Prof. Blumes Tipp des Monats August 2013 (Tipp-Nr. 194)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Chemie des Glühwürmchens

Jetzt gibt es endlich die warmen Abende. Vielleicht sind Sie jetzt schon einmal in der Dämmerungszeit und in den ersten Nachtstunden am Waldrand entlang gegangen und haben sich über fliegende Funken gewundert. Wenn Sie genau hinsehen, finden Sie auch im Gras leuchtende gelbgrüne Licht-Flecken - viel größer und viel heller als die fliegenden Funken. Das sind die bekannten Glühwürmchen. Die Funken sind die Männchen, im Gras hocken (und locken) die Weibchen. Genau genommen handelt es sich um Käfer, Leuchtkäfer (Lampyris spec.).

Leuchtkäfer kann man auch gepulvert kaufen. Auch diese kann man zum Leuchten bringen - man muss das Pulver nur anfeuchten und eine spezielle Chemikalie hinzugeben: ATP. (Wir erinnern uns; ATP ist die bekannte Energiewährung der Zelle.)

Biologische Energieumwandlungen, die unter Abstrahlung von Licht ablaufen, nennt man Biolumineszenz. Dabei wird die bei einer chemischen Reaktion freigesetzte Energie in Form von Licht abgestrahlt. Der Wirkungsgrad beträgt bei den Leuchtkäfern um die 98 %. Das ist verglichen mit den technischen Leuchtquellen ein sagenhafter Wert. Deshalb fühlen sich die strahlenden Leuchtkäfer auch nicht etwa warm an, anders als die heißen Wolframdrahtlampen mit einem Wirkungsgrad von 5-10 %.

Die Substanz, deren oxidativer Abbau das Licht produziert, heißt Luciferin (lat. lux, Licht, facere, machen). Es handelt sich um eine kompliziert gebaute Carbonsäure.


Der heterozyklische 5-Ring des Luciferins heißt übrigens Thiazol. In diesem Wort stecken die Silben Thio für Schwefel und Aza für Stickstoff.


Vergleich mit Luminol
Luciferin hat eine entfernte Ähnlichkeit mit Luminol (2-Amino-o-phthalsäure-hydrazid). Deren blaugrünes Leuchten kennt wohl jeder aus den chemischen Wunderstunden. Einmal handelt es sich um Oxidationen, bei der das jeweilige Substrat partiell abgebaut wird. Oxidationsmittel ist bei Luminol Wasserstoffperoxid, bei Luciferin Sauerstoff. Die wichtigste Parallele aber ist, dass beide Reaktionen die Mitwirkung eines Katalysators erfordern. Bei Luminol ist dies Rotes Blutlaugensalz oder ein anderer, ein biochemischer Eisenkomplex, der Blutfarbstoff Hämin. Bei Luciferin wirkt das Enzym Luciferase.


Reaktionsmechanismus
Zunächst wird Luciferin mit ATP umgesetzt; dabei wird ein Diphosphat-ion abgespalten. Es entsteht Luciferyl-Adenylat, dessen Bindung zwischen AMP und Luciferin eine hohe Energie besitzt.


Als Säureanhydrid ist dieses Molekül stark aktiviert. So ist es bereit, molekularen Sauerstoff zu binden. Dabei entsteht der bekannte Lichtblitz. In einem weiteren Schritt werden parallel AMP und CO2 abgespalten. Zurück bleibt Oxyluciferin.


Diese Substanz wird nicht etwa ausgeschieden, sondern zu frischem Luciferin recycelt. Damit haben wir es hier mit einem echten Kreisprozess zu tun. Auf diese Weise steht dem Glühwürmchen für seine kurze Lebensdauer von einigen Wochen genügend Leuchtmaterial zur Verfügung.

Hier ist kurz zusammengefasst der ganze Mechanismus der Luciferin-Luciferase-Reaktion:


Vom wissenschaftlichen Nutzen der Luciferin-Luciferase-Reaktion
Leuchtkäferextrakte sind wichtig für die biochemische Forschung. So kann man sogar die Konzentration von ATP im Picomolbereich (10-12 Mol) ermitteln: Pro Molekül ATP gibt es einen Lichtblitz. Man muss nur die Lichtblitze zählen, um die Konzentration von ATP in einer Probe zu messen. Das macht man mit speziellen Geräten, die so ähnlich gebaut sind wie die Szintillationszähler. Mit denen misst man normalerweise die schwachen Lichtblitze, die in fluoreszierenden Kristallen auftreten, wenn sie von radioaktiver Strahlung getroffen werden.

Dem Vernehmen nach soll sogar die NASA bei ihren Expeditionen zum Mars die Luciferin-Luciferase-Reaktion einsetzen, um ATP-abhängige Lebensspuren auf dem Planeten nachzuweisen.

Man kann sogar das Gen, das für die Luciferase-Biosynthese zuständig ist, in Pflanzen (und anderen Organismen) einschleusen. Wenn man dann diese Pflanzen mit Luciferin-Lösung behandelt, fangen sie wie ein Glühwürmchen an zu leuchten. Damit kann man zum Beispiel genetisch veränderte Organismen markieren.


Last but not least
Leuchtkäfer verschönern nicht nur unsere Sommerabende, sondern sie sind auch noch nützlich: Ihre Larven leben von Schnecken.

Rüdiger Blume

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Letzte Überarbeitung: 30. Juli 2013, Dagmar Wiechoczek