Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Februar 2025 (Tipp-Nr. 329)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


An Kerzen länger Freude haben

Dennis Dietz

Das Anzünden von Kerzen gehört für viele Menschen zum alltäglichen Leben dazu. Kerzen wecken das Gefühl von Geborgenheit, können beruhigen und sogar Trost spenden. Außerdem bereiten Kerzen spirituell auf Weihnachten vor, bspw. in einem Adventskranz. Mit der Zeit brennt jedoch jede Kerze ab und muss irgendwann ausgetauscht werden.

Bild 1: Abgebrannte Kerze in der Weihnachtszeit
(Foto: Dietz)

Als meine Töchter in der Weihnachtszeit unsere abgebrannten Adventskerzen sahen, machten sie mir einen interessanten Vorschlag: Ich solle unsere Kerzen doch einfach vor dem Entzünden in den Kühlschrank stellen. Was kalt ist, brauche doch schließlich länger, um zu verbrennen. Diesem Vorschlag sind wir umgehend gemeinsam experimentell nachgegangen.


Die brennende Kerze – ein Klassiker aus dem Anfangsunterricht
Die brennende Kerze ist wahrlich ein Klassiker aus dem naturwissenschaftlichen Anfangsunterricht, wie man u.a. in Schulbüchern nachvollziehen kann [z.B. 1, S. 110]. Sowohl in Schulbüchern als auch im Internet findet man zahlreiche Versuchsanleitungen rund um brennende Kerzen, bspw. vom Lehrerfortbildungszentrum Chemie der Universität Rostock [2]. Warum Kerzen überhaupt brennen und Vorschläge dazu, was man experimentell mit Kerzen alles so anstellen kann, hat auch Prof. Blume bereits in der Vergangenheit umfassend beschrieben. Viele Kerzen bestehen hauptsächlich aus Paraffin, einem Gemisch aus acyclischen, gesättigten Kohlenwasserstoffen mit der allgemeinen Summenformel CnH2n+2 und n ≈ 18-32 [3]. Das Kerzenwachs schmilzt, steigt aufgrund der Kapillarwirkung im Docht hoch, verdampft und verbrennt schließlich.

Wenn das feste Wachs zunächst kälter ist, dann sollte sich theoretisch die Zeit bis zum Phasenübergang von fest nach flüssig erhöhen und die Kerze somit länger brauchen, um „abzubrennen“. Gleichzeitig müsste sich jedoch die Helligkeit der Flamme verringern, da weniger Kerzenwachs in der gleichen Zeit schmilzt, verdampft und schlussendlich verbrennt. Ob diese beiden Effekte so groß sind, dass sie von praktischer Relevanz sind, haben wir in einem Modellversuch experimentell untersucht.


Zur experimentellen Überprüfung: Brennen „tiefgekühlte“ Kerzen“ wirklich länger?
Für unseren Modellversuch war es notwendig, auf das Prinzip der Variablenkontrolle zu achten. Wir benötigten Kerzen, die aus dem gleichen Kerzenwachs (Paraffinwachs + identische Zusatzstoffe) bestehen und in Größe und geometrischer Form identisch sind. Außerdem sollten die Kerzen recht klein sein, um die Brenndauer in einem für das Experimentieren angemessenen zeitlichen Rahmen zu halten. Aus diesen Gründen haben wir uns entschieden, klassische Teelichter eines festgelegten Herstellers miteinander zu vergleichen. Um sicherzustellen, dass mögliche Unterschiede in der Brenndauer nicht auf unterschiedliche Mengen an Kerzenwachs in den Teelichtern zurückzuführen sind, haben wir die Teelichter sowohl vor als auch nach dem Abbrennen gewogen. Zur Untersuchung des Einflusses der Ausgangstemperatur des Wachses auf die Brenndauer haben wir Teelichter der gleichen Masse zu Paaren zusammengestellt und jeweils eines der beiden Teelichter für 24 Stunden in das Tiefkühlfach gelegt, bevor wir beide Teelichter zur gleichen Zeit entzündet haben. Die Brenndauer der Teelichter haben wir mit einer Stoppuhr bestimmt.


Versuch: Untersuchung der Brenndauer von Kerzen in Abhängigkeit von deren Ausgangstemperatur


Zunächst werden Teelichter des gleichen Herstellers gewogen und jeweils gleich schwere Teelichter zu Paaren zusammengestellt. Im Anschluss wird jeweils eines der beiden paarigen Teelichter für mindestens 24 Stunden in das Tiefkühlfach gelegt. Nach dieser Zeit werden die Teelichter aus dem Tiefkühlfach entnommen und gleichzeitig mit dem jeweils zweiten Teelicht, das bei Raumtemperatur gelagert wurde, entzündet. Es wird die Zeit bestimmt, bis die beiden Teelichter abgebrannt sind. Nachdem die Teelichter ausgegangen und abgekühlt sind, werden sie ein zweites Mal gewogen. Insgesamt wird die Brennzeit von jeweils drei Teelichtern, die für 24 Stunden entweder im Tiefkühlfach oder bei Raumtemperatur gelagert wurden, gemessen und miteinander verglichen.

Bild 2: Teelichter unterschiedlicher Ausgangstemperatur nach einer Brenndauer von 15 Minuten
(Foto: Dietz)

Beobachtung: Die Teelichter, die im Tiefkühlfach gelagert wurden, sehen an wenigen Stellen rissig aus. Innerhalb der ersten halben Stunde des Abbrennens ist deutlich zu erkennen, dass sich beim jeweils „tiefgekühlten“ Teelicht weniger flüssiges Wachs um den Docht herum gebildet hat, als beim Teelicht, das zuvor bei Raumtemperatur gelagert wurde. Ein Unterschied in der Größe der Flamme ist jedoch mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Es kann aber beobachtet werden, dass die bei Raumtemperatur aufbewahrten Teelichter deutlich schneller abbrennen, als die Teelichter, die für 24 Stunden ins Tiefkühlfach gelegt wurden.

Bild 3: Das bei Raumtemperatur aufbewahrte Teelicht brennt deutlich schneller ab.
(Foto: Dietz)

Die gemessenen Massen der Teelichter vor (m1) und nach (m2) dem Abbrennen und die jeweiligen Brenndauern (t) sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Starttemperatur in °C Masse m1 in g Masse m2 in g Massendifferenz Δm in g Brenndauer t in min
Kerzenpaar 1 20 12,0 1,2 10,8 237
Kerzenpaar 1 -17 12,0 1,2 10,8 267
Kerzenpaar 2 20 12,2 1,2 11,0 248
Kerzenpaar 2 -17 12,2 1,2 11,0 278
Kerzenpaar 3 20 12,0 1,2 10,8 239
Kerzenpaar 3 -17 12,0 1,2 10,8 268

Tab. 1: Tabellarische Darstellung der Messwerte aus der experimentellen Bestimmung der Abhängigkeit der Brenndauer eines Teelichts von dessen Ausgangstemperatur

Wie der Tabelle 1 eindeutig zu entnehmen ist, ist die Brenndauer von Teelichtern, die vorab im Tiefkühlfach gelagert wurden, deutlich höher, als von Teelichtern, die bei Raumtemperatur aufbewahrt wurden. Die didaktischen Potenziale des hier dargestellten Experiments für den naturwissenschaftlichen Anfangsunterricht sind enorm: Die Schüler*innen können das experimentelle Vorgehen selbst planen und – wenn notwendig – ihre Planungen auch zuhause umsetzen, ohne dass eine Gefahr für ihre Sicherheit gegeben wäre. Außerdem können die Schüler*innen sowohl das Prinzip der Variablenkontrolle als auch erste Fehlerbetrachtungen systematisch erlernen bzw. vertiefend üben.


Fazit
Die Brenndauer von Kerzen kann tatsächlich dadurch erhöht werden, dass diese vorab im Tiefkühlfach gelagert werden. Ein Nachteil besteht jedoch darin, dass die Kerzen infolge der Tiefkühllagerung optisch weniger ansprechend aussehen könnten. Eine kleine Leseempfehlung zum Schluss: Der berühmte Naturwissenschaftler Michael Faraday hat sich bereits im 18. Jahrhundert intensiv mit Kerzen auseinandergesetzt und im Zusammenhang mit dem Unterrichten von Kindern festgestellt, dass „[e]s keine bessere, keine offenere Tür [gäbe], durch die man in das Studium der Naturphilosophie eintreten kann, als wenn man die physikalischen Phänomene einer Kerze betrachtet“ [4, S. 10, übers. d. A.]. Diese Aussage kann ich mit Blick auf die zu beobachtende Freude, die meine Töchter beim Experimentieren empfunden haben, definitiv bestätigen. Weitere spannende Erkenntnisse aus den Arbeiten von Michael Faraday kann man in seinem Werk „The Chemical History of a Candle“ nachlesen.

Danksagung:
Ich danke meinen kleinen Experimentatorinnen Marie und Emma sowohl für die Idee als auch für die gemeinsame Freude beim Experimentieren in der Weihnachtszeit für diesen Monatstipp.


Literatur:
[1] Arnold, K. et al. (2018). Fokus Chemie SI Gesamtband. Cornelsen.
[2] https://www.didaktik.chemie.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/Alle_MNF/Chemie_Didaktik/Forschung/Sekundarstufe_I/6._Feuer_und_Flamme.pdf, letzter Zugriff: 28.12.24
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Paraffin#:~:text=Paraffin%20ist%20leichtfl%C3%BCssig%2C%20%C3%B6lig%20oder,%2C%20Versiegelung%2C%20Pflege%20und%20Konservierung, letzter Zugriff: 28.12.24
[4] Faraday, M. (2002). The Chemical History of a Candle. Dover Publications.


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Letzte Überarbeitung: 12. Februar 2025, Fritz Franzke