In einem Zeitungsbericht war kürzlich zu lesen, dass Kinder in einer Grundschule Experimente zu den Vier Elementen durchgeführt haben. Vielleicht haben sie auch den folgenden Merksatz im Heft („Forscherbuch“) stehen: Die Elemente sind Luft, Wasser, Erde und Feuer. (Statt „Erde“ sollte man eigentlich „Erdboden“ sagen, denn beim Stichwort „Erde“ denkt man automatisch an die Gesamtheit unseres Heimatplaneten.) Das folgende Bild zeigt eine besonders gelungene, moderne Darstellung dieser Vier Elemente. Bild 1: Die Vier Elemente als großer Puzzle-Baukasten©
Dieser „Große Vier Elemente Baukasten ©“ ziert übrigens auch unser Haus. Er wird von Gästen und Enkelkindern bewundert und ausgiebig zum Puzzlelegen sowie als Baukasten genutzt. Überrascht sind alle von der geradezu künstlerischen Verwebung der klassischen Vier Elemente sowie von der ausgewogenen Farbigkeit. Das wäre doch ein schönes Weihnachtsgeschenk!
Zum Element Erde rechnete man alles, was fest war, also beispielsweise Oxide (die Erden), Metalle, Holz und Salze. Alle Flüssigkeiten wurden unter dem Begriff Wasser zusammengefasst. Aqua vitalis war Alkohol (daher Aquavit), Salpetersäure war das Scheidewasser (in Frankreich eau fort, starkes Wasser). Mit Luft bezeichnete man alle Gase. So gab es die vitriolische Luft (Schwefeloxide) und die brennbare Luft (Wasserstoff). Die erstickende Luft waren Kohlenstoffdioxid oder Stickstoff. Sauerstoff war die zu atmende Luft. Diese drei Elemente sind allesamt stofflicher Natur. Wie aber kann man das immaterielle Feuer in die Reihe der Vier Elemente einordnen? Heute wissen wir zwar, dass Flammen glühende Gase sind. Besser definieren wir Feuer zunächst ganz modern als freiwerdende oder zuzuführende Energie. Die gängige Lehrmeinung war, dass man alle Stoffe aus den Vier Elementen herstellen konnte. Dazu brauchte man die stofflichen der Vier Elemente nur miteinander zu mischen und unter Mitwirkung des Feuers reagieren zu lassen. Dazu brauchte man oft so etwas wie den Stein der Weisen. (Wir würden heute wohl von einem Katalysator sprechen…) Das Wissen darüber hüteten jedenfalls die Alchimisten. Die Vier Elemente sollten folgende Eigenschaften besitzen:
Richtig war, dass man mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Vier Elementen durchaus auch einige Erscheinungen und Vorgänge („Phänomene“) der Natur erklären konnte:
Wir beschreiben die Phlogiston-Theorie anhand der Redox-Reaktionen des Quecksilbers. Zunächst sei gezeigt, wie die moderne Chemie diese Abläufe auffasst. Das chemische Element Quecksilber bildet in Gegenwart des chemischen Elements Sauerstoff die chemische Verbindung Quecksilberoxid: Erhitzt man dieses Quecksilberoxid, so bilden sich die chemischen Elemente Quecksilber und Sauerstoff zurück. Stahl deutete nur dem äußeren Anschein folgend diese Reaktion völlig anders als wir heute, indem er die Dinge quasi auf den Kopf stellte: Er sah im metallischen Quecksilber einen zusammengesetzten Körper, nämlich eine Verbindung mit einem hypothetischen Stoff, den er Phlogiston nannte (griech. phlogistos, verbrannt). Beim Verbrennen des metallisch-glänzenden Quecksilberphlogistons entweicht der Phlogiston-Teil, wobei orangefarbener Quecksilberkalk entsteht. Der Quecksilberkalk war nach allgemeiner Ansicht eine Erde. Damit war er ein klassisches „Element“ und musste folglich ein einfacher Körper sein. Bei der Reduktion reagiert Phlogiston mit dem „einfachen Körper“ Quecksilberkalk zurück zu dem „zusammengesetzten Körper“ Quecksilberphlogiston. Man muss Stahl zugute halten, dass er noch nicht die Rolle des beteiligten Sauerstoffs als „Feuerluft“ kannte. Ja, es ist sogar anzunehmen, dass er sich gar nicht bewusst war, dass bei der Verbrennung so etwas wie die Luft, die man ansonsten atmete, beteiligt sein könnte! Diese Theorie hat lange Zeit dafür gesorgt, dass die Chemie nicht in die Gänge kam. Das war erst möglich, als das Phlogiston durch A. L. de Lavoisier ad absurdum geführt werden konnte, indem er es als überflüssiges Gedankenkonstrukt entlarvte. Er deutete als erster das klassische „Element“ Wasser als Oxid, also als eine Verbindung, die sich aus zwei chemischen Elementen bildet, die dazu noch Gase sind. Hier ist ein Vergleich mit der Vier-Säfte-Theorie angebracht.
Mit der Zeit merkten unabhängige Geister jedoch, dass Beschreibung und Erklärung der vielfältigen natürlichen Phänomene mehr verlangte als das Nachdenken über die begrenzten Eigenschaften der Vier Elemente und deren Kombination. Im 18. Jahrhundert entwickelten Chemiker einen völlig neuen Elementbegriff, der heute noch gilt: Ein Element ist ein Stoff, der durch chemische Aktivität nicht weiter zerlegt werden kann. Um diese Art von Elementen von den Vier Elementen abzugrenzen, nennt man sie Chemische Elemente. Einige Beispiele für chemische Elemente kennt sicherlich jeder: Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Aluminium, Sauerstoff, Wasserstoff, Chlor, Schwefel, Kohlenstoff (...) Im Unterschied zu dem griechischen Geisteskonstrukt der Vier-Elemente-Lehre beruht die Definition der chemischen Elemente auf praktischen Erfahrungen und ist durch vielfach wiederholte Experimente untermauert worden.
Dass es überhaupt so viele Verbindungen gibt, liegt daran, dass es viel mehr Elemente gibt als die Griechen annahmen, statt vier nämlich über einhundert! Klicke hierzu das Periodensystem der chemischen Elemente an.
Hinzu kommt noch der wohlgemeinte und sicherlich löbliche Versuch, Naturwissenschaften in Kindergarten und Grundschule zu vermitteln. Da es sich bei den Lehrpersonen oft genug um naturwissenschaftsdidaktisch Ungeschulte handelt, kann es zu Entgleisungen wie zur Einführung in die Vier-Elemente-Lehre kommen. Einige Schüler werden später sicherlich kräftig daran knabbern müssen, wenn sie erfahren, dass man mit dem Begriff „Element“ heute etwas völlig anderes meint, als man ihnen in Kindergarten oder Grundschule beigebracht hat… So ganz sollte man auf den alten Element-Begriff auch nicht verzichten. So könnte man ohne dessen Kenntnis Filme wie „Illuminati“ (mit Tom Hanks) nicht verstehen…
Wer zur Entstehung des modernen Elementbegriffs Ausführlicheres erfahren möchte, sollte hier nachlesen: [1] H. Schönemann: Von alten und neuen Elementen - Wasser wird als Oxid entlarvt.
Rüdiger Blume
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