Tapetenkleister zum Titrieren? Jens Schorn
Bild 1: Tapetenkleister beim Auftragen
Bei der letzten Renovierung waren wir doch zuerst sehr erschrocken, als wir den Tapetenkleister auf die extra weiß grundierte Wand aufgetragen haben. Anschließend sollte die weiße Strukturtapete auf die Wand geklebt werden. Bild 2: Tapetenkleisterverpackung
Ein Kleister für Vliestapeten mit dem Namenszusatz „Direct – control“ schien uns eine gute Wahl, doch beim Anrühren im schwarzen Eimer ergab sich schon eine rosa Färbung, die dann auf der Wand eher unpassend aussah. Bild 3: Tapetenkleister in Tüpfelplatte trocken (links) und mit Leitungswasser angerührt (rechts)
Bild 4: Verarbeitungshinweise auf der Verpackung
Damit man den Kleister auf die gesamte Wandfläche sichtbar auftragen kann, wird dem Produkt ein Farbstoff beigemischt, der beim Auflösen in Wasser zu einem pinken Kleister führt. So kann man beim Auftragen kontrollieren, an welchen Stellen man noch Kleister auftragen muss. Solche Stoffe bilden eine sogenannte alkalische Lösung und diese alkalische Eigenschaft zeigt sich beim Lösen des Natriumcarbonats in Wasser. Die hier entstehenden Hydroxid-Ionen (OH-) sind der Grund für die alkalische Eigenschaft des Tapetenkleisters. Es gibt hierzu sogar eine eigene Definition, die nach Herrn Arrhenius benannt ist. Stoffe, die beim Lösen in Wasser Hydroxid-Ionen bilden, nannte er Basen. Die Anwesenheit von Hydroxid-Ionen können wir nur mit Hilfe sogenannter Säure-Base-Farbindikatoren erkennen, denn die Hydroxid-Ionen reagieren mit den Protonen (H+-Ionen) des Indikators. Der Entzug der H+-Ionen führt bei dem Farbindikator zu einer Strukturveränderung und damit verbunden zu einer Farbänderung. Solche Farbindikatoren gibt es für die unterschiedlichen pH-Wertbereiche. Sie zeigen auf diese Weise ein bestimmtes Stoffmengenverhältnis von Hydroxid- und H+-Ionen in wässrigen Lösungen an. Bild 5: Farbindikatoren mit unterschiedlichen pH-Umschlagbereichen 0-14
Je nachdem welcher pH-Wert vorliegt, also wie groß die Konzentration an H+-Ionen ist, zeigen die unterschiedlichen Indikatoren eine bestimmte Farbe an. Hierbei fällt sofort auf, dass es nur wenige Indikatoren gibt, die bei einem Überschuss von Hydroxid-Ionen farbig, aber bei einem Überschuss an H+-Ionen farblos sind. Phenolphthalein und Thymolphthalein sind bekannte Beispiele. Experiment: Titration von Tapetenkleister mit Salzsäure Wer Genaueres über die Methode der Titration wissen möchte, der klicke hier: http://www.chemieunterricht.de/dc2/indikator/indi02.htm Man löst 1 g Tapetenkleister mit 250 ml destilliertem Wasser in einem Weithalserlenmeyerkolben.
Nun wird die Maßlösung langsam in die Probenlösung getropft und der pH-Wert gemessen. Bild 6: pH-Wertmessung von gelöstem Tapetenkleister
Beobachtungen:
Bild 7: Messung des Umschlagpunktes von Tapetenkleisterfarbstoff
Bei einem pH-Wert von 8,19 kommt es zu einer Entfärbung des Indikators im Tapetenkleister.
Die Entfärbung findet deshalb statt, weil die H+-Ionen der hineingetropften Salzsäure die Hydroxid-Ionen des Tapetenkleisters (Probenlösung) durch folgende Reaktion neutralisieren. Somit liegen keine Hydroxid-Ionen mehr in der Lösung vor, die den Indikator ja zur Verfärbungen bringen.
Hierzu kann man ein einfaches Modellexperiment durchführen.
Die Entfärbung findet mit Hilfe des Kohlendioxids aus der Luft statt. Das gasförmige Kohlenstoffdioxid wandelt sich mit Wasser zu Kohlensäure (H2CO3), Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3-) und Carbonat-Ionen (CO32-) um. Bild 9: Gleichgewichtsreaktionen beim Einleiten von Kohlenstoffdioxid in Wasser [4] Gerade in der Gleichung (3) sieht man, dass bei dieser Reaktion H3O+-Ionen oder einfacher gesagt H+-Ionen entstehen. Diese neutralisieren die im Tapetenkleister befindlichen Hydroxid-Ionen auf die gleiche Weise wie bei dem Titrationsexperiment mit Salzsäure. Dem Indikator werden zusätzlich H+-Ionen zugeführt. Er ändert seine Struktur und verliert seine Farbe und die Tapete klebt an der Wand, ohne dass die Farbe des Klebers zu sehen ist. Wer noch tiefer in die Chemie des Phenolphthaleins einsteigen möchte, der wählt die Webseitengruppe dieser Homepage.
Das folgende Experiment zeigt eine sinnvolle Alternative.
Die Verwendung von Tapetenkleister der Sorte „Direct-control“ bietet eine Möglichkeit einen „Laugelieferanten“ aus dem Alltag (Natriumcarbonat) direkt aus der Packung zu entnehmen und eine einfache Titration mit Salzsäure aus skalierten Tropf- oder Messpipetten vorzunehmen. So beschränkt sich der apparative Aufwand und die Gefährdung durch Chemikalien und Geräte auf ein Minimum.
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