Prof. Blumes Tipp des Monats September 2000 (Tipp-Nr. 39)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Warum leuchtet Tonic Water in der Sonne?

Es ist warm vor der Brasserie Alex in der Fußgängerzone in Bielefeld. Durst macht sich breit und ruft nach seinen Löschern: Bitteres Tonic Water ist angesagt. In der Sonne sieht das Getränk etwas trübe und dazu noch merkwürdig bläulich leuchtend aus. Ist das Ganze nicht sauber? Nein. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass Tonic Water intensiv blauviolett fluoresziert; das verursacht den Eindruck der leichten Trübung. Die Frage also: Warum fluoresziert Tonic Water? Hat das was mit seinem bitteren Geschmack zu tun?

Bild 1: Blick in ein Glas mit Tonic Water.
Das gedämpfte Sonnenlicht kommt von rechts
(Foto: Blume)


Zunächst einmal verwundert der Name des Getränks. Dahinter steckt das griechische Wort tonikos, Spannkraft gebend. Damit hängt übrigens der deutsche "Ton" zusammen: Aus dem Griechischen tonos, Anspannung über Lateinisch tonus, Spannung der Saite, wurde im Mittelhochdeutschen der Ton. Aber auch Tetanus ist davon abgeleitet worden. Bei einem Stärkungsmittel spricht man von einem Tonikum.


Was ist das Stärkende am Tonic Water?
Es ist das Chinin. Bis zu 80 mg/l sind davon im Tonic Water enthalten. Wir empfinden den bitteren Geschmack des Chinins als ausgesprochen durstlöschend und denken uns nichts weiter dabei. Seinen Geschmack spüren wir noch in Verdünnungen von 1:50.000. Die Verdünnung im Tonic Water beträgt 1:12.500. Der bittere Geschmack war aber nicht der Hauptgrund für den Zusatz von Chinin.
Die Engländer haben damit ihre Getränke versetzt, um sich in den Kolonien, die oft in den feuchtwarmen Tropen lagen, vor Malaria zu schützen. Es ist ein Heilmittel gegen diese Krankheit und dient zugleich der Prophylaxe. Wirksam ist es auch gegen Erreger der Lungenentzündung und Grippe, ist also antiseptisch. Außerdem wirkt es fiebersenkend, schmerzlindernd und sogar darüber hinaus noch Wehen anregend. (Deshalb sollten Schwangere dieses Getränk meiden!) Es war sozusagen das Aspirin der englischen Kolonialzeit. Es wird auch heute noch in vielen Grippemitteln verwendet.
Übrigens enthalten auch viele Magenbitter diese Substanz, da Bitterstoffe als förderlich für die Verdauung gelten; in diesem Fall sind bis zu 300 mg Chinin/l zugelassen.
Eine interessante Nebenwirkung des Chinins liegt weiter darin, dass schon geringe Dosen die Anregung der willkürlichen Muskulatur fördern, so dass man mit ein wenig Chinin zumindest für kurze Zeit seine körperliche Leistungsfähigkeit steigern kann. Das wussten übrigens auch die indianischen Ureinwohner Südamerikas. Hier liegt also der Ursprung des Begriffs "Tonic Water".
Leider hat Chinin aber auch schlimme Nebenwirkungen (um mit Mike Krüger zu sprechen: Irgendwas ist ja immer...): Bei Chinin-Überempfindlichkeit führen schon kleine Gaben von Chinin zu Hautausschlägen, Hautjucken bis zum Nesselfieber und Blutungen. Bei längerem Gebrauch entstehen Kopfschmerzen, Ohrensausen, Taubheit, Seh-, Herz- und Kreislaufstörungen und rauschartige Verwirrtheitszustände (Chininrausch). Damit ordnet sich Chinin bei den physiologisch und psychisch hochwirksamen Alkaloiden ein und befindet sich in guter Gesellschaft mit all den anderen Inhaltsstoffen von Pflanzen mit ähnlicher Wirkung.


Was ist Malaria?
Diese Krankheit wird ausgelöst durch Plasmodien, kleinen amöbenartigen Tierchen, die durch die Anopheles-Stechmücke als dem eigentlichen Wirt auf den Zwischenwirt Mensch übertragen werden. Diese erfahren im menschlichen Körper eine Umwandlung. Die Fieberschübe sind Folge eines ungeschlechtlichen Cyclus, bei dem sich die Parasiten periodisch teilen und so weiter vermehren.


Woher stammt der Name des Chinins?
Nach Eroberung Südamerikas durch die Spanier lernten diese von den Indianern die fiebersenkende Wirkung einer Baumrinde kennen. Die gemahlene Rinde nannte man später auch Chinarinde, obgleich sie mit dem Land China nichts gemein hat. Vielmehr ist der Chinarinden-Baum nach der Gräfin de Cinchón, der Gattin des Vizekönigs von Peru benannt worden: Cinchona-Baum. (Genau genommen handelt es sich um viele Baumarten.) Diese Dame konnte 1638 mit eben dieser Rinde von der Malaria geheilt werden. Danach wurde das Mittel auch in Europa eingeführt, in dem Malaria ebenfalls wütete. Es wird heute in Kulturen (vor allem in Asien) gewonnen.

Bild 1a: Chinabaum in Thailand (Foto: Daggi)


Um 1820 wurde der Stoff von den Franzosen MM. Pelletier und Caventou aus der Rinde isoliert und nach dem Baum Chinin genannt. Die Aufklärung der Struktur des Chinins gelang H. Skraup, W. Königs und P. Rabe erst 1908; 1944 erfolgte dann endlich die Synthese durch Woodward.
Heute gibt es viele weitere Substanzen gegen die Malaria. Dazu gehören Plasmochin und Atebrin sowie Chloroquin. Diese Medikamente wurden vor allem in den Zeiten der Weltkriege entwickelt, als der Zugang zu den Chinabaum-Plantagen in Indonesien nicht mehr möglich war.


Chemische Eigenschaften von Chinin
Chinin, unter 25 anderen das wichtigste Alkaloid der China-Rinde, ist ein weißes, kristallines Pulver, das als reine Base oder als Salz (z. B. Chinin-hydrochlorid oder -sulfat) vorliegen kann. Der Gehalt der Rinde kann bis zu 14 % (Masse) betragen. Beim Abbau entsteht u. a. der Molekülkern Chinolin, der einer ganzen Alkaloidgruppe, den Chinolinalkaloiden, zu der auch das Chinin gehört, ihren Namen gegeben hat.

Chinolin

(Alles mit der Vorsilbe Chin- hat irgendwie mit Chinin zu tun.)
Chinin schmeckt schrecklich bitter. Davon kannst du dich durch Probieren von sehr, sehr wenig reinem Chinin(salz) leicht überzeugen... Deshalb ist es in Spuren auch in Getränken wie Bitter Lemon enthalten. Das kannst du auch anhand der nächsten wichtigen Eigenschaft dieses Alkaloids feststellen.
Chinin fluoresziert noch in Verdünnungen um 1:100.000.

Versuch: Fluoreszenz von Chinin
Eine Chininlösung (z. B. Tonic Water oder Bitter Lemon) wird ins Sonnenlicht gehalten und von oben betrachtet. Man erkennt ein blauviolettes Leuchten. Man dunkelt ab und zu mit der Hand ab. Am besten erkennt man die Fluoreszenz in einem halbdunklen Raum, der durch ein Fenster beleuchtet wird. Das Glas stellt man auf eine dunkle Unterlage (-> Bild 1).
Noch deutlicher ist die Fluoreszenz, wenn man das Glas im abgedunkelten Raum mit einer UV-Lampe bestrahlt (Wellenlänge 366 nm; Schutzbrille!). Die Lösung leuchtet intensiv violett-blau auf (-> Bild 2).

Bild 2: Fluoreszenz von Tonic Water (Bestrahlung: l = 366 nm)
(Foto: Daggi)


Chinin kann auf verschiedene Art nachgewiesen werden.

Bild 3: Die Praktikanten Robert und Christoph führen die Nachweise für Chinin durch
(Foto: Daggi)

Versuch: Nachweisreaktionen für Chinin

Nachweis 1 (Thalleiochin-Reaktion; gr. thallein; ergrünen)
Zu 3 ml Tonic Water tropft man 0,5 ml frisch bereitetes Chlor- oder Bromwasser (C) und schüttelt gut um. Dann gibt man 1 Tropfen von verdünnter (1:10) Ammoniaklösung (Xi) zu. Es bildet sich ein gelbgrüner Farbton.
Bei starker Chininverdünnung ist die Lösung eher gelb. Um zu zeigen, dass es sich nicht um Brom handelt, gibst du Brom und Ammoniak in destilliertes Wasser (Blindprobe). Hier findet völlige Entfärbung statt.
Bei konzentrierteren Chininlösungen musst du konzentrierte Ammoniaklösung (C) zugeben.

Nachweis 2 (Molybdänblau)
3 ml Tonic Water werden mit 5 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure (C) und dann mit einer Spatelspitze Ammoniummolybdat (Xn) versetzt. Nun wird mit dem Bunsenbrenner erwärmt, wobei sich die Lösung schnell hellblau und dann zunehmend tiefblau färbt.

Bild 4: Ergebnisse der Nachweisreaktionen
Glas 1: Reaktion 1, Blindprobe mit destilliertem Wasser
Glas 2: Reaktion 1 mit Chininlösung (w = 1 %)
Glas 3: Reaktion 1 mit Tonic Water
Glas 4: Reaktion 2, Blindprobe mit destilliertem Wasser
Glas 5: Reaktion 2 mit Tonic Water
(Foto: Daggi)


Normalerweise liegen viele Alkaloide als Salze vor, so zum Beispiel als Hydrochlorid.

Als Kationen sind die Alkaloide gut wasserlöslich.
Um Chinin herzustellen, stellt man dessen Lösungen zuvor alkalisch ein und überführt es dadurch in die freie Base.

Denn die freie, ungeladene Base ist schlecht löslich in Wasser, dagegen aber gut löslich in Chloroform. So kann man sie aus wässriger Lösung ausschütteln. (Dies funktioniert bei Tonic Water wegen der vielen Begleitstoffe nicht so gut, als dass man es in der Schule versuchen sollte.)


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 12. August 2008, Dagmar Wiechoczek