Die biologische Herstellung von Essig

Experimente:
Versuch: Alkoholische Gärung
Versuch: Essig aus Wein
Versuch: Gewinnung von Essigsäure aus Obst


Auch süßer Wein wird sauer - wenn er nur lange genug offen steht
Um das zu zeigen, reicht es aus, ein Gefäß mit billigem Wein mit einem grobmaschigen Tuch abzudecken und einige Tage offen stehen zu lassen (-> Versuch). Langsam entwickelt sich auf der Oberfläche des Weins ein durchgehendes dünnes, graues Häutchen, das man von etwaigen runden oder gelben Schimmelflecken deutlich unterscheiden kann. Der Wein ist außerdem sauer geworden. Es ist Essigsäure entstanden.
Dahinter steckt ein chemischer Vorgang: Essigsäurebakterien, welche die Haut bilden, haben den Alkohol des Weins mit Hilfe des Luftsauerstoffs zu Essigsäure oxidiert.

CH3-CH2OH + O2 ———> CH3-COOH + H2O

Essigbildende Bakterien haben vor allem eine Eigenschaft, die sie vor vielen anderen Mikroorganismen auszeichnet: Sie sind säureresistent.


In der Essigsäurefabrik geht man im Prinzip ähnlich vor
Da gibt es im Wesentlichen zwei Verfahren:
Einmal lässt man eine etwa 10 Vol% Alkohol enthaltende Flüssigkeit ("Maische") unter Luftzutritt langsam über einige etwa 1 mm dicke Buchenholzspäne, die mit Essigsäurebakterien besetzt sind, herunterrieseln. Man spricht anschaulich vom Fessel-Verfahren.

Bild 1 (Quelle: Cornelsen)


Manche Bakterienarten können aber auch mittendrin in der alkoholhaltigen Maische schwimmen, ohne sich an der Oberfläche anzusammeln. In diesen Fällen muss für gute Durchlüftung der gesamten Lösung gesorgt werden. Dies sind die Submers-Verfahren, die in großen Bottichen (Fermentern) ablaufen.

Die Essiggärung verläuft am raschesten bei einer Temperatur von 20 bis 35 °C. Reiner oder hochprozentiger Alkohol kann nicht zu Essigsäure vergären, da die Essigsäurebakterien am besten arbeiten, wenn die Lösungen 6 bis 14 % Alkohol enthalten.


Auch süße Früchte werden sauer
Natürlich können wir aber auch - wie es unsere Altvorderen wohl taten - von Früchten (wie zum Beispiel Fallobst) ausgehen (-> Versuch). Dazu zermatschen wir das Obst, geben es in einen Tontopf, übergießen es mit warmem Wasser, geben etwas Zucker dazu und decken das Ganze mit einem Tuch ab. Dann stellen wir das Gefäß an einen warmen Ort, zum Beispiel in die offene Sonne oder neben die warme Heizung. Nach zwei-drei Tagen hat sich die Flüssigkeit in Essig verwandelt.

 

Bild 2: Essigtopf aus einem Bauernhaus bei Tübingen
(Fotos: Blume)


Im Flüssigkeitsinnern findet die anaerobe alkoholische Gärung durch Hefen sowie an der Oberfläche die aerobe Essiggärung durch Essigbakterien statt. Wäre das Gefäß abgeschlossen, erhielte man ausschließlich ein alkoholisches Getränk (-> Versuch). So wird aus Fallobst zum Beispiel Apfelmost, aus dem wir durch Filtrieren Frankfurter "Äppelwoi" oder Württembergischen "Moscht" machen.

Da aber durch das Tuch Luft hinzutreten kann, bildet sich durch die an der Oberfläche befindlichen Bakterien der von unten nach oben diffundierende Alkohol zu Essigsäure um. Aus Apfelmost ist Apfelessig entstanden.

Gegensätzlicher können diese Vorgänge nicht sein. Unsere Anleitung funktioniert deshalb nur, wenn wir Folgendes beherzigen: Der Topf muss ruhig stehen, und es muss Luft zutreten können. Denn die Reaktionsräume der zwei gegensätzlichen chemischen Vorgänge dürfen nicht vermischt werden.

Über die biochemischen Hintergründe der Essiggärung berichten wir in einer besonderen Webseite.


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Letzte Überarbeitung: 27. September 2005, Dagmar Wiechoczek