Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Januar 2020 (Tipp-Nr. 271)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Grünliche Haare nach dem Baden

Dennis Dietz

Es ist Sommer und der Kleingarten steht als Ort der Erholung bereit. Die Familie ist eingeladen und der Pool zur Abkühlung vorbereitet. Stolz präsentiert meine Schwester ihre frisch blondierten Haare, bevor sie ins kühle Nass abtaucht. Als später alle beim Essen zusammensitzen, kommt der Schock: Ihre Haare haben sich verfärbt. Meine Schwester ist außer sich: „Du hast zu stark gechlort – meine Haare sind grün!“. Als Bruder tut es mir natürlich leid, doch als Chemiker bin ich auch fasziniert. Mein erster Gedanke: Kann Chlorwasser blonde Haare grünlich verfärben? Schließlich ist Chlor ja auch ein gelbgrünes Gas.[1] Und falls nicht – was hat es dann auf sich mit den grünen Haaren?

Bild 1: Unser Pool im Kleingarten
(Foto: Dietz)


Was befindet sich alles im Badewasser?
Wenn man ein einen kleinen Pool in seinem Garten haben möchte, dann ist es nicht damit getan, diesen aufzubauen und mit Wasser zu befüllen. Das Poolwasser muss regelmäßig überprüft und durch die Zugabe verschiedener Chemikalien gepflegt werden. In Baumärkten findet man dazu zahlreiche Produkte. Doch welche Werte im Wasser müssen überprüft werden und was genau wird in den Pool gegeben?

Zunächst muss der pH-Wert des Poolwassers kontrolliert werden. Für das Baden wird ein pH-Wert von 7,2 empfohlen. Ist der pH-Wert zu niedrig oder zu hoch, dann kauft man Granulate, nach deren Zugabe der pH-Wert reguliert wird. Enthalten ist z. B. Natriumhydrogensulfat.[2] Die Hydrogensulfat-Ionen reagieren als Brønsted-Säure mit Wasser-Molekülen unter der Bildung von Hydronium-Ionen.
Um den pH-Wert zu erhöhen, kann man Natriumcarbonat in das Poolwasser gegeben.[3] Als Brønsted-Base reagieren die Carbonat-Ionen mit Wasser-Molekülen zu Hydroxid- und Hydrogencarbonat-Ionen.

Bild 2: pH-Regulation des Poolwassers durch Salze

Damit im Poolwasser nicht ein Sammelsurium von Bakterien, Viren und Pilzen gedeiht, setzt man zur Desinfektion das giftige Gas Chlor ein. Empfohlen wird ein Wert von 1-2 mg freiem Chlor pro Liter Poolwasser. Um diesen Wert zu erreichen gibt es Granulate zur kurzfristigen Regulation - man spricht von einer Stoßchlorierung -, aber auch sog. Langzeittabletten, die das Chlor nur langsam freisetzen. Ein Blick in die Sicherheitsdatenblätter offenbart uns deren Inhaltsstoffe: Für eine Stoßchlorierung eignet sich Natriumhypochloritlösung.[4] Langzeittabletten enthalten eine Verbindung mit dem seltsamen Namen Symclosen. Dabei handelt es sich um Trichlorisocyanursäure.[5] Letztlich bilden beide Verbindungen in wässriger Lösung unterschiedlich schnell Hypochlorige Säure.

Bild 3: Bildung von Hypochloriger Säure

Hypochlorige Säure wirkt aufgrund des in wässriger Lösung gebildeten Sauerstoffs desinfizierend. Beim Zerfall der Hypochlorigen Säure wird außerdem Salzsäure gebildet. Salzsäure und Hypochlorige Säure bilden in einer weiteren Gleichgewichtsreaktion Chlor und Wasser. Sich zersetzende wässrige Lösungen der Hypochlorigen Säure enthalten daher immer auch etwas Chlor, das wie der gebildete Sauerstoff eine desinfizierende Wirkung hat.[6]

Bild 4: Die desinfizierende Wirkung von Hypochloriger Säure

Da man sich nicht immer regelmäßig um den Pool kümmern kann, bieten Hersteller Kombinationsprodukte an, die beides können, sowohl den pH-Wert regulieren als auch das Poolwasser desinfizieren. Diese Produkte wirken über einen langen Zeitraum und können zusätzlich Trübstoffe beseitigen sowie Algen bekämpfen, um das Poolwasser klar und sauber zu halten. Die Sicherheitsdatenblätter dieser Produkte zeigen uns, dass neben den bereits genannten Mitteln zur Desinfektion auch Kupfersulfat und/oder Aluminiumsulfat in diesen Produkten enthalten sind.[7]

Für die Untersuchung dazu, welcher Stoff die grünliche Verfärbung der frisch blondierten Haare verursacht hat, stehen also eine ganze Reihe an Chemikalien zur Auswahl. Wir müssen, um den Verursacher dingfest zu machen, immer nur eine Variable ändern. Dazu wird zunächst die Wirkung aller hier aufgeführten Chemikalien auf einzelne Haarproben untersucht. Zuvor wurden die Haarproben frisch blondiert. Die entsprechende Versuchsvorschrift hierfür finden Sie hier.


Versuch 1: Was verfärbt blondierte Haare grünlich?

Das frisch blondierte Haar wird in sechs etwa gleich große Proben aufgeteilt. Eine Probe dient dem späteren Vergleich. Anschließend werden fünf Proben für 30 Minuten in folgende Lösungen getaucht:

  1. Haarprobe + Natriumhydrogensulfatlösung (c = 0,1 mol/L)
  2. Haarprobe + Natriumcarbonatlösung (c = 0,1 mol/L)
  3. Haarprobe + Chlorwasser (c = 1 mg/L)
  4. Haarprobe + Kupfer(II)-sulfatlösung (c = 0,1 mol/L)
  5. Haarprobe + Aluminiumsulfatlösung (c = 0,1 mol/L)

Die einzelnen Haarproben werden abschließend mit Wasser gespült, dann mit einem Föhn getrocknet und schließlich mit der unbehandelten Probe verglichen.

Bild 5: Nur Kupfer(II)-sulfatlösung verfärbt frisch blondierte Haare grünlich. Auf dem Bild sind die Ergebnisse der Ansätze c) und d) gezeigt
(Foto: Dietz)

Unsere Beobachtung: Lediglich in der Kupfersulfatlösung verfärben sich die blondierten Haare grünlich. Um die Ursache hierfür zu verstehen, müssen wir den Prozess der Blondierung noch einmal genauer betrachten. (Dazu haben wir auch einen Tipp des Monats).


Für Spezialisten: Was passiert mit den Haaren beim Blondieren?
Die Haarfarbe eines Menschen wird sowohl von der Gesamtmenge als auch von dem Mengenverhältnis von Eumelanin und Phäomelanin bestimmt. Blonde Haare besitzen nur wenig dieser beiden Pigmente.[8,9] Das Blondieren der Haare wird durch eine ammoniakalische Wasserstoffperoxidlösung erreicht. Die Melaninpigmente im Haar werden dabei oxidativ zersetzt. Wählt man die richtigen Bedingungen (Konzentration an Wasserstoffperoxid, Einwirkdauer), ist nur noch wenig Phäomelanin und Eumelanin übrig – und das Haar erscheint blond. Neben der Zersetzung der Melaninpigmente reagiert das Wasserstoffperoxid auch mit anderen Bestandteilen des Haares. Die Disulfidbrücken zwischen den Seitenketten des Cysteins werden gespalten und in geladene Sulfonsäurereste überführt.

Bild 6: Spaltung von Disulfidbrücken

Außerdem werden Tyrosyl-, Threonyl- und Methionylreste zum Teil abgebaut.[8] In der Folge wird die Verbundstruktur des Haares durch eine künstliche Blondierung geschwächt. Aus diesem Grund sollten solche Behandlungen nicht zu häufig durchgeführt werden. Das blondierte Haar ist also anfällig und weist kleine Hohlstellen dort auf, wo sich die Melaninpigmente zuvor befunden haben. In diese Lücken kann Kupfer(II)-sulfat eingelagert werden. Wenn das stimmt, sollten naturblonde Haare nicht so anfällig für eine grünliche Verfärbung durch Kupfer(II)-sulfat sein. Dies soll im folgenden Versuch untersucht werden.


Versuch 2: Werden auch naturblonde Haare grünlich?

Sowohl frisch blondierte als auch naturblonde Haare (nicht entfetten!) werden in zwei Proben aufgeteilt. Eine Probe dient dem späteren Vergleich. Je eine Probe der blondierten und naturblonden Haare werden für 30 Minuten in eine Kupfersulfatlösung (c= 0,1 mol/L) gelegt. Die einzelnen Haarproben werden mit Wasser gewaschen, einem Föhn getrocknet und mit der unbehandelten Probe verglichen.

Bild 7: Vergleich frisch blondierter und naturblonder Haare
(Foto: Dietz)

Die naturblonden Haare sind deutlich weniger anfällig als die frisch blondierten Haare. Es ist nur eine schwache grünliche Verfärbung erkennbar.


Mein Fazit
Das gelbgrüne Gas Chlor ist nicht verantwortlich für die grünliche Verfärbung frisch blondierter Haare. Es ist das Kupfer(II)-sulfat, das aus den Kombinationsprodukten zur langfristigen Poolpflege stammt und Algen am Wachstum hindern soll. Entwarnung für alle naturblonden Schwimmerinnen und Schwimmer: Wer sucht sich schon einen Pool aus, der mit einer 0,1 M Kupfer(II)-sulfatlösung befüllt ist.
Für alle anderen gilt: Haare sollten also nicht zu oft blondiert werden. Und sollten die Haare frisch blondiert sein, dann sollte man sich lieber in einem Badesee und nicht im Pool abkühlen.


PS
Grüne Haare kann es auch geben, wenn man ein neues Haus bezieht, in dem Kupferrohre verlegt worden sind. Oder wenn in einem Altbau die Kupferrohre erneuert wurden. Klicke hier und gehe auf „Haare grün gefärbt, Fingernägel“. Man muss in diesem Fall die neuen Rohre mit heißem Wasser gut durchspülen.


Literatur:
[1] Wiberg N, Hollemann A F, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2007, 102. Auflage, S. 436.
[2] Sicherheitsdatenblatt spaTime pH-MINUS, https://www.saunashop-achhammer.de/media/pdf/50/6f/bd/SpaTime_PH-MINUS_900105_DE.pdf (zuletzt abgerufen am 14.11.2019)
[3] Sicherheitsdatenblatt pH-Plus Granulat, https://pws-pool.de/wp-content/uploads/2016/07/SDB-pH-Plus-Granulat.pdf (zuletzt abgerufen am 14.11.19)
[4] Sicherheitsdatenblatt Bayzid® Chlor flüssig 13%, https://hoefer-shop.de/media/pdf/e9/b1/46/BAYZID_Chlor-flussig-13_hc_DE_2018-03-09.pdf (zuletzt abgerufen am 14.11.19)
[5] Sicherheitsdatenblatt Bayzid® Chlor Tabletten 200 g langsam löslich, https://hoefer-shop.de/media/pdf/27/97/79/BAYZID_Chlortabs-200-g-langsam-loslich_hc_DE_2018-03-12.pdf (zuletzt abgerufen am 14.11.19)
[6] Wiberg N, Hollemann A F, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2007, 102. Auflage, S. 467.
[7] Sicherheitsdatenblatt Bayzid® Multiblock 5in1, https://hoefer-shop.de/media/pdf/ed/95/cc/BAYZID_Multiblock-5in1_DE_2018-10-18.pdf (zuletzt abgerufen am 14.11.19)
[8] Madea B, Mußhoff F, Haaranalytik Technik und Interpretation in Medizin und Recht, Deutscher Ärzte Verlag, S. 41 und 51.
[9] Ito S, Wakamatsu K. Diversity of human hair pigmentation as studied by chemical analysis of eumelanin and pheomelanin. JEADV 2011, 25: 1369 – 1380.


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Letzte Überarbeitung: 25. Dezember 2019, Fritz Meiners