Das Gegenstück zur Aldoladdition: Die Cannizzaro-Reaktion

Eine kurze Bemerkung vorweg
Schlägt man in einem Buch, sei es Fachliteratur oder auch ein Lexikon, unter dem Begriff "Cannizzaro-Reaktion" nach, so erhält man häufig eine Erklärung, die im Normalfall noch weitere nach sich ziehen müsste. Ein Beispiel: "Cannizzaro-Reaktion = Disproportionierung". Diese Erklärung stammt z. B. aus dem Brockhaus und hilft uns bei einem echten Verständnis nicht wirklich weiter. Was also ist die Cannizzaro-Reaktion?

Darunter versteht man eine Reaktion, bei der ein Aldehyd sowohl zu einer Carbonsäure oxidiert als auch zu einem Alkohol reduziert wird.

Diese Art der Reaktion nennt man Disproportionierung. Eine Verbindung reagiert zu zwei anderen Verbindungen, wobei sie das eine Mal oxidiert und das andere Mal reduziert wird. Überprüfen Sie das anhand der Oxidationszahlen des Ethans.


Und wer war dieser Herr Cannizzaro?
Er hieß mit Vornamen Stanislao, war ein italienischer Chemieprofessor und lebte von 1826-1910. Kaum eine Reaktion regt Chemiestudenten derartig auf. Denn allein schon die Schreibweise des Namens bereitet Probleme... Merken Sie sich einfach: Kanne, Pizza und Karo...


Zur Erinnerung: Ein Rückblick zur Aldoladdition
Eine besondere Reaktion von Aldehyden und Ketonen ist die Aldoladdition. Hierbei bildet sich aus der Reaktion von zwei Aldehyden oder Ketonen eine längerkettige Verbindung, die eine Aldehydgruppe und eine Alkoholgruppe besitzt.


Schematische Darstellung der Aldolreaktion

Ein notwendiges Kriterium, damit ein Aldehyd nach dem Aldol-Mechanismus reagieren kann, ist das Vorhandensein eines CH-aciden Wasserstoffatoms. Doch nicht jeder Aldehyd oder jedes Keton besitzt einen solchen Wasserstoff. Beispiele sind der Formaldehyd oder der Benzaldehyd. Das sind Außenseiter unter den Aldehyden, denn sie besitzen kein α-ständiges H-Atom. Dort wo sich bei einem langkettigen Aldehyd das CH-acide H-Atom befindet, ist beim Benzaldehyd ein Benzolring, was zur Folge hat, dass er als Voraussetzung zur Aldoladdition keine Enolform ausbilden kann.

Was passiert mit diesen? Eine berechtigte Frage. Natürlich muss es eine Reaktion geben, nach der solche Verbindungen im alkalischen Milieu reagieren: Die Cannizzaro-Reaktion.


Der Reaktionsmechanismus der Cannizzaro-Reaktion
Am Beispiel der Reaktion von Benzaldehyd einer Lauge soll der Mechanismus der Cannizzaro-Reaktion aufgezeigt werden:

1. Schritt: Addition eines Hydroxid-Ions

Ein freies Elektronenpaar des Hydroxid-Ions greift am partiell positiv geladenen C-Atom der Carbonylgruppe an und addiert sich dort unter Aufspaltung der Doppelbindung.

2. Schritt: Abspaltung eines Hydrid-Ions und Bildung des Oxidationsprodukts Benzoesäure

Dadurch, dass der Benzolring über eine hohe negative Ladung verfügt, drückt er Elektronen in die angrenzenden Bindungen, wodurch sich ein negativ geladenes Wasserstoff-Ion, das Hydrid-Ion, abspaltet. Zurück bleibt eine Carbonsäure: Benzoesäure. Da das Ganze im alkalischen Milieu abläuft, bildet sich natürlich das Salz der Benzoesäure - z. B. Natriumbenzoat.

3. Schritt: Addition des Hydrid-Ions an ein weiteres Aldehydmolekül

Das Hydrid-Ion reagiert mit einem weiteren Aldehydmolekül zu einem Alkoholat-Anion. Das Anion kennen wir von den "Salzen des Alkohols".

Damit ist die Disproportionierung beendet: Aus zwei Aldehyden wurden eine Carbonsäure und ein Alkohol. Genauer: Ein Carboxylat-Anion und ein Alkoholat-Ion.


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Letzte Überarbeitung: 05. August 2010, Dagmar Wiechoczek