Spiralige Wunder im Stein: Ammoniten

Wohl kein Fossil finden die Menschen so schön wie die Ammoniten. Achtung aber: Türkische Grenzbeamte halten sie für Teile von griechischen Säulenkapitellen (so wie sie Belemniten für Geschosse halten).

Statt Ammonit sagt man auch Ammonshorn. Woher kommt der Name? Es gab einen ägyptischen Gott namens amun oder latinisiert Ammon. Trug der Gott Ammon etwa Hörner? Nein. Es geht hier um das heilige Tier des Ammon, um den Widder. An dessen Hörner erinnerte die Form der Ammoniten.

Bronze-Widder aus der Schäfergruppe im Kurpark von Urach (Künstler: Kurt Grabert, 1991)
(Foto: Blume)

In den Namen vieler Ammonitenarten kommt das Ceras vor. Diese Bezeichnung kommt aus dem Griechischen und bedeutet Horn. Chemiker kennen diesen Begriff aus der Biochemie: Keratin ist das Protein, aus dem Haare, Nägel und Hörner bestehen.

Hat der Name Ammonit auch mit Ammoniak zu tun? Ein Salz, das sal ammoniakum, fand man bei der Ammons-Oase in Ägypten. Zwar war das Salz wahrscheinlich eher Natron als ein Ammoniumsalz. Aber dennoch stammt der Name des Ammoniaks letztlich aus dieser „Quelle“.


Die Formen der Ammonitenschalen sind vielfältig
Wenn wir heute von Ammoniten sprechen, meinen wir die Schalen. Das wollen wir hier auch so halten.
So vielfältig, wie die Lebensräume, so vielfältig sind auch die Formen. Da gibt es schmale Rennboote für die Hochsee und behäbige Dickbäuche für die Brandungszone. In ruhigen Lagunen entwickelten sich lockergewundene, sogar korkenzieherähnliche Strukturen.
Kalkuliert man noch die lange Zeit ein, in der die Ammoniten und ihre Verwandten die Weltmeere bevölkerten, so wird die Vielfalt noch komplexer. Begonnen hat alles mit stabförmigen Schalen, die sich langsam zu engen Spiralen aufrollten. Diese flachen Spiralen wurden dann wieder lockerer, sogar dreidimensional und zum Schluss teilweise ganz aufgegeben.

Bild 1: Übersicht über typische Ammoniten (Fotos: Alex und R. Blume)
Erste Reihe: Nautiloide oder Ammonit (Länge 3 cm) (Ordovizium); Lituites (Länge 11 cm) (Gotlandium); Ceratites nodosus (9 cm) (Muschelkalk)
Zweite Reihe: Androgynoceras (6 cm) (Lias); Kosmoceras ornatus (1,5 cm) (Dogger); Cadoceras elatme (12 cm) (Dogger)
Dritte Reihe: Gravesia gigas (15 cm) (Malm); Aegocrioceras capricornu (15 cm) (Unterkreide); Hyphantoceras (Höhe 12 cm) (Oberkreide/Turon)


Und erst die Größe der Schalen – die schwankt bei erwachsenen Tieren zwischen einem Millimeter und bis zu vier Metern!

Klick mich an!

Bild 2: Abguss eines Riesenammoniten in Holzmaden.
Der Originalabguss befindet sich in Münster. (1,80 m; die Wohnkammer fehlt;
deshalb muss der Ammonit noch wesentlich größer gewesen sein) (Parapuzosia seppenradensis; Oberkreide)
(Foto: Blume)

Hier ist die typische Grundform eines Ammoniten.

Klick mich an!

Bild 3: Wohnkammer und Luftkammern eines Ammoniten (Länge 11 cm) (Scaphites; Kreide)
(Foto: Blume)


Man erkennt vorne die glatte Wohnkammer, in der das Tier lebte. Die Schale hinter der Wohnkammer war hohl. Dieser Bereich war quasi das Schwimmorgan des Tieres, das es mit Luft vollpumpen konnte, je nachdem, ob es aufsteigen oder absinken wollte. Im Bereich dieser Kammer erkennt man merkwürdige blätterartige Strukturen, die Lobenlinien (lat. lobus, Lappen), die bei der Wohnkammer fehlen. Diese Lobenlinien sind übrigens wichtige Artmerkmale und dienen zur Unterscheidung der Ammonitenarten. Ihre Gestalt wurde im Verlaufe der Evolution immer komplizierter.


Von Septen, Lobenlinien und Siphons
Was ist die Ursache für diese Strukturen? Die Luftkammer in sich ist noch einmal gekammert. Diese Reihe von Luftkammern sieht man, wenn man einen Ammoniten aufschneidet (Bild 4).

Klick mich an!

Bild 4: Kammerwände (Septen) und Lobenlinien bei Pyrit-Ammoniten. Die Stücke sind jeweils 2 cm groß. (Hectioceras; Dogger)
(Foto: Blume)


Wenn das Tier, das in der Wohnkammer lebte, wuchs, baute es hinter sich eine Kammerwand. Diese Kammerwände (Septen) sind nicht glatt, sondern in sich gewellt.

Bild 5: Kammerwand eines Ammoniten (Breite 10 cm) (Pleurocephalites; Dogger)
(Foto: Blume)


Sie hinterlassen dort, wo sie auf die Innenwand der Hauptschale stoßen, die Lobenlinien. Die erkennt man, wenn im Verlauf der Diagenese des Fossils die äußere Wand weggefallen ist.

Klick mich an!

Bild 6: Ammonit mit Wohnkammer und Luftkammern, erkenntlich an den Lobenlinien (10 cm) (Harpoceras; Dogger)
(Foto: Blume)


Man kann die äußere Schale aber auch abschleifen. Dann bieten die Lobenlinien manchmal richtig künstlerische Ansichten. Das ist typisch für die Ammoniten der Kreide (Bild 7). Man erkennt im Bildausschnitt sogar die Ammonitenform.

Klick mich an!

Bild 7: Lobenlinien (Ausschnitt (5 cm) eines größeren Platilenticeras; Oberkreide)
(Foto: Blume)


Die Luftkammern waren untereinander durch einen Gewebeschlauch verbunden. Die Öffnung, durch die diese Verbindung erfolgte, nennt man Sipho (griech. siphon, Röhre). Diesen Sipho erkennt man vor allem bei geschliffenen Schalen. Er verlief bei den Ammoniten außen am Kiel. Im vergrößerten Bild 4 ist er in den inneren Windungen zu erkennen.


Man hat die Ammonitenschalen, aber wie sahen die dazu gehörigen Tiere aus?
Wir wissen, dass sie ihre Häuschen nicht wie eine ordinäre Schnecke mit der Öffnung nach unten trugen, sondern mit einer Öffnung, die nach oben zeigte - wie ihr nächster Verwandter, der Nautilus! Aus dieser Öffnung konnte er wie dieser behaglich herausschauen, wie alle Tintenfische die Umgebung mit klugen Augen mustern und gegebenenfalls mit ihren Armen auch abtasten (Bild 12).

Woher weiß man so etwas?

Man schließt von der Gegenwart auf Vergangenes (Aktualismus). So sind heute alle Schalen von Weichtieren (Schnecken, Tintenfische, Muscheln) aus Perlmutt und glänzen entsprechend – das wird früher genauso gewesen sein. Auch werden die Schalen wie die heute lebender Tiere farbig gewesen sein (Klicke hier).

Man hat nie ein lebendes Ammonitentier gesehen, weiß aber, dass es noch heute Tintenfische mit spiraligen Schalen gibt, die Nautiloiden und die Spirula.

Spirula-Schalen (Bild 9) sind etwa fünf Zentimeter groß; man findet sie zum Beispiel an den Stränden von Fuerteventura. Das Bemerkenswerte ist, dass diese Tiere auch gekammerte Schalen haben. Die Lobenlinien sind eher bescheiden und nicht so fantasievoll gestaltet wie die der Ammoniten.

Klick mich an!

Bild 9: Schalen von Spirula (2 cm). Man erkennt die Kammerwand und den Sipho (rezent)
(Foto: Blume)


Die Kammerwand kann man beim Nautilus fühlen, wenn man in die Wohnkammer greift. Man ertastet dabei auch die in der Mitte liegende Sipho-Öffnung.

Die rezenten Nautilus und Oktopus haben große schnabelartige Unterkieferschaufeln. Also wird der Ammonit auch welche gehabt haben. Man findet diese Aptychen tatsächlich. Die hielt man früher für Klappen oder Deckel, mit denen das Ammonitentier bei Gefahr oder zum Ruhen seine Schale abschloss.

Bild 10: Unterkieferschaufeln von Ammoniten (Höhe 3-5 cm) (Aptychen; Malm und Lias)
(Fotos: Blume)


So wissen wir heute, wie ein Ammonitentier ausgesehen haben muss. Bild 11 zeigt ein Modell der Firma Bullyland.

Bild 11: Modell eines ausgestorbenen Ammonitentiers (ca. 15 cm) (© Bullyland).
Bullylands Vorbild ist wohl ein Pleuroceras (8 cm) aus dem Schwarzjura Delta
(Fotos: Blume; mit freundlicher Genehmigung durch Bullyland)


(Bei dieser Firma gibt es noch mehr schöne Modelle, die eigentlich in Urzeit-Museen gehören.)

Das Ammonitentier sah also insgesamt fast so aus wie ein lebender Nautilus.

Bild 12: Lebender Nautilus im Aquarium von Berlin (Durchmesser ca. 20 cm).
Man erkennt das Auge und die Fangarme des Ammonitenverwandten
(Foto: Blume)


Weitere Texte zum Thema "Fossilien"


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 09. Februar 2009, Dagmar Wiechoczek