Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 2004 (Tipp-Nr. 90)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Fiat Lux - Experimente mit dem Lichtträger Weißer Phosphor

Vorneweg
Man darf in der Schule nicht mehr mit weißem Phosphor experimentieren. Außerdem kann man überhaupt keinen weißen Phosphor mehr kaufen. Der wird aus Sicherheitsgründen schlicht nicht mehr angeboten. Das ist sogar für Universitäts-Institute, die sich der Erforschung des Elements Phosphor verschrieben haben, zu einem Problem geworden.

Deshalb könnten wir den Tipp einfach herausnehmen. Aber sehen Sie diesen Tipp als Info dazu, was man mit weißem Phosphor alles machen könnte.

Zum Schluss des Tipps haben wir noch eine aktuelle Meldung, die zeigt, dass man immer noch mit weißem Phosphor konfrontiert werden kann.


Im Dezember ist es draußen früh dunkel und es wird spät hell. Es ist also Zeit, etwas Licht in den trüben Schulalltag zu bringen. In Schweden gibt es dazu am Morgen eines jeden 13. Dezember den Brauch, mit einem Kerzenkranz im Haar an die Heilige Lucia zu erinnern. Das ist nicht ungefährlich. Aber von Lucia weiß man, dass sie der Versuch, sie in Sizilien im Jahre 304 zwecks Hinrichtung anzuzünden, wegen offensichtlicher Unbrennbarkeit kalt ließ. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie Vorbild für die schwedischen Kerzenträgerinnen geworden ist.

Wir hingegen zaubern das Licht mit Phosphor herbei. Der Name kommt vom griechischen phosphorus, Lichtträger oder genauer von phos, Licht und pherein, tragen. (Jeder kennt wohl den Christophorus; Träger des Christkinds.)

Entdeckt wurde der Phosphor von dem Alchimisten Hennig Brand, als der 1669 bei der Suche nach dem "Stein der Weisen" sinnvollerweise seinen Harn untersuchte. Er dampfte diesen ein. Die Rückstände (von seinem Körper selbst hergestellte organische Verbindungen sowie Phosphat) erhitzte er unter Luftabschluss in einem Kolben. Der dabei durch Reduktion aus Phosphat entstandene weiße Phosphor brachte die gläserne Apparatur zum Leuchten.

Bevor wir mit dem Experimentieren beginnen, gibt es einen Wermutstropfen:

Achtung! Weißer Phosphor ist ein starkes Gift. Er vereinigt außerdem alle denkbaren schlimmen Gefahrensymbole: (T+, F, C, N).
Alle Versuche sind deshalb Lehrerversuche. Handschuhe verwenden!
Beim Experimentieren mit weißem Phosphor ist eine Kupfersulfatlösung (w = 1 %) bereitzustellen, da diese den weißen Phosphor als braunes Kupferphosphid Cu3P bindet und unschädlich macht.


Man muss bei den im weiteren Text vorgestellten Versuchen übrigens keine Angst haben: Damit kompakte Stücke von weißem Phosphor anfangen zu brennen, bedarf es einer Temperatur von über 50 °C. Anders ist es jedoch bei feinster Verteilung, etwa beim Eindampfen einer Lösung von weißem Phosphor. Bei der resultierenden feinen Verteilung reicht schon die Zimmertemperatur zum Entzünden aus (siehe Versuch 6).

Ein Hinweis aus gegebenem Anlass: Wenn Sie ein Stück Phosphor an der Luft einige Minuten lang liegen lassen, entzündet sich der trotzdem - auch wenn die Luft-Temperatur weit unter 50 °C liegt. Grund: Phosphor reagiert natürlich mit dem Luftsauerstoff. Die Reaktionswärme heizt das Stück so weit auf, dass an der Oberfläche die 50 °C-Marke locker erreicht wird! Da hilft nur rasches Einwerfen in Wasser! Sonst nebelt der brennende Phosphor den Klassenraum rasch ein!

Brand hat den Phosphor durch scharfes Erhitzen von Rückständen, die er beim Eindampfen von Urin erhielt, hergestellt. Dazu musste er als Reduktionsmittel Holzkohlenpulver und außerdem zur Schlackenbildung bzw. zum Verhindern des Zusammensinterns Sand und zerstoßene Tonscherben zumischen. Der Zusatz von Zinkoxid oder Bleioxid bzw. Bleichlorid förderte den Vorgang.

Wenn wir versuchen, Brands Versuch in der Schule nachzuvollziehen, haben wir kaum Erfolg. Das große Problem ist nämlich die über längere Zeit zu unterhaltende Hitze, die für die Bildung von Phosphor unerlässlich ist. Aus diesem Grunde nutzt man als Hitzequelle einen elektrischen Lichtbogen. Übrigens stellt man Phosphor heute technisch auf ähnlichem Weg her. Als Phosphorquelle dienen verschiedene Calciumphosphate wie das Mineral Apatit. Darüber berichten wir auf einer besonderen Webseite.

Weißer Phosphor wird unter Wasser aufbewahrt, da er an der Luft sofort anfängt zu reagieren. Es bilden sich Phosphoroxide, die weiße Feststoffe sind. Auf keinen Fall darf man den Phosphor in Petroleum geben! Zur Erinnerung: Das macht man nur mit den Wasser-empfindlichen Alkali- und Erdalkalimetallen.

Bild 1 (Foto: Daggi)


Versuch 1: Warum weißer Phosphor unter Wasser aufbewahrt wird
Man nimmt mit einer Zange oder großen Pinzette ein Stück Phosphor aus dem Vorratsgefäß und demonstriert, dass es an der Luft nach kurzer Zeit anfängt, weißen Rauch zu entwickeln. Anschließend gibt man es in eine Porzellanschale mit etwas destilliertem Wasser. Das Qualmen hört sofort auf.

Leider bildet Phosphor nach längerer Zeit im Wasser eine dunkle Kruste, die aber die weiteren Versuche nicht stört.


Woher kommt das Leuchten des weißen Phosphors?
Es handelt sich um Lichtenergie, die bei seiner langsamen Oxidation freigesetzt wird. Man spricht wegen der Namensgleichheit zwar gern von "Phosphoreszenz", liegt hier aber mit dem Begriff Chemolumineszenz richtig. (Phosphoreszenz ist das länger anhaltende Nachleuchten nach Bestrahlung von Gegenständen - sozusagen die Langzeitvariante der rasch abklingenden Fluoreszenz.)


Bild 2: Leuchten von Phosphor (Foto: Daggi)


Versuch 2: Leuchten von Phosphor
In einem völlig abgedunkelten Raum kann man nach Adaption der Augen sehr schön das Leuchten des weißen Phosphors zeigen. Dieser muss dabei Kontakt mit der Luft erhalten. Man nimmt deshalb ein Stück aus dem Wasser, fasst es mit einer Zange und hält es zum Betrachten in die Höhe.
Danach gibt man das Stück zurück ins Wasser.

Besonders deutlich wird das Leuchten, wenn man mit einem Stück Phosphor, das man in ein feuchtes Tuch eingewickelt hält, an die Tafel schreibt (z. B. das Wort "Phosphor"). Aber Vorsicht: Das halten nicht alle Tafeln aus!


Genau genommen wird der weiße Phosphor zunächst unter Wärmefreisetzung zu Phosphortrioxid P4O6 oxidiert. Die beobachtete Chemolumineszenz erfolgt erst bei der Weiterreaktion zu Phosphorpentoxid P4O10.

P4 + 3 O2 ———> P4O6 + Wärme

P4O6 + 2 O2 ———> P4O10 + Licht

Zur Herleitung dieser Reaktionsgleichungen muss man wissen, dass die chemische Formel von weißem Phosphor P4 ist. Seine Moleküle sind (wie auch die der Oxide) tetraedrisch aufgebaut.

Obgleich der weiße Phosphor wachsartig weich aussieht, ist er erstaunlich hart!

Versuch 3: Schneiden von weißem Phosphor
Man muss den Phosphor unter Wasser schneiden. Dazu benutzt man ein starkes und scharfes Messer und hält dabei das Stück mit einer Pinzette oder Tiegelzange kräftig fest. Man schneidet zwei etwa erbsengroße Stücke ab und legt sie in eine Schale mit destilliertem Wasser.

An der frischen Schnittstelle erkennen wir, dass der weiße Phosphor eigentlich besser "gelber Phosphor" genannt werden sollte. Seine Farbe ist nämlich honigartig.


Bild 3 (Foto: Daggi)


Weißer Phosphor löst sich in Tetrachlorkohlenstoff oder Schwefelkohlenstoff.

Versuch 4: Lösen von weißem Phosphor
Man bereitet ein Reagenzglas oder einen kleinen Erlenmeyerkolben (25 ml) mit 10 ml Schwefelkohlenstoff (F+, T) vor. In diesen wirft man ein Stückchen Phosphor und löst es unter Umschwenken auf. Dann wird die Lösung mit einem Stopfen verschlossen.

Mit dieser Lösung kann man einen schönen Versuch machen.

Versuch 5: Spontane Entzündung von weißem Phosphor
Man befestigt ein großes Filterpapier oder ein anderes saugfähiges Papier mit einer Klammer an einem Stativ, stellt darunter ein großes Gefäß mit Kupfersulfatlösung und gießt vorsichtig soviel Phosphorlösung auf das Papier, bis es vollgesogen ist. Zuviel aufgetragene Lösung tropft in die Schale mit der Kupfersulfatlösung.

Achtung: Bekommt man Lösung an die (Gummi)Finger, diese sofort in die Kupfersulfatlösung tauchen und dann abspülen! Ein Phosphorbrand auf der Haut führt zu tiefgreifenden Verletzungen!

Ergebnis
Nach Verdunsten des Schwefelkohlenstoffs entzünden sich Phosphor samt Papier spontan.

Entsorgung
Die nicht genutzte Lösung sowie das Reagenzglas gibt man in die Kupfersulfatlösung.

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Bild 4 (Fotos: Daggi)
Hierzu gibt es einen Film (3 MB)
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Es gibt mehrere Modifikationen des Phosphors
Die bekannteste ist der makromolekulare rote Phosphor, mit dem unter anderem die Reibflächen der Zündholzschachteln imprägniert sind. Man kann mit ihm unbesorgt experimentieren, denn er wird herstellerseitig mit stabilisierenden Zusätzen versehen. Leider wird er bei unsachgemäßer Aufbewahrung langsam oxidiert, wobei dann Oxide entstehen, die zudem noch hygroskopisch sind, so dass roter Phosphor im Schullabor häufig feucht ist. Will man mit ihm experimentieren, muss man ihn vorher trocknen - zum Beispiel in einem Exsikkator über konzentrierter Schwefelsäure, über Phosphorpentoxid oder über Kaliumhydroxid (Ätzkali; festes KOH) (C).

Roter Phosphor ist stabiler als seine weiße Modifikation. Deshalb ist er auch nicht giftig. Aus dem gleichen Grunde fängt er auch nicht schon bei Zimmertemperatur an zu brennen. Die unterschiedlichen Reaktivitäten kann man mit dem folgenden Versuch zeigen:

Versuch 6: Vergleich der Reaktivität von Phosphormodifikationen
Man legt ein maximal 10 cm langes Eisenblech auf einen Dreifuß. Damit keine Wärme vom zu erhitzenden Blech abgeleitet wird, legt man zwischen Dreifuß und Blech zur Isolierung zwei Stückchen Kreide (siehe folgende Bilder).
Dann häufelt man auf das eine Ende des Blechs zunächst eine Spatelspitze trocknen roten Phosphors und legt anschließend auf das andere Ende ein erbsengroßes Stück weißen Phosphors. Letzteres wird zuvor mit einem Papiertuch abgetupft, um anhängendes Wasser zu entfernen.
Nun erhitzt man das Blech zwischen den beiden Proben mit der entleuchteten (rauschenden) Flamme eines Bunsenbrenners.

Ergebnis
Als erstes entzündet sich der weiße Phosphor und brennt mit heißer, hellgelber Flamme ab. Deutlich später entzündet sich auch der rote Phosphor, um dann wesentlich moderater abzubrennen.

 

Bild 5 (Fotos: Daggi)


Übrigens wurden die Streichhölzer früher auf der Basis von weißem Phosphor hergestellt. Das waren richtige Totmacher. Sie waren nämlich sehr giftig und neigten außerdem dazu, sich spontan zu entzünden (in warmen Gegenden auch in der Hosentasche!). Das hörte auf, als man die Sicherheitshölzer auf der Basis von rotem Phosphor erfand. Davon aber in einem späteren Tipp!


Ein Blick in die Kriminalistik
Wegen seiner Giftigkeit und auch aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit nutzten früher viele Schurken weißen Phosphor - zum Beispiel zur Abkürzung von langwierigen Erbschafts-Anwartschaften.
Zum kriminalistischen Nachweis solcher böser Taten erhitzte man den Mageninhalt (zuvor gewonnen durch Magenauspumpen oder durch einen kunstvollen Bauchschnitt) in einem Kolben mit aufgesetztem, langem Glasrohr. Wenn sich in dem Glasrohr rasch ein Leuchten einstellte, war das der Hinweis auf eine Vergiftung durch weißen Phosphor. (Der Mageninhalt durfte allerdings nicht wie bei Brands Versuch zur Trockne erhitzt werden!) Das ist eines der Beispiele für die forensische Chemie.


Vorsicht beim Bernsteinsammeln: Es kann sich auch um weißen Phosphor handeln!
An Ostseestränden wird immer wieder weißer Phosphor angeschwemmt. Der Grund: Nach dem Krieg wurden Phosphorkanister in der Ostsee versenkt. Die Metallbehälter korrodieren im Salzwasser und setzen auf diese Weise ihren giftigen und brennbaren, in Wasser nicht löslichen Inhalt frei. Das reale Gefahrenpotential verdeutlicht eine aktuelle Zeitungsmeldung von 2014:

Ein Steinsammler hat an der schleswig-holsteinischen Küste einen Brocken weißen Phosphors für einen Bernstein gehalten und in die Hosentasche gesteckt. Nach kurzer Trocknungszeit entzündet sich der Phosphor und setzt die Kleidung des Manns in Brand. Der Mann wird schwer verletzt. Das Landeskriminalamt weist noch einmal ausdrücklich auf die Gefahren für Bernsteinsammler hin.

Die „weiße“ Modifikation des Phosphors ähnelt dem Bernstein:
- Seine Dichte ist mit d = 1,82 g/cm3 vergleichsweise gering.
- Obwohl man von weißem Phosphor spricht, ist er eher gelb und erinnert frisch geschnitten an festes Bienenwachs.
- Weißer Phosphor ist von einer bräunlichen Rinde umgeben.

Seine geringe Dichte sorgt dafür, dass er im Meerwasser treibt, allerdings unter der Wasseroberfläche. Das hat zur Folge, dass er sich nicht entzünden kann.



Entsorgungsmaßnahmen
Alles, was mit weißem Phosphor in Kontakt gekommen ist oder sein könnte (Wasser in der Porzellanschale zum Schneiden, Messer, Pinzette, Reagenzglas zur Lösungszubereitung, überschüssige Lösung etc.) wird mit 5-10%iger Kupfersulfatlösung abgespült. Die Lösung lässt man noch einen Tag stehen und entsorgt sie dann in den Schwermetallabfall.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 28. Januar 2014, Dagmar Wiechoczek