Prof. Blumes Tipp des Monats November 2008 (Tipp-Nr. 137)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Zur Entzündungstemperatur eines Streichholzes

Manchmal ist eine Anfrage zu einem missglückten Versuch Anlass für einen Tipp des Monats. Hier ist so ein Fall:

Heute habe ich mit meinen Schülern die Entzündungstemperatur eines Streichholzkopfes gemessen. Wir erhielten einen Wert von 222 Grad Celsius, der sehr stark vom Literaturwert 60 Grad Celsius in einem Ihrer Chemiebücher abweicht. Handelt es sich bei der Angabe um einen Druckfehler, wurde nach einer anderen Methode gemessen oder gibt es derartig unterschiedliche Streichhölzer?

Die Fragende hat sicherlich eine schöne Messung gemacht, diese ist aber im Ansatz nicht richtig gelaufen. Die Entzündungstemperatur liegt tatsächlich wesentlich niedriger, also bei 60 °C.

Könnte man sonst Streichhölzer durch leichtes Reiben an der Reibfläche der Streichholzschachtel entzünden?

Bild 1 (Foto: Blume)


Die Entzündung beruht auf dem Zusammenwirken in einem Zweikomponentensystem (das wir hier „Zündholzsystem“ nennen wollen…), dem Kopf und der Reibfläche. Und nicht auf einer Reaktion im Zündholzköpfchen allein!


Der Aufbau eines Zündholzsystems
Im Zündkopf sind neben einigen brennbaren Stoffen wie Schwefel oder Antimonsulfid (ca. 5 Masse%) vor allem die Oxidationsmittel (ca. 50-60 Masse%) für die Entzündung enthalten (vor allem Kaliumchlorat und Kaliumnitrat). Dazu kommen katalytisch wirkende Aktivatoren wie Braunstein oder Kaliumchromat. Enthalten ist auch Glaspulver. Bindemittel (z. B. Dextrin oder Gummi arabicum) halten das Ganze zusammen.

Auf der Reibfläche der Schachtel befindet sich roter Phosphor, manchmal ebenfalls vermischt mit feinem Glaspulver.

Noch etwas zum Holz: Damit dieses nicht so rasch abbrennt und auch nicht zu lange nachglüht, hat man Brandverzögerer zugegeben. Das sind anorganische Salze, die leicht zersetzbar sind, wobei sie Energie verbrauchen, welche sie dem sich selbst aktivierenden Brandgeschehen entziehen. Ein Beispiel ist Ammoniumphosphat.

4 (NH4)2HPO4 + Energie ———> 8 NH3 + 6 H2O + P4O10


Die Entzündungsreaktion
Zur Aktivierung der stark exothermen Entzündungsreaktion, die anschließend das Holz des Zündhölzchens in Brand setzt, reicht die Reibungswärme auf der glaspulverhaltigen Reibfläche aus. Dann läuft die folgende Reaktion (schematisch!) ab:

(KClO3/KNO3) + P(rot) ———> (KCl/KNO2) + P-Oxide + Energie

Diese stark exotherme Reaktion entwickelt die Aktivierungsenergie zur Einleitung der Zündung der Schwefelverbindungen und anschließend des Holzes.

Wenn Sie nun, was Sie auch sagen, die Entzündungstemperatur ausschließlich von Streichholzköpfchen untersucht haben, so haben Sie nachgewiesen, dass bei ca. 220 °C die Zersetzungstemperatur von Kaliumchlorat und -nitrat erreicht ist. Diese setzen Sauerstoff frei, der bei dieser hohen Temperatur zunächst mit im Köpfchen enthaltenen Sulfid- bzw. Schwefelspuren, anschließend mit den organischen Bindemitteln reagiert und dann vielleicht sogar auch das Holz anzündet.

Ihr "Fehler" ist also, dass Sie nicht berücksichtigt haben, dass beim Streichholzentzünden tatsächlich eine ganz andere Reaktion abläuft, als nur die Zersetzung der Oxidationsmittel.

Wenn Sie den Versuch auf richtige Art und Weise machen wollen, lesen Sie die folgende Vorschrift. Allerdings weise ich darauf hin, dass der Versuch viel chemisches Fingerspitzengefühl erfordert und nicht immer gelingt.

Versuch: Ermittlung der Entzündungstemperatur von Streichhölzern
Schutzbrille! Für Splitterschutz sorgen (Versuch zum Beispiel hinter geschlossenen Abzugfenstern laufen lassen)!

Achtung: Der rote Phosphor wird im Vorratsgefäß aus Sicherheitsgründen feucht gehalten. Man spricht von „Phlegmatisierung“. Deshalb muss man diesen vorher einige Tage in einem Exsikkator über konzentrierter Schwefelsäure oder Kaliumhydroxid trocknen!

Wir trennen die Zündmasse von 5-10 Streichholzköpfchen ab und zerkleinern sie gut in einem Mörser. Diese Masse wird mit etwas gut getrocknetem und feinstzerteiltem, roten Phosphor gemischt. Auf keinen Fall darf diese Mischung gemörsert werden! Das Mörsern kann das Gemisch in Brand setzen!

Wir geben das Ganze in ein Reagenzglas, auf das wir einen nicht aufgeblasenen Luftballon setzen. Den befestigen wir mit einem Bändchen. Der Luftballon ist nötig, damit wir einen von der Außenluft abgeschlossenen Raum mit der Möglichkeit zum Gasdruckausgleich bekommen.

Die Mischung wird langsam hochgeheizt – zum Beispiel in einem Ölbad. Dabei messen wir die Temperatur des Ölbads. Wir müssen warten, bis sich auch das Gemisch im Reagenzglas erhitzt!

Die Reaktionsmischung darf auf keinen Fall direkt über der Brennerflamme erhitzt werden! Explosionsgefahr!

Ergebnis:
Wenn alles richtig gemacht wurde, entzündet sich das Gemisch ab etwa 60-70 °C.

Die Verbrennungsreaktion der Inhaltsstoffe des Streichholzköpfchens (Schwefel sowie Antimonssulfid) kann man vereinfacht so formulieren:


Ein Blick in die Geschichte
Früher sprach man auch von „Schwefelhölzchen“ - wie zum Beispiel der dänische Erzähler Christian Andersen in seinem anrührenden Märchen „Das kleine Mädchen mit den Zündhölzchen“. Das Mädchen streicht seine Hölzchen merkwürdigerweise an der Mauer neben sich an. Das bedarf einer Erklärung.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, dass man früher tatsächlich zur Herstellung von Streichhölzern Kaliumchlorat mit weißem oder rotem Phosphor sowie mit Schwefel gemischt hat. Solche "Phosphorhölzchen" waren nicht nur leicht entzündlich, sondern darüber hinaus noch extrem giftig! Auch heute noch heißen Streichhölzer in Portugal fósforos.

Bild 2: Küchenaccessoire aus Portugal
(Foto: Blume)


Ähnliche Streichhölzer gab es langezeit noch in Italien zu kaufen. Die konnte man an beliebigen Stellen entzünden – zum Beispiel ganz cool an der Schuhsohle. (Nach Einführung der Sicherheitshölzer haben wir uns als Schüler eine Reibfläche unter den Schuh geklebt…)

Jeder Raketenbastler weiß, dass Kaliumchlorat zusammen mit Phosphor ein höchst brisantes Gemisch darstellt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Streichhölzer zur Selbstentzündung neigten und tatsächlich auch in heißen Räumen hochgingen. Erst mit der Trennung von Oxidationsmittel und Phosphor gelangte man zu den "Sicherheitshölzern", die uns heute in der Hosentasche oder im heißen Auto gefahrlos begleiten.

Heute gibt es davon eine riesige Produktpalette, bei der vor allem die Farbigkeit der Köpfchen besticht…

Bild 3 (Foto: Blume)


Zur unterschiedlichen Farbe von „modernen“ Streichholzköpfchen lies auch die Frage 740

Übrigens kann man Zündhölzer auch selber herstellen. Allerdings bin ich davon kein Freund, weil man mit Bleidioxid arbeitet und dieses beim Zünden zur Entwicklung von viel bleihaltigem Rauch führt.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 12. März 2014, Dagmar Wiechoczek