Kalte Verseifung (Verseifung ohne Kochen) Wolfram Keil
Bild 1: Auslage einer Seifenmanufaktur
Die „heiße“ Verseifung, also das Kochen von Fetten oder fetten Ölen mit Natronlauge, ist ein altbekannter Schulversuch. (Über den Versuch und dessen chemischen Hintergründe berichten wir auf einer besonderen Webseite.
Welche Gründe könnte es also geben, über diesen Versuch erneut nachzudenken? Mein Grund war hauptsächlich die Gefahr des Verspritzens der basischen Lösung während des Kochens. Leider neigen Laugen zu plötzlichem Siedeverzug. Daher findet man auch stets entsprechende Warnungen in den Versuchsanleitungen. Ich habe es einige Male – glücklicherweise ohne Folgen für die Schüler – selbst erlebt und bei diesem Experiment immer ein ungutes Gefühl gehabt. Aus der Sorge heraus, die gesiedete Seife wäre durch nicht umgesetzte Natronlauge nicht gut hautverträglich, habe ich sie den Schülern auch nie nach Hause mitgegeben. Vor einigen Jahren kam ich dann auf einem Markt mit einer Frau ins Gespräch, die handgemachte Seifen verkaufte, die sie nach dem - mir bis dahin unbekannten – sogenannten Kaltverfahren selbst hergestellt hatte. Mein Interesse war geweckt. Nach eigenen Recherchen stellte sich schnell heraus, dass dieses Verfahren keineswegs neu und leicht für die Schule umsetzbar ist. Im Internet finden sich diverse Seiten, die sich mit der hobbymäßigen Herstellung von Seifen befassen und alle das Kaltverfahren als Einstieg empfehlen. Bei der Seifenherstellung nach dem Heißverfahren entsteht mit Natronlage Kernseife. Diese wird durch Aussalzen mit Kochsalzlösung aus der kolloidalen Lösung ausgefällt. Daher enthält sie Natriumchlorid und nur wenig Propantriol, welches als gut wasserlöslicher Alkohol in der Reaktionslösung zurückbleibt. Beim Kaltverfahren, das in der Anfangsphase bei Temperaturen von 40 – 80 °C - also eigentlich nicht wirklich kalt - durchgeführt wird, entsteht dagegen Leimseife. Diese wird nicht ausgesalzen und enthält daher kein Kochsalz, aber noch das gesamte Glycerin (Propantriol). Da man Glycerin als Feuchthaltemittel häufig in Kosmetikprodukten findet, ist dies aber kein Nachteil. Um den folgenden Versuch als Schülerversuch möglichst einfach, zeit- und kostensparend zu gestalten, fiel hier die Wahl auf ein Gemisch aus Kokosfett und Sonnenblumenöl. Das aus der Küche bekannte Palmin® (nicht zu verwechseln mit Palmin® soft) besteht aus teilweise gehärtetem Kokosfett und hat den Vorteil, in Stücken à 25 g vorportioniert zu sein, was das Abwiegen erspart. Nach Angaben des Herstellers enthält es kein Palmöl [1], welches - sicher zu recht - in den letzten Jahren in die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen geraten ist. Kokosfett gehört - wegen des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren - zu den wenigen festen pflanzlichen Fetten. Seine Schmelztemperatur liegt bei 23 - 28 °C und somit in dem recht kleinen Bereich zwischen Raumtemperatur und Körpertemperatur.
Der Wechsel des Aggregatzustandes (hier von fest nach flüssig) verbraucht Energie. Die sogenannte Schmelzwärme oder Schmelzenthalpie (hfus). Die spezifische Schmelzenthalpie von Kokosfett beträgt 128 kJ/kg. (Zum Vergleich: hfus(Eis) = 334 kJ/kg.) Diese Energiemenge wird der Umgebung beim Schmelzen entzogen.
Lässt man also ungekühltes Kokosfett auf der Zunge schmelzen, spürt man einen leichten Kühleffekt.
Die Verseifungszahlen geben an, wie viel Milligramm Kaliumhydroxid benötigt wird, um 1 g des betreffenden Fettes vollständig zu verseifen. Diese Kennzahl kann man in Tabellen [2] finden oder beim Hersteller erfragen. Für Palmin beträgt die Verseifungszahl 253 [1]. Für die vollständige Verseifung von 1 g Palmin werden also 0,253 g KOH benötigt. Da wir aber keine Schmierseife herstellen wollen, müssen wir die Verseifungszahl auf die benötigte Masse an Natriumhydroxid umrechnen. Weil das Kalium-Ion deutlich schwerer als das Natrium-Ion ist, beträgt der Umrechnungsfaktor zwischen KOH und NaOH 0,713.
Ausgehend von der Angabe der Verseifungszahl des Herstellers benötigen wir für die Verseifung von 25 g Palmin m(NaOH) = 25 g + 0,253 g x 0,713 = 4,5 g.
Diese Berechnung wiederholt man nun für die geplanten Massen der gewünschten Fette.
Durch Zugabe von 45 ml flüssigem Sonnenblumenöl (entspricht bei einer Dichte von 0,93 g/cm3 einer Masse von etwa 48 g) erhöht sich die Masse des benötigten Natriumhydroxids um (m(NaOH) = 48 g + 0,189 g x 0,713 = 6,5 g) 6,5 g auf zusammen 11 g. Nun muss nur noch die Überfettung geplant werden. Anders als bei Seifen zur Reinigung werden bei Seifen für die kosmetische Verwendung die Fette normalerweise nicht vollständig verseift. Man gibt etwas weniger NaOH zu, so dass zwischen 5 – 12 % der Fette unverseift bleiben. Durch diese Überfettung fühlt sich die Seife im Gebrauch milder an. Wir ziehen für unseren Versuch also noch mal 1 g NaOH ab und erhalten dann eine etwa 9 % überfettete Seife. Bei aller verführerischen Genauigkeit der Berechnungen sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass hier mit Naturstoffen gearbeitet wird, bei denen die Kennzahlen gewissen Schwankungen unterliegen [2]. Runden ist also sinnvoll. Für das Volumen des benötigten Wassers zum Lösen des Natriumhydroxids gilt die Faustregel: Volumen aller eingesetzten Fette geteilt durch drei. Wir benötigen somit etwa 25 ml Wasser für unseren Versuch. Versuch: Herstellung von Seife im Kaltverfahren Bild 2: Die benötigten Geräte und Ausgangsstoffe
Wiegen Sie in einem 50 ml-Becherglas 10 g Natriumhydroxid ab.
Bild 3 und 4: Das Gemisch vor und nach dem Einsatz des Pürierstabes
Nun können Sie auch Farb- und/oder Duftstoffe in kleinen Mengen unterrühren.
Dabei ist zu beachten, dass manche der für Gießseifen (Glycerinseifen) angebotenen Farbstoffe durch den hohen pH-Wert der zu diesem Zeitpunkt noch unfertigen Jungseife ihren Farbton verändern können. Gute Ergebnisse wurden mit Seifenfarbstoffen von Glorex® erzielt. Ähnliches gilt auch für Duftstoffe. Bei getesteten Backaromen hat nur das Mandelaroma den Verseifungsprozess überstanden. Gewürznelken haben gut funktioniert.
Füllen Sie am Ende die fertige Seifenmasse in Silikonförmchen. Bild 5: Verschiedene Silikonformen
Nach 1-3 Tagen werden die zukünftigen Seifenstücke aus der Form geholt. Bild 6: Verschiedene von Schülern des Grundkurses Chemie (2018) an der Stadtteilschule Poppenbüttel hergestellte Seifen
Die Seife muss jetzt noch 4 Wochen an der Luft - möglichst lichtgeschützt - reifen und kann dann als Handseife verwendet werden. Bild 7: Waschversuch mit der fertigen Seife
Tipp: Bei der Arbeit mit (Schüler)Gruppen führt die Verwendung von vorportioniertem Palmin und das Dosieren des Sonnenblumenöls und des Wassers mit entsprechend großen Kunststoffspritzen zu zügigerem Arbeiten bei weniger Verschmutzungen und gleichzeitig hoher Präzision des Abmessens der Substanzen. Der Einsatz von weiteren oder anderen Fettarten ist möglich. Dadurch können auch Eigenschaften wie Konsistenz und Farbe der Seife beeinflusst werden. Jedoch muss die Masse des benötigten Natriumhydroxids mit Hilfe der oben genannten Berechnung oder einfacher mit Hilfe eines Seifenrechners [3], [4] angepasst werden.
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