Kalkstickstoff

Experimente:
Versuch: Enzymatischer Nachweis von Harnstoff im Kalkstickstoffhydrolysat


Kalkstickstoff war früher ein gern genutztes Düngergemisch, der vor allem im Winter auf den Schnee gestreut wurde. Man erkannte derartig behandelte Felder leicht, denn bei diesem Dünger handelt es sich um ein schwarzes Pulver.

Der für die Düngung wichtigste Bestandteil ist Calcium-cyanamid.

Ca(CN2)

Die „Säure“, die dahinter steckt, ist das Säureamid der Blausäure HCN.

Man kann Calcium-cyanamid zwar als Salz des Cyanamids auffassen. Aber da Cyanamid zu wenig sauer ist, bildet er seine Salze nicht auf klassische Weise. Man muss anders vorgehen: Man erhitzt Calciumcarbid in Gegenwart von Stickstoff auf etwa 1000 °C. Dann nimmt das Carbid in einer exothermen Reaktion Stickstoff auf.

Zu hoch darf man nicht erhitzen, da es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt.

Aufgrund des Kohlenstoffgehalts ist Kalkstickstoff schwarz gefärbt. Reines Calcium-cyanamid dagegen ist farblos.

Seine Herstellung ging früher (ab 1903) einher mit der Gewinnung der Edelgase aus Luft. Man setzte Calciumcarbid mit Luft um; ein Teil verbrannte zu CaO und CO2.

2 CaC2 + 5 O2 ———> 2 CaO + 4 CO2

Der Rest reagiert wie eben gezeigt zu Calcium-cyanamid. Zurück blieben die Edelgase. Der feste Rückstand, den man erhielt, war der Kalkstickstoff. Auf diese Weise wurde etwa 1/3 der Calciumcarbidproduktion verwendet.

Calcium-cyanamid ist eigentlich farblos. Aufgrund des herstellungsbedingten Kohlenstoffrückstands erhält es seine typische schwarze Färbung.

Aufgebaut ist es aus Calcium-Ionen und aus den linearen Cyanamid-Anionen.

Im Cyanamid-Anion erkennt man schon eine Atomanordnung, die an Harnstoff erinnert.


Wirkung von Kalkstickstoff
Zunächst einmal ist der Dünger ein Stickstofflieferant. Nach Aufstreuen auf das Feld erfolgt langsame Hydrolyse des Cyanamids.

Der so gebildete Harnstoff wird durch die Bodenbakterien hydrolysiert. Dabei wirkt die bekannte Urease mit. Es entsteht zunächst die Carbamidsäure, die spontan zu CO2 und Ammoniak zerfällt (genau genommen zu Hydrogencarbonat- und Ammonium-Ionen).

Die Hydrolyse kann man im Labor beschleunigen: Man braucht nur eine wässrige Aufschlämmung von Kalkstickstoff zu erhitzen. Das alkalische Milieu fördert den Prozess. Der Nachweis des gebildeten Harnstoffs gelingt mit der Urease aus der Chemikaliensammlung (-> Versuch).

Zu den weiteren Bestandteilen von Kalkstickstoff: Calciumoxid (gebrannter Kalk) war sowieso schon immer ein wichtiger Dünger – vor allem für saure Böden. Der Kohlenstoffgehalt störte nicht weiter, denn der vermehrte nur den Humus des Bodens.


Warum der Dünger heute kaum noch genutzt wird
Aus welchem Grund auch immer: Der Bauer musste sich dem Vernehmen nach hüten, während des Ausbringens von Kalkstickstoff Alkohol zu sich zu nehmen, weil letzterer die Giftwirkung von Kalkstickstoff deutlich steigern sollte. Das ist sicherlich ein relevanter Grund, auf den Einsatz von Kalkstickstoff zu verzichten. Denn: Kalkstickstoff gilt als giftig.

Herstellungsbedingt enthält der Dünger eine Menge ätzender und toxischer Substanzen. So besteht einmal ein großer Teil des Düngers aus Branntkalk, CaO. Der ist zwar gut für den Boden, aber schlecht für Augen, Lungen und Hände. Daneben sind Cyanid und Cyanamid (usw.) enthalten, die beide sehr giftig sind.

Aber es gibt auch agrartechnische Gründe. In der Ausbringungszeit in der vegetationsarmen Zeit (Herbst bis Frühjahr) ist es kalt. Deshalb ist die Hydrolyse temperaturbedingt sehr langsam. Entsprechend langsam setzt auch die Düngerwirkung ein. Deshalb gehen dabei eine Menge an Stickstoffverbindungen durch Ausspülung oder durch parallele bakterielle Tätigkeit (Nitrifikation und Denitrifikation) verloren.

Statt Kalkstickstoff setzt man gleich Harnstoff ein, den man leicht herstellen kann - z. B. durch Reaktion von Phosgen mit Ammoniak:

Das heißt aber nicht, dass man auf die Herstellung von Kalkstickstoff verzichtet. Das Produkt wird weiter im Millionen-Tonnen-Maßstab hergestellt. Man macht daraus unter anderem Harnstoff sowie Thioharnstoff und Melamin. Kalkstickstoff gilt darüber hinaus wegen des Cyanamids als Herbizid und ist daher auch geeignet zum Entlauben von Baumwollpflanzen vor der Baumwollernte. Vorteil: Damit düngt man gleichzeitig den Boden für die neue Aussaat.


Weitere Texte zum Thema „Ammoniak, Amine und Säure-Amide“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 15. Mai 2009, Dagmar Wiechoczek