Prof. Blumes Tipp des Monats August 2002 (Tipp-Nr. 62)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Ist Luft schwerer als Luft?

Sachunterricht ist "in". Immer mehr Leute befassen sich mit der Entwicklung und Darstellung von hübschen und zugleich lehrreichen Experimenten für Kindergarten und Grundschule (so, wie wir auch).
Beim Versuch zur kindgerechten Erklärung muss man aber höllisch aufpassen, nichts falsch zu machen oder Grundstein für falsche Vorstellungen zu legen. Didaktische Reduktion heißt zwar vereinfachen, aber auch richtig darstellen. Ein Beispiel soll das verdeutlichen:

Es geht um das Phänomen, dass das Gewicht von Luftballons, wenn man sie aufbläst, zunimmt. Ein voll aufgeblasener Ballon wiegt mehr als ein leerer. Das wird mit einer zuvor austarierten Balkenwaage gezeigt.

Hier ist die Anleitung zum Versuch aus einem ursprünglich aus England stammenden, sehr schönen Lehrwerk für Kinder [1].


Hier ist einiges zu Kunterbuntem vermischt worden. Das Wesentliche ist aber:
Luft darf unter den Bedingungen eigentlich nicht mehr wiegen als Luft. Denn bei der Messung mit einer Balkenwaage spielen zwei Kräfte eine Rolle: Auftrieb und die nach unten gerichtete Gewichtskraft. Die sollten sich aufheben, wenn wir Luft in Luft messen. Denn Luft hat in Luft keinen Auftrieb.

Um das zu verstehen, machen wir den Versuch einmal anders:

Wir nehmen zwei identische Plastiktüten, zum Beispiel Frühstückstüten von der Rolle. Die hängen wir zusammengefaltet an unseren Waagebalken und tarieren ihn aus. Dann öffnen wir eine der beiden Tüten. Die füllt sich somit zweifelsfrei mit Luft. Wir können die Tüte danach auch zubinden, müssen aber dabei darauf achten, dass wir keinen Innendruck produzieren.

Bild 1: Unsere Versuchsergebnisse
(Fotos: Daggi)


Die Waagebalken rühren sich nicht. Also hat Luft kein Gewicht?
Das ist natürlich falsch. Mit der Balkenwaage bestimmen wir immer nur Differenzen, keine Absolutwerte. Das reale Gewicht der Luft können wir nur feststellen, wenn wir vor dem Abwiegen ein starres, nicht komprimierbares Gefäß wie ein verschließbares Glas ("Gasmaus") luftleer machen und den Balken austarieren. Dann lassen wir Luft ein; der Balken wird auf der Gefäßseite absinken, weil jetzt wirklich etwas Schweres in das Gefäß hineingeströmt ist.

Die Balken der Waage verändern ihre Lage erst, wenn wir in unseren Kunststoffbeutel ein Gas einfüllen, das schwerer oder leichter ist als Luft.
Schwerer sind Kohlenstoffdioxid oder Butan. Kohlenstoffdioxid gewinnt man zum Beispiel beim Zersetzen von Natriumhydrogencarbonat oder Natriumbicarbonat (in Backpulver, Emser Pastillen oder Kaisernatron) mit Säure). Butan lässt man aus dem Gasfeuerzeug ausströmen. Beim Einleiten dieser Gase sinkt die Balkenseite mit der vollen Gastüte nach unten. Der Auftrieb der umgebenden leichteren Luft reicht nicht aus, um die Gewichtskraft des Kohlenstoffdioxids auszugleichen.
Füllen wir ein leichteres Gas ein wie zum Beispiel Wasserstoff, Helium oder Erdgas, so steigt der Balken nach oben. Dann ist der Auftrieb der umgebenden Luft größer. Wir kennen das vom Fesselballon.

Bild 2: Sascha Sackewitz füllt links Kohlenstoffdioxid und rechts Wasserstoff ein
(Fotos: Daggi)


Was ist nun mit dem Luftballon los?
Im Luftballon ist nicht nur Luft, sondern komprimierte Luft. Durch die Hülle wird die Luft zusammengedrückt; es ist einfach mehr Luft drin als im gleichen Volumen ohne Druck. Man kann auch sagen: Die Dichte der Luft im Ballon ist größer als die Dichte der Luft außerhalb des Ballons. Das ist die Erklärung dafür, dass die Balkenwaage auf der Ballonseite absinkt, und nicht etwa, weil Luft ein Gewicht hat!

(Die Druckdifferenz ist übrigens erstaunlich gering; sie liegt je nach Aufblaszustand zwischen 20 und 50 hPa; zum Vergleich: Der normale Luftdruck beträgt 1013 hPa.)


Wie sage ich es meinem Kinde?
Man kann den Schülern ohne Schnörkel sagen: Die Seite mit dem aufgeblasenen Ballon sinkt ab, weil die Luft darin zusammengedrückt ist und somit schwerer geworden ist.
Aber so sollte eine für Kinder formulierte Erklärung keinesfalls lauten:
Hat Luft ein Gewicht? Im aufgeblasenen Luftballon ist Luft drinnen. Luft hat ein Gewicht und übt Druck aus. Deshalb kippt der Stab auf der Seite des aufgeblasenen Ballons nach unten.
(Gefunden in der Webseite http://www.padl.ac.at/zip/material/vs/su/technik/luft.htm.)

PS: Zum Wiegen von Gasen haben wir einen Tipp für Spezialisten.


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Literatur:
[1] Neil Ardley, David Burne: Spannende Experimente aus Natur und Technik. Loewe Verlag, Bindlach 1998.


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Letzte Überarbeitung: 04. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek