Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats April 2016 (Tipp-Nr. 226)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


„Weißer Tod“ aus rotem Phosphor

Wolfram Keil

Mit der weißen (tatsächlich eher gelben) Modifikation des Phosphors kann man faszinierende Experimente machen. Darüber haben wir in einem besonderen Tipp des Monats berichtet.

Da die tödliche Dosis des weißen Phosphors in etwa der des aus Krimis bekannten Kaliumcyanids (Cyankali) entspricht, ist das Experimentieren mit weißem Phosphor seit einiger Zeit in der Schule verboten. Noch vorhandene Restbestände sollten über eine Fachfirma entsorgt werden.

Die Selbstentzündlichkeit und Chemolumineszenz von weißem Phosphor sind jedoch viel zu faszinierende Eigenschaften, um sie nur noch auf Bildern oder Videos zu zeigen. Für beide Versuche genügen glücklicherweise jeweils Stoffmengen im Milligrammbereich.

Eine elegante Möglichkeit, Experimente mit sehr giftigen Stoffen zu zeigen, ohne dabei gesetzliche Vorgaben zu übertreten, ist die Herstellung und der sofortige Verbrauch kleinster Stoffmengen im Rahmen eines Lehrerdemonstrationsversuchs.

Als Ausgangsstoff für die folgende Herstellung einer Kleinstmenge weißen Phosphors kann der ungiftige rote Phosphor aus der Sammlung oder - wenn nicht vorhanden - der rote Phosphor aus der Reibfläche einer Streichholzschachtel genutzt werden.

Phosphor tritt in verschiedenen Modifikationen (weiß, rot, violett, schwarz...) auf, die technisch alle aus weißem Phosphor hergestellt werden. Schon durch einfaches Erhitzen gelingt die (Rück)Umwandlung der roten in die weiße Modifikation. Beim Verdampfen bilden sich tetraedrische Moleküle aus vier Phosphoratomen, die an den kälteren Teilen des Reaktionsgefäßes wieder als weißer Phosphor kondensieren.

Mit diesem Kondensat können wir nun die beiden beeindruckendsten Eigenschaften des weißen Phosphors - die Selbstentzündlichkeit und die grüne Chemolumineszenz - zeigen.


Versuch: Herstellung von weißem Phosphor in Kleinstmengen
Für diesen Versuch im Mikro-Maßstab ist ein Standard-Reagenzglas zu groß. Daher stellen wir uns aus gläsernen Pasteurpipetten durch Abschmelzen des unteren verengten Teils Mikro-Reagenzgläser her.

Klick mich an!

Bild 1: Abschmelzen der Pasteurpipette
(Foto: Keil)


Mit Hilfe eines Mikrospatels geben wir eine sehr kleine Menge trockenen roten Phosphor in das (abgekühlte) Mikro-Reagenzglas. (Hinweise zum Trocknen von - über die Jahre feucht gewordenem - roten Phosphor folgen weiter unten.)
Alternativ schabt man mit einem scharfen Messer eine der beiden rotbraunen Reibflächen einer Streichholzschachtel ab und überführt sie in das Minireagenzglas. Dieses Stoffgemisch besteht zwar geschätzt nur zur Hälfte aus rotem Phosphor, aber die weiteren Bestandteile Glasmehl und eine kleine Menge Bindemittel stören die gewünschten Reaktionen nicht.
In das so vorbereitete Minireagenzglas schiebt man nun ein Wattestäbchen so tief hinein, dass zwischen dem roten Phosphor und dem Wattebausch ein Hohlraum von etwa 2 cm Länge verbleibt. Ideal sind einseitige Wattestäbchen mit einem längeren Holzstiel, die man in Apotheken oder im Internet erhält. Man kann sie sich natürlich auch aus etwas Watte und einem Glimmspan selbst herstellen. Normale doppelseitige Wattestäbchen sind leider etwas kurz und daher schlechter handhabbar.

Klick mich an!

Bild 2: Links Geräte und Chemikalien und alternative Phosphorgewinnung (rechts)
(Fotos: Keil)


Als Ersatz für eine Reagenzglasklammer kann wenn nötig eine kleine Holzwäscheklammer eingesetzt werden. Beim nun folgenden Erhitzen mit einem Jet-Flame-Feuerzeug oder einem Mikrobrenner geht der rote Phosphor nach wenigen Sekunden direkt vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand über und kondensiert vor und an der Spitze des Wattestäbchens in seiner gelblichen (weißen) Modifikation.

Klick mich an!

Bild 3: Links Kleinstmenge des roten Phosphors und Bildung des weißen Phosphors (rechts)
(Fotos: Keil)


Zieht man nun das Wattestäbchen zügig aus dem Minireagenzglas, flammt der fein verteilte weiße Phosphor beim Kontakt mit dem Luftsauerstoff auf und entzündet die Spitze des Wattestäbchens.

Klick mich an!

Bild 4: Selbstentzündung des weißen Phosphors
(Foto: Keil)


Dunkelt man den Raum gründlich ab, kann man auch die Chemolumineszenz des weißen Phosphors als grünes Leuchten beobachten. Dazu muss man für die Zufuhr von Sauerstoff in kleinen Mengen sorgen. Dies gelingt durch schnelles Hin- und Herschieben des Wattestäbchens, ohne es ganz herauszuziehen.

Klick mich an!

Bild 5: Chemolumineszenz des weißen Phosphors im Mikroreagenzglas
(Foto: Keil)


Entsorgung
Trotz der sehr kleinen Masse des hergestellten weißen Phosphors, die zum größten Teil auf Grund der feinen Verteilung auf dem Wattestäbchen sofort mit Luftsauerstoff zu Phosphorpentoxid reagiert, verbleiben doch Reste im Mini-Reagenzglas. Deshalb ist die Einhaltung der folgenden Entsorgungsratschläge dringend geboten.


Entsorgungsmaßnahmen
Alles, was mit weißem Phosphor in Berührung gekommen ist (Reagenzglas und Wattestäbchen), wird einen Tag lang in eine 5%ige Kupfer(II)-sulfatlösung getaucht. Die Lösung wird danach in den Entsorgungsbehälter für Schwer-metallsalzlösungen gegeben. Die Reste des Wattestäbchens werden im Feststoffabfall entsorgt

Bei der Reaktion mit Kupfer(II)-sulfat werden die Reste des giftigen weißen Phosphors in weniger giftiges Kupfer(I)-phosphid überführt. Darüber berichten wir auf einer besonderen Webseite.


Aufarbeitung von lange gelagertem rotem Phosphor
In vielen Sammlungen findet sich roter Phosphor, der sich durch jahrelange Lagerung zu einer sirupartigen, feuchten Paste verändert hat. Bitte nicht vorschnell entsorgen. Dieser Phosphor lässt sich sehr leicht „retten“.

Klick mich an!

Bild 6: Jahrelang nicht optimal gelagerter roter Phosphor
(Foto: Keil)

Theoretisch ist roter Phosphor unter den richtigen Bedingungen unbegrenzt haltbar. Richtige Bedingungen bedeuten hier: Ausschluss von Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit. Phosphor wurde früher häufig in - nicht wiederverschließbaren - Kunststoffbeuteln in eckigen Blechdosen verkauft (siehe Bild 8). Diese Art der Verpackung erfüllt die genannten Bedingungen natürlich nicht. Man könnte nun vermuten, roter Phosphor wäre hygroskopisch. Dies ist aber nicht der Fall. Was geschieht, ist vielmehr Folgendes:

Roter Phosphor reagiert langsam mit Luftsauerstoff zu Phosphorpentoxid (genauer Tetraphosphordecaoxid P4O10). Dieses Nichtmetalloxid ist stark hygroskopisch (Verwendung als Trockenmittel) und bildet im Kontakt mit Wasser Phosphorsäure, die mit dem restlichen roten Phosphor ein pastöses Stoffgemisch bildet.

Um den nicht oxidierten, wasserunlöslichen Phosphor von der Phosphorsäure zu trennen, schlämmt man ihn mit etwa dem dreifachen Volumen Wasser auf. Wer möchte, kann jetzt mit einem Indikatorpapier die Wasserstoff-Ionen nachweisen. Da die Aufschlämmung durch den Phosphor rot gefärbt ist, taucht man dazu das Indikatorpapier nur etwa 1 cm tief in die Lösung und wartet bis die Flüssigkeit durch den Kapillareffekt in dem Papier aufgestiegen ist. Die färbenden Phosphorpartikel bleiben dabei in der Lösung. Entscheidend ist nur die Färbung des Indikatorpapiers im „Aufstiegs“-Bereich. In Bild 7 sieht man, dass dieser Bereich bei einem zweiten weißen Filterpapierstreifen farblos bleibt.

Nach Filtration der Aufschlämmung durch einen Papierfilter lässt man den Filterkuchen an der Luft trocknen. Es wird empfohlen, den nun staubtrockenen Phosphor in einer Glasflasche in einem Exsikkator zu lagern, um die erneute Oxidation zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern.

Klick mich an!

Bild 7: Links Wasserstoff-Ionennachweis und gewaschener und getrockneter roter Phosphor (rechts)
(Fotos: Keil)


Literatur:
[1] Obendrauf, V.: Mit Köpfchen und Reibfläche. Chemie & Schule, 3/2002, 14 - 23.


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 30. März 2016, Fritz Meiners