Es ist wieder Pilzzeit. Und da gilt es aufzupassen: Viele Pilze sehen toll aus, duften gut und sind trotzdem ungenießbar. Sagenhaft ist der dem Steinpilz ähnliche Gallenröhrling, der - wie wir es selbst am letzten Sonntag erlebt haben - ein ganzes Pilzgericht nachhaltig verderben kann. Bild 1: Bittere Pilzmischung - zufällig vor dem Zubereiten fotografiert.
Aber wehe, wenn sich in die Pilzmischung statt eines letztlich ungiftigen Gallenröhrlings ein hochgiftiger Knollenblätterpilz einschleicht!
Bild 2: Grüner Knollenblätterpilz (weiße Variante)
Es gibt dazu einen Spruch unter Pilzsammlern: Man hüte sich im Walde vor allen Pilzen, die weiß sind...
Der Knollenblätterpilz gehört zur Gattung der Wulstlinge (Amanita) und ist deshalb mit dem Fliegenpilz (Amanita muscaria) verwandt. Beide enthalten jedoch stofflich völlig unterschiedliche Giftstoffe: Ist es beim Fliegenpilz das niedermolekulare Alkaloid Muscarin, so finden wir beim Grünen Knollenblätterpilz ungewöhnlich gebaute Peptide, Amatoxine und Phallotoxine genannt. Die kann man entsprechend der Definition von Alkaloiden als stickstoffhaltige Verbindungen mit physiologischer Wirkung natürlich auch zu dieser physiologisch wirksamen Naturstoffklasse zählen. Die Moleküle dieser Peptide sind bicyclisch aufgebaut, bestehen also aus zwei Ringen. Die Giftmoleküle enthalten entweder 7 Aminosäuren (Heptapeptide wie das Phalloidin) oder 8 Aminosäuren (Octapeptide wie das Amanitin). Je nach Typ sind die Aminosäurereste unterschiedlich substituiert. Hier ist die Struktur des am einfachsten gebauten Gifts, des Heptapeptids Phalloidins.
Diese Peptide sind bemerkenswert stabil. So werden sie beim Kochen nicht zerstört, also nicht „denaturiert“. Bemerkenswert ist auch, dass diese Peptide resistent gegen unsere Magenenzyme sind, also nach dem Verzehr nicht verdaut werden können. Dem Vernehmen nach sollen übrigens Schweine Knollenblätterpilze ohne Gefahr der Vergiftung fressen können. Das liegt wohl daran, dass sie eine wesentlich stärkere Magensäure haben als wir Menschen, so dass die Ringe hydrolytisch geöffnet werden und so dem Zugriff von Magen- und Darm-Peptidasen ausgesetzt sind.
Es sei aber dringendst darauf hingewiesen, dass dieser Versuch nicht geeignet ist, um einen Knollenblätterpilz sicher zu erkennen! Man findet Knollenblätterpilze am besten in Buchen- sowie in Eichenwäldern oder in Parkanlagen. Hier zeigen wir ein schönes Exemplar von diesem Wochenende: Klick mich an! Bild 5: Mit diesem Knollenblätterpilz wurde der folgende Versuch durchgeführt
Bild 6: Versuchsergebnisse zur Knollenblätterpilzuntersuchung.
Die Latenzzeit beträgt 6-24 Stunden - wenn man es dann merkt, ist es oft schon zu spät. Molekularer Wirkort ist die zellinterne Proteinbiosynthese. Das Gift hemmt hochspezifisch die Bildung der mRNa („Boten-RNA“), indem es mit einer RNA-Polymerase einen Komplex bildet, wodurch dieses Enzym gehemmt wird. Dadurch kommt es zur Störung der Ablesemechanismen der DNA und folglich zum raschen Zelltod. Aus diesem Grunde werden besonders solche Organe angegriffen, die eine besonders hohe Syntheserate aufweisen, also Leber und Niere. Leider ist das aber auch der Grund dafür, dass man erst relativ spät merkt, dass man Knollenblätterpilze gegessen hat.
Bild 7: Gelber Knollenblätterpilz
Die Giftigkeit des Gelben Knollenblätterpilzes ist allerdings kaum merkbar, da seine Giftstoffe nur in geringem Umfang kaum die Blut-Hirn-Schranke passieren. Sie sind immerhin verwandt mit Substanzen wie dem Psilocybin, einem altindianischem Pilz-Rauschgift. Serotonin ist ein Gewebshormon des Gehirns. Alle Indolylalkylamine leiten sich von der Aminosäure Tryptophan ab. Startsubstanz ist deren Decarboxylierungsprodukt Tryptamin.
Rüdiger Blume Literatur:
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