Prof. Blumes Tipp des Monats Juli 2012 (Tipp-Nr. 181)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Kann man Glucose-Teststreifen auch zur Getränkeuntersuchung einsetzen?

Die folgende Anfrage erreicht mich per E-Mail:

Zunächst möchte ich mich für Ihre interessanten Unterrichtsmaterialien bedanken.
Nun habe ich aber noch eine Frage: Ich möchte mit Grundschulkindern Getränke auf den Zuckergehalt untersuchen. Dazu benötige ich Glucose-Teststreifen, weshalb ich heute in verschiedenen Apotheken war. Allerdings konnte man mir dort nicht weiterhelfen und sagte mir, dass die Glucose-Teststreifen zwar zur Untersuchung für Urin benutzt werden könnten, aber bei Getränken nicht einsetzbar seien.
Könnten Sie mir vielleicht eine Firma nennen, die für dieses Experiment geeignete Glucose-Teststreifen herstellt.


Was Ihnen die Apothekenleute gesagt haben, ist schlicht Unsinn. Natürlich können Sie Glucose-Teststreifen auch zur Getränkeuntersuchung nutzen.

Ich habe das, was ich der Lehrerin geantwortet habe, zuvor zur Sicherheit mit den Teststreifen (man sagt auch Stäbchen oder neudeutsch „Sticks“) aus unserem Medikamentenschränkchen noch einmal ausprobiert.

Versuch 1: Glucose-Teststreifen
Teststreifen; z. B. Diabur-Test ® von Roche Diagnostics (50 Stäbchen kosten etwa 12 €).
Getränke: Traubensaft, Saft von Schwarzen Johannisbeeren, Energydrinks wie Red Bull ®.

Durchführung: Man taucht den Streifen kurzzeitig in die Flüssigkeit ein. Dann legt man ihn auf eine weiße Unterlage.

Ergebnis: Wenn sich Glucose in der Lösung befindet, färbt sich die gelbe Reaktionszone des Stäbchens innerhalb weniger Sekunden erst zu Grün und dann zu Blau um.

Bei der Untersuchung erweist es sich als Vorteil, dass man auch gefärbte Lösungen (wie z. B. den dunkelroten Saft von Schwarzen Johannisbeeren) untersuchen kann.

Bild 1: Glucose-Test
(Foto: Blume)
(1) ohne Glucose
(2) mit Traubensaft
(3) mit Rotwein


Man sollte aber nicht versuchen, aus der Intensität der Färbung auf die genaue Glucose-Konzentration zu schließen. Das erfordert eine gewisse Übung und die Einhaltung genauer Reaktionszeiten. Außerdem sollte die Glucose-Konzentration nicht zu hoch sein. Man kann aber aus der Geschwindigkeit des Einsetzens und der Vertiefung der Färbung abschätzen, ob die eine Lösung mehr Glucose enthält als die andere. So können wir den Glucosegehalt vom Saft einer frischen Weinbeere mit dem von Rotwein vergleichen.

Versuch 2:
Wir wiederholen den Versuch mit dem Saft einer frischen Weinbeere und mit Rotwein. Es reicht aus, das Teststäbchen kurzzeitig auf eine aufgeschnittene Weinbeere zu drücken.

Ergebnis: Die frische Weinbeere enthält offensichtlich viel mehr Glucose als der Wein (vergleiche Bild 1).

Das ist leicht zu erklären: Bei der Weingewinnung wird im Rahmen der alkoholischen Gärung bekanntlich ein Teil des Traubenzuckers durch Hefen zu Ethanol umgesetzt.

Manche Getränke enthalten deshalb wenig bis gar keine Glucose - so z. B. Bier.

Versuch 3:
Wir wiederholen den Versuch mit Weizenbier (z. B. Maisels Weisse ® Dunkles Hefe-Weißbier).

Ergebnis: Die Umfärbung bleibt aus (vergleiche Bild 2). Die Erklärung folgt weiter unten.

Bild 2: Glucose-Test mit (1) Energydrink und (2) dunklem Weißbier
(Foto: Blume)


Bemerkenswert ist auch, dass Lösungen von Traubenzuckerpräparaten kaum reagieren.

Versuch 4:
Wir wiederholen den Versuch mit einer Lösung von Dextroenergen ®.

Ergebnis: Die Umfärbung ist verglichen mit Versuch 2 recht mager.

Zur Erklärung muss man wissen, dass die Grundsubstanz dieser „Traubenzucker“-Tafeln nicht etwa Glucose ist, sondern durch chemische Spaltung (mineralsaure Hydrolyse) modifizierte Stärke. Deren Hydrolyse führt nicht quantitativ zur Glucose, sondern vor allem zu einer Mischung aus mehr oder weniger großen Amylosebruchstücken („Dextrose“) und Malzzucker (Maltose). Nachgewiesen wird mit unserem Test aber nur die freie Glucose. Folglich fällt der Glucose-Test mit diesen „Energie-Tafeln“ enttäuschend gering aus.

Das gilt auch für die Amylase-Reaktion, deren Ergebnis man vielleicht mit Glucose-Teststreifen untersuchen will. Dieses Enzym spaltet Stärke nur bis zur Stufe der Maltose. Glucose entsteht nur zufallsbedingt als Rest von Stärke mit ungerader Glucoserest-Zahl.

Bild 3: Schematischer Ablauf der Amylase-Reaktion zur Spaltung von Stärke


Das ist auch der Grund, weshalb bei Versuch 3 mit Weißbier die Reaktion ganz ausblieb: Beim Bierbrauen muss vor dem Zusetzen von Hefe die Stärke durch im Getreide enthaltenen Amylasen in Malzzucker verwandelt werden (Mälzen). Daneben entstehen nur Spuren von Glucose, die dann sogar auch noch bei der alkoholischen Gärung durch Hefe das Ziel der Umsetzung sind.


Was ist mit den nicht verwendeten Streifen?
Diese werden im Kühlschrank aufbewahrt. Sie sind zumindest für chemische Zwecke auch weit über das MHD verwendbar. Fragen Sie deshalb in der Apotheke nach billigerer Ablaufware!

Sie können die nicht verwendeten Teststreifen aber auch an die Schüler verteilen. Die sollen damit ihren Harn auf Glucose prüfen. Damit können bislang unerkannte Fälle von Diabetes I erkannt werden. Geben Sie den Kindern dazu aber ein Arbeitsblatt mit genauen Handlungsanweisungen mit.


Nun zurück zur Apothekenauskunft
Was chemisch bei dem Glucosenachweis genau abläuft, erklären wir auf einer besonderen Webseite.

Vereinfachend kann man aber Folgendes festhalten: Es handelt sich beim Nachweis um zwei gekoppelte enzymatische Reaktionen. Das erste Enzym heißt Glucoseoxidase (GOD). Es oxidiert Glucose mit Luftsauerstoff, wobei als Nebenprodukt Wasserstoffperoxid entsteht. Das reagiert mit einer im Stick enthaltenen gelblichen Substanz zum blauen Farbstoff, wobei ein zweites Enzym hilft.

Die GOD benötigt gelöste Glucose als Substrat. Anders gesagt: Das Enzym interessiert sich nur für Glucose - und sonst für nichts anderes, also auch nicht für Saccharose oder andere Zucker. Hier ist an die alte Weisheit zu erinnern: Glucose passt zur Glucoseoxidase wie ein Schlüssel zum Schloss.

Deshalb können Sie mit diesem Test auch nur Glucose (also Traubenzucker) nachweisen und nicht etwa irgendeinen beliebigen „Zucker“. Unter dieser Bezeichnung versteht man üblicherweise sowieso nur Haushaltszucker (Saccharose). Das passiert leider des Öfteren bei der schulischen Untersuchung von Cola-Getränken oder von anderen zuckerhaltigen Lebensmitteln und ist Gegenstand vieler Anfragen, die uns erreichen. (Wie man Saccharose nachweist, erklären wir hier.)

Woher die Glucose stammt, ist dem Enzym also letztlich egal. Ob die Glucose (wie der deutsche Name Traubenzucker deutlich macht) im Saft von Weintrauben, in destilliertem Wasser, in Energydrinks oder im Harn/Urin gelöst vorliegt - die Glucose wird durch das Enzym Glucoseoxidase immer aufgespürt/erkannt und oxidiert.

Rüdiger Blume

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Letzte Überarbeitung: 01. Oktober 2012, Dagmar Wiechoczek