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Tipp des Monats April 2020 (Tipp-Nr. 274)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Grünstich aus blonden Haaren beseitigen

Dennis Dietz

Ein kurzer Rückblick, wie es zu den grünen Haaren kam: Nach einem erfrischenden Bad in meinem Gartenpool verfärbten sich die frisch blondierten Haare meiner Schwester grünlich. Im Monatstipp vom Januar 2020 ist beschrieben, wie letztlich die Kupfer-Ionen als Verursacher des Grünstichs identifiziert werden konnten. Die dazugehörigen Versuche finden Sie hier.

Natürlich machte ich es mir als Bruder zur Aufgabe, die frisch blondierten Haare meiner Schwester zu retten. Bei meiner Recherche stieß ich zunächst auf spezielle Haar-Shampoos. Schmunzelnd stellte ich fest, dass eines damit beworben wird, dass es „den durch Chlor verursachten Grünstich verhindern“ könne [1]. Obgleich wir ja nun wissen, dass der Grünstich nicht vom Chlor verursacht wird, probierten wir das Shampoo aus und es wirkte tadellos. Meine Schwester war wieder glücklich! Für mich als Chemiker blieben jedoch Fragen offen: Welcher Bestandteil des Shampoos ist in der Lage, den Grünstich von Haaren zu entfernen? Und gibt es Alternativen zu diesen nicht ganz billigen Spezial-Shampoos?


Was befindet sich alles im Shampoo zur Beseitigung des Grünstichs?
Wenn man sich das Etikett ansieht, dann findet man fast 30 verschiedene Inhaltsstoffe!

Bild 1: Inhaltsstoffe eines Shampoos zur Beseitigung des Grünstichs von Haaren
(Foto: Dietz)

Die Inhaltsstoffe von Shampoos können nach ihrer Funktion klassifiziert werden [2]. Shampoos enthalten Tenside zur Reinigung (z. B. Sodium Laureth Sulfate = Natriumlaurylethersulfat [3]), Pflegestoffe zur Füllung von Hohlräumen und Verbesserung der Kämmbarkeit (z. B. Triticum Vulgare (Wheat) Protein = Weizen-Protein [4]), Rückfettungsmittel, die der Kopfhaut und den Haaren die Geschmeidigkeit zurückgeben (z. B. PEG-12-Dimethicone, ein Polyethylengylkol [5]), feuchtigkeitsgebende Stoffe, die Wasser binden und die Kopfhaut vor dem Austrocknen bewahren (z. B. Urea = Harnstoff), sowie sogenannte Wirkstoffe. Diese Wirkstoffe sollen beispielsweise das Wachstum von Mikroorganismen verhindern oder vor Haarausfall schützen. Sie wirken desinfizierend, durchblutungsfördernd, juckreizstillend (z. B. Symphytum Officinale Extract = Beinwell, Schwarzwurz [6]) und/oder keratolytisch, also hornhautaufweichend (z. B. Sodium Gylcolate = Natriumgylcolat [7]).

Zu diesen Inhaltsstoffen gesellen sich eine Reihe von Hilfsstoffen: Verdickungsmittel, die das Shampoo dickflüssiger machen und damit verhindern, dass das Shampoo zu schnell aus den Haaren läuft (z. B. Magnesium chloride = Magnesiumchlorid [8]), Konservierungsmittel zur Steigerung der Haltbarkeit (z. B. Methylchloroisothiazolinone = Methylchloroisothiazolinon [9]), Antioxidantien, die oxidationsempfindliche Bestandteile des Shampoos schützen sollen (z. B. Sodium Thiosulfate = Natriumthiosulfat [10]), Wasserenthärter (z. B. Tetrasodium EDTA = Tetranatriumsalz der Ethylendiamintetraessigsäure [11,12]) sowie Parfümöle, Farbstoffe und Perlglanzmittel, die das Produkt für den Kunden attraktiv machen sollen [2].


Welche Inhaltsstoffe können nun den Grünstich entfernen?
Die Wasserenthärter wie EDTA funktionieren dadurch, dass sie in der Lage sind, Metall-Ionen zu binden [11]. Man spricht davon, dass die Metall-Ionen komplexiert werden. Zur Reduzierung der Wasserhärte komplexiert EDTA Calcium- und Magnesium-Ionen. Eine Versuchsvorschrift zur Messung der Wasserhärte finden Sie hier. Zur Komplex-Chemie haben wir eine große Webseitengruppe.

Bild 2: Tetranatriumsalz von EDTA – ein wichtiger Komplexbildner für Metall-Ionen
(Foto: Dietz)


Kann man den Grünstich mit EDTA entfernen?
Es liegt also die Vermutung nahe, dass EDTA auch Kupfer-Ionen komplexieren und so aus Haaren entfernen kann. Um dies zu überprüfen, müssen lediglich grünstichige Haare mit einer EDTA-Lösung gewaschen werden. Um grünstichige Haare zu bekommen, werden zunächst Haarproben frisch blondiert, anschließend in eine Kupfersulfatlösung gegeben und schließlich gewaschen und getrocknet. Die entsprechende Versuchsvorschrift hierfür finden Sie hier.


Versuch 1: Behandlung von grünstichigen Haaren mit EDTA

Das grünstichige Haar wird in zwei in etwa gleich große Proben aufgeteilt. Anschließend werden die beiden Proben für 10 Minuten in folgende Lösungen getaucht:

  1. Haarprobe + Wasser
  2. Haarprobe + EDTA-Lösung (c = 1 g/L)

Die einzelnen Haarproben werden abschließend mit Wasser ausgespült und mit einem Föhn getrocknet.

Bild 3: Eine EDTA-Lösung beseitigt den Grünstich von Haaren
(Foto: Dietz)

Unsere Beobachtung: Eine reine EDTA-Lösung kann den Grünstich aus blondierten Haaren entfernen. Weitere Zusatzstoffe sind dafür nicht erforderlich.

Wenn wir uns die Inhaltsstoffe aus dem Shampoo (s. Bild 1) noch einmal genauer ansehen, dann finden wir im Shampoo interessanterweise einen zweiten EDTA-Komplex: „Disodium EDTA Copper“, übersetzt Dinatrium-EDTA-Kupfer-Komplex. Dieser Komplex wird in Kosmetika eingesetzt, um diese zu färben, ohne dabei gesundheitsschädlich zu sein [13]. EDTA bildet mit Kupfer-Ionen derart stabile blaue Komplexverbindungen, dass man sich auch die Haare mit einer solchen Lösung waschen kann, ohne einen erneuten Grünstich in blondierten Haaren zu bekommen. Das heißt, es findet keine Rückreaktion statt.

Nun ist das Entfärben der Haare mit einer EDTA-Lösung allerdings nicht besonders umweltfreundlich. Bereits 1991 gab es von Bundesumweltministerium, Bundesforschungsministerium, Bundesgesundheitsministerium und der Industrie eine gemeinsame Erklärung dazu, dass die Gewässerbelastung durch EDTA verringert werden muss [14]. Gibt es also umweltfreundlichere Alternativen zu EDTA, um den Grünstich in Haaren zu entfernen?


Helfen auch Zitronen- und Tomatensaft?
In Internetforen rund um das Thema Haare gibt es eine schier unendliche Auswahl an Tipps gegen den Grünstich von Haaren. Zwei besonders häufig genannte Tipps sollen hier genauer überprüft werden. Zum einen wird immer wieder Tomatensaft oder Ketchup genannt. Zum anderen wird Citronensäure bzw. das Waschen mit Zitronensaft empfohlen.

Bild 4: Zitronen- und Tomatensaft gegen den Grünstich von Haaren?
(Foto: Dietz)

Um dies zu überprüfen, werden grünstichige Haare wie bereits oben beschrieben hergestellt und anschließend in Tomatensaft bzw. eine Citronensäurelösung gelegt.


Versuch 2: Behandlung von grünstichigen Haaren mit Citronensäure und Tomatensaft

Das Haar mit Grünstich wird in vier in etwa gleich große Proben aufgeteilt. Eine Probe dient dem Vergleich. Anschließend werden drei Proben für 10 Minuten in je 50 mL der folgenden Lösungen getaucht:

  1. Haarprobe + Wasser
  2. Haarprobe + Tomatensaft
  3. Haarprobe + Citronensäure-Lösung (c = 1 mol/L)

Die einzelnen Haarproben werden abschließend mit Wasser ausgespült und einem Föhn getrocknet.

Bild 5: Tomaten- und Zitronensaft helfen gegen Haare mit einem Grünstich
(Foto: Dietz)

Auch eine Citronensäure-Lösung ist in der Lage, den durch Kupfer-Ionen verursachten Grünstich zu beseitigen. Das liegt daran, dass die Citrat-Ionen ähnlich wie EDTA Kupfer-Ionen komplexieren können. (Klicke hier). Citrate sind im Gegensatz zu EDTA jedoch biologisch abbaubare Komplexbildner [14]. Auch der Tomatensaft hilft dabei, die Haarfarbe zu verändern. Hierbei werden die Kupfer-Ionen jedoch wohl nicht entfernt. Vielmehr wird der rote Farbstoff der Tomate – das Lycopin – zusätzlich in die Hohlräume der Haare eingelagert. Den daraus resultierenden Effekt kennen wir bereits aus dem Tuschkasten. Rot und grün ergeben als Mischfarbe gelb. In der Folge ist der Grünstich also beseitigt, die ursprüngliche blonde Haarfarbe wird aber nicht zwangsläufig wieder zurückgewonnen.


Mein Fazit
Der Grünstich in blondierten Haaren kann mit Hilfe einer EDTA-Lösung beseitigt werden. Dazu muss man nicht (teure) Spezial-Shampoos kaufen. Umweltschonendere Alternativen sind Tomaten- und Zitronensaft. Am besten ist es aber wohl, den Grünstich einfach zu vermeiden. So kann man sich eine Menge Aufwand und Kosten sparen – und für die Umwelt ist es auch besser!


Literatur:
[1] https://www.amazon.de/Paul-Mitchell-clarifying-Shampoo-Three/dp/B000UPEDXU (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[2] Diekmann K, Jany P, Lipp-Thoben H, Lück D, Friseurfachkunde (2005), 5. Auflage, Teubner, S. 69-71.
[3] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/14857/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[4] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/16628/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[5] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/10401/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[6] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/17219/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[7] https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Sodium-glycolate (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[8] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/8518/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[9] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/9021/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[10] https://www.tib-chemicals.com/de/produkte-loesungen/basischemie/schwefelchemikalien/natriumthiosulfat-wasserfrei-7772-98-7.html (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[11] Walter W, Francke W, Lehrbuch der Organischen Chemie (2004), 24. Auflage, S. Hirzel Verlag Stuttgart•Leipzig, S. 308.
[12] https://www.haut.de/inhaltsstoffe-inci/inci-detail/16076/ (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)
[13] Color Additives March 1936 – March 1978, U.S. Department of Health and Human Services, Public Health Service Food and Drug Administration, p. 253.
[14] https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/wasch-reinigungsmittel/umweltvertraeglichkeit (zuletzt abgerufen am 08.02.2020)


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Letzte Überarbeitung: 10. März 2020, Fritz Meiners