Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 279
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F: In einer TV-Kaffeewerbung (Jacobs?) wandert die aufgehende Sonne deutlich von rechts nach links. Das ist doch wohl ein Werbetrick, der Aufmerksamkeit erregen soll. Oder?


A: Nein. Der Kaffee kommt wohl aus Kenia. Das liegt deutlich südlich des Äquators. Zwar geht die Sonne dort wie bei uns im Osten auf und im Westen unter. Ihren höchsten Stand hat sie aber im – Norden!
Um das zu verstehen, stellen Sie sich da unten einmal den Sonnenlauf vor. Sehen Sie zur Sonne. Dann blicken Sie automatisch nach Norden. Der Osten liegt rechts (bei uns links, weil wir nach Süden blicken). Die Sonne wandert dann nach links (bei uns nach rechts), um im links liegenden Westen (der bei uns rechts liegt) unterzugehen.
Der Film stimmt also.


1552
F: In einer Annonce habe ich im SPIEGEL folgende Angabe gefunden:

Tägliche Sonneneinstrahlung [H; Einheit: kWh/m2-d]

Was bedeutet das H?


A: H ist das Symbol für die tägliche Sonneneinstrahlung. Der Buchstabe kommt von lat. helios, Sonne. Die Einheit ist Energie pro Fläche und Tag. Das Minus in Ihrer Formel ist ein Druckfehler und muss ein Malzeichen sein:

[H; Einheit: kWh / m2 • d]

Die Einheit der Strahlungsenergie pro Fläche nennt man Langley: 1 Langley (Ly) entspricht der Sonneneinstrahlung von 1 cal / cm2. Umgerechnet sind das 4,184 Joule / cm2. 1000 Ly sind 1 kLy.

(S. P. Langley war ein amerikanischer Physiker, der unter anderem ein Messgerät für die Strahlungsenergie, das Pyrheliometer, konstruiert hat.)

Für Deutschland beträgt die mittlere tägliche Sonneneinstrahlung auf 1 m2 Boden 3,1 kWh. Das sind etwa 11,2 MJ. Jährlich entspricht das fast 1000 kLy. Zum Vergleich: In Afrika beträgt die Zahl um 2200 kLy.

Die tägliche Sonneneinstrahlung spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Planung und Entwicklung von Solaranlagen. Aber auch zur Beurteilung der Strahlungsfestigkeit von Kunststoffen wird diese Größe herangezogen.


1553
F: Betreff: maxwell-boltzmann-verteilung
Hallo Herr Blume,
ich habe heute im Rahmen der Unterrichtseinheit Energetik die Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung besprochen. Es tauchte die Frage auf, weshalb die Teilchen eines Stoffes unterschiedliche Geschwindigkeiten haben, die ich leider nicht beantworten konnte. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Gruss
(…)


A: Die Teilchen haben (abhängig von der Temperatur und dem Druck) sehr hohe Geschwindigkeiten, die weit über der Schallgeschwindigkeit (300 m/s) liegt. Bei 0 °C hat man z. B. für Wasserstoff eine mittlere Geschwindigkeit von 1261 m/s gemessen. Das wollte man auch rechnerisch durch ein Modell belegen. Man sich zunächst vorgestellt, dass die Geschwindigkeit der Teilchen bei einer gegebenen Temperatur einheitlich sei. Die Rechnung ergab aber eine viel zu hohe Geschwindigkeit (1694 m/s). Die Annahme hat man also fallenlassen müssen.

Heute wissen wir: Man darf sich die Bewegung der Teilchen nicht als gleichförmig vorstellen, obwohl sie sich im Kollektiv scheinbar alle so verhalten. Die Teilchen stoßen aneinander und tauschen Energien aus. Damit verändern sie ständig ihre Richtung und auch ihre Geschwindigkeiten, die dabei höher und auch niedriger werden können. Folglich gibt es sehr schnelle („heiße“) und sehr langsame („kühle“) Teilchen. Die meisten bewegen sich in einem mittleren Geschwindigkeitsbereich. Man muss zur Ableitung der Verteilungsfunktionen zu statistischen Methoden greifen. Dazu teilt man den Teilchen bestimmte Geschwindigkeitsintervalle zu und berechnet die zugehörigen Teilchenzahlen.
Da das Kollektiv hier ungeheuer groß ist (es liegt im Bereich der Teilchenzahl von einem Mol), stimmt die Statistik genau mit dem beobachteten Verhalten überein. So kann man die mittlere Geschwindigkeit berechnen, nicht aber die eines ausgewählten Teilchens. Dessen Geschwindigkeit kann weit darüber oder darunter liegen – aber nur im Rahmen einer bestimmten Wahrscheinlichkeit. Die meisten Teilchen verhalten sich gesittet und bewegen sich um die mittlere Geschwindigkeit herum.

Das folgende Bild zeigt Maxwell-Verteilungen für zwei Temperaturen. Die Teilchengesamtzahl ist in beiden Fällen gleich.

Vergleichen Sie das Ganze mit einer Menschenmasse. Oder mit Autos auf der Autobahn (bei der Sie zur Vermeidung von Schülerlachen das Stoßmodell nicht anwenden sollten).

Die Verteilung nennt man übrigens nur Maxwell-Verteilung. Boltzmann hat geholfen, den mathematischen Hintergrund zu beleuchten.


1554
F: Sie kennen doch das Kinderlied vom Kuchenbacken.

Backe, backe, Kuchen,
Der Bäcker hat gerufen!
Wer will gute Kuchen backen,
Der muss haben sieben Sachen:
Eier und Schmalz,
Butter und Salz,
Milch und Mehl,
Safran macht den Kuchen gel!
Schieb, schieb in Ofen 'nein.

Darin versteh ich nicht die Zeile: Safran macht den Kuchen gel! Manche Autoren schreiben auch gehl. Oder sogar auch so: gel´. Dann habe ich auch noch gelb gefunden. Können Sie was dazu sagen?


A: Chemiker denken bei dem Wort „Gel“ natürlich an eine besondere stoffliche Eigenschaft – wie die der Gelatine.

Im Kinderlied, das auf Küchenweisheiten beruht, ist der Begriff „gel“ vielleicht ebenso gemeint: Safran macht den Kuchen geschmeidig. Was ich aber nicht verstehe: Für mich ist ein Kuchen „gel“, wenn er nicht richtig durchgebacken ist. Manche nennen das auch „klitschig“. Aber wieso soll eine so teure Zutat wie Safran einen Kuchen „gel“ machen, also geschmeidig machen oder vielleicht sogar letztlich auch noch verderben?

Zur Information: Safran ist der Farbstoff der Krokusblütennarben. Um 1 kg Safran zu ernten, sind etwa 100.000 bis 200.000 Blütennarben von speziellen Krokusarten auszuknipsen – per Hand!

Krokusse in unserem Garten (Foto: Blume)

Wie wäre es mit dieser Deutung: Ein gelber Farbstoff macht den Teig nicht gel, sondern tatsächlich – gelb. Kann es sein, dass der Begriff gel einfach nur ein missglückter Versuch zum Reimen ist? Der Reim müsste also so lauten:

(…)
Milch und Mehl,
Safran macht den Kuchen gelb!
(…)

Das würde Sinn machen: Ein Kuchen ohne Safran sähe weiß aus und nicht so lecker gelb wie der gutgemeinte, mütterliche (wenn auch staubtrockene) Sandkuchen.

Schauen wir uns einmal die chemische Verbindung Safran genauer an. Dahinter steckt letztlich ein saures Carotinoid, das Crocetin.

Crocetin liegt im Safranfarbstoff nicht frei vor, sondern ist mit zwei Kohlenhydratmolekülen (mit Gentiobiose, ein Disaccharid, das zuerst aus dem Enzian isoliert wurde; lat. gentiana, Enzian) verestert. Dieser Di-ester des Crocetins ist ein weiteres Beispiel für ein Glykosid. Sein Name ist Crocin.


1555
F: In dem Versuch (haus/v069.htm) zur Hydrolyse von Cellulose soll ein Stück Filterpapier mit konz. Schwefelsäure zu einem Brei verrührt werden. Später soll dann die Glucose nachgewiesen werden mit Fehling.

Ist es nicht so, dass das Filterpapier bei Zugabe von Schwefelsäure sofort inkohlt ?? Incl. der vielleicht vorher noch schnell im Schreck (?) gebildeten Glucose (auch Zucker wird schwarz bei einer derartigen Tortour) ? ;-)

Ich könnte mir vorstellen, dass statt konzentrierter Schwefelsäure vielleicht Salzsäure genommen werden müsste.

Vielen Dank für Ihre Antwort.


A: Danke für den Hinweis.

Es wird oft eingewendet, dass bei diesem Versuch die Schwefelsäure zur Verkohlung der Cellulose führt. Das ist nicht der Fall. Cellulose ist (anders als Saccharose) erstaunlich stabil. Auch Glucose ist erstaunlich widerstandsfähig. Deshalb funktioniert der Versuch zur Zuckerverkohlung nicht mit Glucose, sondern nur mit Saccharose. Noch ein Beispiel: Wenn Sie Schwefelsäure auf Ihren meist aus Leinen gefertigten Laborkittel kleckern, verkohlt der nicht sofort, sondern er wird erst mit der Zeit bröselig und entwickelt dann die bekannten Löcher. Denken Sie daran, dass Sie auf diese Weise mit 80%iger Schwefelsäure aus einem „empfindlich aussehenden“ Filterpapier auch Pergamentpapier herstellen können.

Lesen Sie hierzu unseren Tipp des Monats Dezember 1998.

Der Versuch geht übrigens auch mit Salzsäure. Man muss dann allerdings ziemlich lang kochen. Letztlich wirken ja nur die Protonen als Katalysator.

Ich werde dennoch auf Ihre Anregung hin die von Ihnen angesprochene Versuchsvorschrift ändern und auf die Notwendigkeit, rasch zu arbeiten, hinweisen.

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Letzte Überarbeitung: 28. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek