Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats Dezember 2020 (Tipp-Nr. 282)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Zeit für die Kerzen

Rüdiger Blume

Bild 1: Weihnachtlicher Tischschmuck
(Foto: Blume)

Zu Advent und Weihnachten gehörte für uns Kinder am Kaffee-Tisch immer das Spielen mit den brennenden Kerzen – misstrauisch beäugt von Eltern, Tanten und Großeltern. Am schönsten war es, wenn wir die Kerze anritzten, wodurch das flüssige Wachs an der Kerze herunterlief – manchmal auch auf die Tischdecke...

Später machten wir das mit bunten Kerzen auf einer Lambrusco-Rotweinflasche und bekamen herrlich bunte Wachspyramiden. Die zierten früher so manche Studentenbude.

Kann man nicht zurzeit, wo uns das Home-Schooling plagt und leicht Langeweile aufkommt, die Kerze zum Gegenstand kleiner Experimente machen?

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Spielen mit einer Kerze für Kinder gefährlich sein kann. Wie sagt schon der Volksmund und die Erzieherin im Kindergarten:

„Messer, Gabel, Schere, Licht, sind für kleine Kinder nicht“

Der Betrachtung wert ist in diesem Zusammenhang auch Heinrich Hoffmanns Episode in seinem Struwwelpeter „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“, bei der sich ein Mädchen namens Paulinchen beim Experimentieren mit Zündhölzchen selber abfackelt [1].


Woraus bestehen Kerzen?
Das kann man schon den Namen entnehmen: Es gibt Paraffinkerzen, Stearinkerzen und – besonders edel, gut duftend und teuer – Bienenwachskerzen. Allen Materialien ist gemeinsam, dass sie aus chemischen Verbindungen mit langen Kohlenstoffketten bestehen. Ihre Zusammensetzung wird vor allem durch die Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff bestimmt. Dazu kommt beim Stearin und Bienenwachs noch etwas gebundener Sauerstoff.

Paraffin ist das farblose Nebenprodukt der Verarbeitung von Erdöl. Das feste Hartparaffin, aus dem Kerzen hergestellt werden, schmilzt zwischen 50 und 62 °C.

Stearin besteht aus einem Gemisch von Stearinsäure (CH3-(CH2)16-COOH; Schmelzpunkt 69 °C) und Palmitinsäure (CH3-(CH2)14-COOH; Schmelzpunkt 63 °C). Man erhält das Gemisch aus der Verseifung von Fetten und fetten Ölen. Dieses Wachs ist heute umstritten, weil oftmals Palmöl als Fettquelle dient. Früher nahm man vornehmlich tierische Fette wie z. B. Talg.

Bienenwachs ist der Baustoff der Waben, in denen die fleißigen Insekten Honig lagern und Nachwuchs aufziehen. Nach dem Ausschleudern des Honigs und nach Reinigung kann man aus den Waben Kerzen formen. Bienenwachs besteht aus einem Gemisch von Estern langkettiger Alkohole und Fettsäuren. Der Schmelzbereich liegt zwischen 62 und 65 °C.


Was brennt bei einer Kerze eigentlich?
Beim Entzünden wird zunächst etwas Wachs geschmolzen. Das geschmolzene Wachs imprägniert den Kerzendocht und verdampft dabei. Der Wachs-Dampf reagiert mit dem Luftsauerstoff und verbrennt unter Abgabe von Licht und Wärme. In erster Linie brennt also der Wachsdampf. Dass dabei auch der Docht in Mitleidenschaft gezogen wird, ist eine Randerscheinung – sozusagen ein Kollateralschaden...

Wenn die Luftzufuhr unterbunden wird, erstickt die Kerzenflamme. Das kann man zeigen, indem man die Kerze in ein verschließbares, feuerfestes Gefäß stellt. Oder man stülpt eine Vase über die brennende Kerze.

Auch hier ein Hinweis: Man kann statt der Kerzen auch Teelichter verwenden. Die haben aber den Nachteil, dass die Alu-Becher sehr heiß werden können. Deshalb immer eine feuerfeste Unterlage nehmen – z. B. einen Porzellanteller.

Da stellt sich die Frage: Wie heiß wird eigentlich eine Kerzenflamme? Man kann bis zu 1500 °C messen! Damit kann man schon so manches Feuer auslösen...

Wenn eine Kerze verbrennt, wird sie leichter: Um das zu prüfen, stellt man eine Kerze auf eine Waage, entzündet sie und beobachtet. Die Kerze wird tatsächlich leichter. Beim Verbrennen entstehen aber auch Abgase. Hält man ein kaltes Becherglas über die Flamme, erkennt man Wasserdampf und schwarzen Ruß. Dazu entsteht viel CO2; das können wir zu Hause leider nicht so einfach nachweisen. Wir sehen, dass zwar die Kerze an Gewicht verliert – aber insgesamt nimmt die Masse zu. Denn es wird ja eine Menge Sauerstoff in den Abgasen (CO2 und H2O) gebunden.

Aufgrund der Hitze können sich sogar Stickoxide bilden. Dann riechen die Kerzen ähnlich wie Chlor. Das ist besonders bei farbigen Kerzen möglich.

So richtig gesund ist trauter Kerzenschein also ganz und gar nicht. Das merkt man auch, wenn man in Kirchen steht, in denen oft viele Kerzen abgebrannt werden. Da bleibt einem manchmal schon die Luft weg. Und dazu sind die Wände, Bilder und Statuen deutlich verrußt...


Kann man Kerzen selber machen?
Das überlegt man schon mal, wenn man die vielen Kerzenstummel sieht, die in der dunklen Jahreszeit anfallen.

Zur Kerzenherstellung muss man das Wachs schmelzen. Die Dochtreste kann man mit einem Teesieb herausfischen.
Aber Vorsicht! Zu hoch erhitztes Kerzenwachs neigt zur Selbstentzündung. Denn es zersetzt sich. Dabei bilden sich durch Bruch der langen Kohlenstoffketten Radikale, die heftig mit Luftsauerstoff reagieren. Dazu haben wir einen Versuch (Chemischer Flammenwerfer). Deshalb erhitzt man am besten das Wachs vor dem Gießen in einem Wasserbad.

Ein Problem stellen auch die Dochte dar. Die kann man zwar in Bastelläden kaufen. Man muss aber die zum Kerzendurchmesser passenden Dochtgrößen erstehen. Ein Bindfaden oder eine selbst geknüpfte Schnur tun es meistens nicht.


Spielerei mit Stearin
Mit Stearinkerzen kann man ein hübsches Experiment machen. Dazu muss man Stearin (echtes verwenden!) in heißem Wasser schmelzen. Beim Abkühlen erhält man einen Stearinfladen, der erstaunliche Eigenschaften hat. Zur genauen Versuchsdurchführung und zur Erklärung des Ergebnisses klicke hier.


Grundschulversuche zum Thema Feuer und Kerze
Der Themenkreis eignet sich hervorragend für den Anfangsunterricht in Chemie bzw. Naturwissenschaften. Das hat Alexandra Sohst schon 1999 in ihrer Staatsexamensarbeit gezeigt.

Bild 2
(Foto: Blume)


Literatur:
[1] H. Hoffmann: Der Struwwelpeter, Loewe-Verlag, Bindlach


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Letzte Überarbeitung: 3. Dezember 2020, Fritz Meiners