Prof. Blumes Tipp des Monats März 2001 (Tipp-Nr. 45)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wir untersuchen Lakritz

Wohl jeder liebt die dunkelbraune, klebrige Lakritz und deren Geschmack. Der stammt vor allem vom Süßholz (Glycyrrhiza sp.) und seinem Inhaltsstoff, dem typischen Lakritzgeschmacksstoff Glycyrrhizin. Als Säuerungsmittel ist auf der Zutatenliste, die auf den meisten Packungen zu finden ist, oftmals "Ammonium chloratum" vermerkt. Das ist Apothekerlatein und bedeutet Ammoniumchlorid. (Für den Chemiker ist Ammoniumchlorat eine gefährliche, weil brandfördernde Substanz mit der Formel NH4ClO3.) Weil Ammoniumchlorid auch Salmiaksalz heißt, gibt es in Apotheken die Salmiakpastillen, in denen besonders viel Ammoniumchlorid vorkommt. Ammoniumchlorid darf nach der Aroma-Verordnung bis zu 20 g/kg oder 2 % in Lakritz enthalten sein.
(Der Name Salmiaksalz kommt vom lat. sal ammoniacum, Salz des Ammon. Das war die alte Bezeichnung für Ammoniumchlorid. Das wurde neben einem Jupitertempel gefunden. Der hieß auch zu römischen Zeiten Jupiter Ammon. Das Ammon kommt wieder vom ägyptischen Obergott Amun. Später verkürzte man die Bezeichnung sal ammoniacum zu Salmiaksalz. Danach wurde 1782 durch T. O. Bergmann das zugrundeliegende Ammoniak benannt.)

Ammoniumchlorid aus der Schulsammlung darfst du leider nicht probieren. Wenn dein Lehrer oder deine Lehrerin auf Zack sind, haben sie aber immer eine Flasche von sauberem Ammoniumchlorid zum Probieren beiseite gestellt. Auf jeden Fall kannst du sicher sein: Es schmeckt fein salzig-säuerlich wie Lakritz! (Der Geschmack des Salzes wird übrigens durch Glycyrrhizin verstärkt. Es sind also Geschmacks-Synergisten.) Dass es sauer wirkt, kannst du jedoch leicht mit pH-Papier nachweisen.

Versuch 1
Eine Spatelspitze voll Ammoniumchlorid wird auf feuchtes Indikatorpapier gelegt. Um die Substanz herum bildet sich ein roter Hof. Das gleiche wiederholst du mit einem Stück feuchter Lakritz.

Der Grund für den sauren Charakter ist, dass Ammoniumchlorid das Salz einer schwachen Base (NH3) und einer starken Säure (HCl) ist. Deshalb reagiert es mit Wasser unter Bildung von Protonen bzw. Oxonium-Ionen. Man kann auch sagen: Das Ammonium-Ion wirkt als Brönstedsäure und überträgt das Proton auf die Base Wasser.

Der Gehalt an Ammonium-Ionen lässt sich auch durch Austreiben des Ammoniaks mit einer starken Base wie Natriumhydroxid zeigen.

NH4Cl + NaOH ———> NH3 + NaCl + H2O

Versuch 2 (Schutzbrille)
Zu Lakritz oder Salmiakpastillen werden in ein Reagenzglas einige Stücke Natriumhydroxid (C) gegeben, mit einigen Tropfen Wasser angefeuchtet und (wenn nötig) über dem Bunsenbrenner schwach erwärmt. In den Dampf hältst du feuchtes Indikatorpapier. Es färbt sich blau.

Mit Ammoniumchlorid kann man interessante Versuche machen. Es entsteht, indem man die Gase Ammoniak und Chlorwasserstoff zusammenleitet. Dies ist ein klassisches Beispiel für eine Brönsted-Säure/Base-Reaktion ohne Beteiligung von Wasser.

NH3 + HCl ———> NH4Cl    /Exotherm

Versuch 3 (Schutzbrille)
Halte eine offene Ammoniakflasche und eine offene Salzsäureflasche mit den Öffnungen aneinander. Es bildet sich weißer Rauch von Ammoniumchlorid.

Diese Substanz kann man leicht "abrauchen". So entfernte man sie bei der chemischen Analyse aus den zu untersuchenden Mischungen. Man sagt gern, dass Ammoniumchlorid sublimiert. So sieht das tatsächlich aus.

Versuch 4
Gib Ammoniumchlorid in eine Porzellanschale und erhitze es kräftig. In den Rauch hältst du ein feuchtes, aber nicht tropfnasses Indikatorpapier. Halte es auch direkt über die erhitzte Masse, ohne sie jedoch zu berühren.

Du siehst, dass sich das Papier blau färbt! Wenn es ein Sublimat von NH4Cl wäre, müsste es sich rötlich färben wie bei Versuch 1! Es muss also etwas anderes passiert sein. Das stimmt: Ammoniumchlorid zersetzt sich in der Hitze unter Rückbildung von seinen gasförmigen Bestandteilen.

NH4Cl + Energie ———> NH3 + HCl

Das kann man auch in einem anderen Versuch noch besser zeigen.

Versuch 5
Dieser Versuch erfordert etwas Fingerspitzengefühl!
Fülle in ein trockenes Reagenzglas etwa 1/2 cm hoch Ammoniumchlorid, ohne dass es an der Wand hängen bleibt. Hänge ein langes, feuchtes (aber nicht tropfnasses!) Stück Indikatorpapier etwa 5 cm über das Ammoniumchlorid ins Glas und fixiere es, indem du es oben abknickst.

Nun erhitzt du das Glas an der Spitze mit der kleinstmöglichen Flamme des Bunsenbrenners (siehe Bild links). Halte das Glas dabei senkrecht. Beobachte, wie sich das Indikatorpapier verfärbt. Das kannst du am besten von außen sehen. Achtung: Vermeide, dass es ankokelt!

Es bilden sich rote und blaue Farbzonen aus (siehe Bild rechts).

Hier kocht der Chef wieder einmal persönlich! (Fotos: Daggi)

Dass man verschiedene Farbzonen sieht, liegt daran, dass die beiden Gase Ammoniak und Chlorwasserstoff unterschiedlich dicht sind. Außerdem erhitzt man nicht gleichmäßig genug. Auf jeden Fall wird das Papier zunächst immer blau gefärbt, weil Ammoniak leichter ist als HCl-Gas. Die Farbzonen wandern abwechselnd nach oben.


Was ist Süßholz?
Süßholz (Glycyrrhiza glabra) ist eine mehrjährige Staudenpflanze, die 1 bis 1,5 m hoch wird. Sie kommt im Mittelmeerraum und ähnlichen Klimazonen vor und wird sogar in Plantagen kultiviert. Als Droge dienen ihre Wurzeln und Ausläufer, die man trocknet und zu Lakritz-Pulver verarbeitet. Der Name Süßholz kommt daher, weil sein Inhaltsstoff, das Glycyrrhizin, eine 50fach höhere Süßkraft besitzt als Rohrzucker.


Zum Schluss aber eine Warnung!
Glycyrrhizin ist eine Droge, die vielfältige medizinische Anwendungen besitzt. So löst es den Bronchialschleim und wirkt entzündungshemmend. Glycyrrhizin ist aber auch eine Substanz, die keinesfalls in zu großen Mengen genossen werden darf. Sie weist gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Stresshormon Cortison auf. Das ist u. a. für den Mineralstoffwechsel verantwortlich. Aus diesem Grund vermag Glycyrrhizin den Mineralstoffwechsel zu stören und kann dadurch den Kreislauf stark beeinflussen. Deshalb nicht zuviel Lakritz essen! Das kann Krankheitserscheinungen auslösen, wie sie bei Kalium- und Calciummangel auftreten. Dazu gehört die Störung des Immunapparats und der Blutgerinnung. Aber auch die Übertragung von Nervenimpulsen und die Muskelfunktionen sind gestört. Beim Verzehr besonders großer Mengen an Lakritz soll sogar Osteoporose, also Knochenabbau, eintreten. Die Ärzte sprechen vom "Lakritz-Syndrom".

Auch Ammonium-Ionen wirken in größeren Mengen auf den Kreislauf und auf das Zentralnervensystem; sie können zum Beispiel Hitzewallungen auslösen. Ein Grund mag wohl die physikalisch-chemische Ähnlichkeit der Ionen mit denen des Kaliums sein (gleiche Ladung, gleiche Ionenradien). Aber es gibt auch andere Gründe für die Giftigkeit von zuviel Ammonium. Klicke hier.

Trotzdem guten Appetit!

Hintergründe zum Experiment


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 11. September 2012, Dagmar Wiechoczek