischen Gärung bekanntlich ein Teil des Traubenzuckers durch Hefen zu Ethanol umgesetzt. Manche Getränke enthalten deshalb wenig bis gar keine Glucose - so z. B. Bier.
Bild 2: Glucose-Test mit (1) Energydrink und (2) dunklem Weißbier
Zur Erklärung muss man wissen, dass die Grundsubstanz dieser „Traubenzucker“-Tafeln nicht etwa Glucose ist, sondern durch chemische Spaltung (mineralsaure Hydrolyse) modifizierte Stärke. Deren Hydrolyse führt nicht quantitativ zur Glucose, sondern vor allem zu einer Mischung aus mehr oder weniger großen Amylosebruchstücken („Dextrose“) und Malzzucker (Maltose). Nachgewiesen wird mit unserem Test aber nur die freie Glucose. Folglich fällt der Glucose-Test mit diesen „Energie-Tafeln“ enttäuschend gering aus. Das gilt auch für die Amylase-Reaktion, deren Ergebnis man vielleicht mit Glucose-Teststreifen untersuchen will. Dieses Enzym spaltet Stärke nur bis zur Stufe der Maltose. Glucose entsteht nur zufallsbedingt als Rest von Stärke mit ungerader Glucoserest-Zahl. Bild 3: Schematischer Ablauf der Amylase-Reaktion zur Spaltung von Stärke
Sie können die nicht verwendeten Teststreifen aber auch an die Schüler verteilen. Die sollen damit ihren Harn auf Glucose prüfen. Damit können bislang unerkannte Fälle von Diabetes I erkannt werden. Geben Sie den Kindern dazu aber ein Arbeitsblatt mit genauen Handlungsanweisungen mit.
Vereinfachend kann man aber Folgendes festhalten: Es handelt sich beim Nachweis um zwei gekoppelte enzymatische Reaktionen. Das erste Enzym heißt Glucoseoxidase (GOD). Es oxidiert Glucose mit Luftsauerstoff, wobei als Nebenprodukt Wasserstoffperoxid entsteht. Das reagiert mit einer im Stick enthaltenen gelblichen Substanz zum blauen Farbstoff, wobei ein zweites Enzym hilft. Die GOD benötigt gelöste Glucose als Substrat. Anders gesagt: Das Enzym interessiert sich nur für Glucose - und sonst für nichts anderes, also auch nicht für Saccharose oder andere Zucker. Hier ist an die alte Weisheit zu erinnern: Glucose passt zur Glucoseoxidase wie ein Schlüssel zum Schloss. Deshalb können Sie mit diesem Test auch nur Glucose (also Traubenzucker) nachweisen und nicht etwa irgendeinen beliebigen „Zucker“. Unter dieser Bezeichnung versteht man üblicherweise sowieso nur Haushaltszucker (Saccharose). Das passiert leider des Öfteren bei der schulischen Untersuchung von Cola-Getränken oder von anderen zuckerhaltigen Lebensmitteln und ist Gegenstand vieler Anfragen, die uns erreichen. (Wie man Saccharose nachweist, erklären wir hier.) Woher die Glucose stammt, ist dem Enzym also letztlich egal. Ob die Glucose (wie der deutsche Name Traubenzucker deutlich macht) im Saft von Weintrauben, in destilliertem Wasser, in Energydrinks oder im Harn/Urin gelöst vorliegt - die Glucose wird durch das Enzym Glucoseoxidase immer aufgespürt/erkannt und oxidiert. Rüdiger Blume
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