Prof. Blumes Tipp des Monats August 2007 (Tipp-Nr. 122)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Die Chemie des Schneckenkorns

Der Schrecken des Kleingärtners sind die Schnecken. Ich meine hier nicht die kleinen glitschigen Häuslebauer mit ihren schlichtfarbenen oder auch exklusiv gestreiften, spiralförmigen Villen, die ich als Chemiker immer genau anschaue, um endlich mal einen „Linkser“, also einen Schneckenkönig zu finden. Es geht um die Ackerschnecke, bekannt auch als Nacktschnecke.

Bild 1 (Foto: Blume)


Gegen diese Marodeure im Kohlgarten scheint es keine ausreichende, natürliche Kampfmethode zu geben. Deshalb greifen die Leute zum Schneckenkorn. Das ist ein „Molluskizid“ (lat. mollusca, Weichtier; caedere, töten).

Bild 2 (Foto: Blume)


Egal, wie der Name des Präparats auch lautet: Das aktive Prinzip von Schneckenkorn ist immer Metaldehyd auf einem Träger – im Allgemeinen gepresste und gefärbte Kleie.

Metaldehyd ist eine organisch-chemische Verbindung, die durch exotherme, säurekatalysierte Polymerisation aus vier Acetaldehydmolekülen gebildet wird. Er ist also ein Aldehyd-tetramer.

Die Bildungsreaktion ist reversibel. Man kann deshalb den Aldehyd im Schneckenkorn leicht mit schulchemischen Mitteln nachweisen.


Versuch: Nachweis von Aldehyd im Schneckenkorn
Hierzu geben Sie etwas Schneckenkorn (Xn) in ein Reagenzglas, geben einige Tropfen verdünnte Schwefelsäure (c = 2 mol/l) (C) dazu und verschließen das Glas locker mit einem Wattebausch. Den beträufeln Sie mit etwas Schiffschem Reagenz. Dann erhitzen Sie das Glas im Wasserbad. Der Wattebausch wird aufgrund der Bildung von Acetaldehyd tief pinkrot.

Bild 3 (Foto: Yvonne)


Metaldehyd ist eigentlich als Trockenspiritus bekannt. Deshalb wird ja auch ab und zu empfohlen, letzteren zur Schneckenbekämpfung zu nehmen. Achtung: Es gibt aber auch andere Trockenspiritus-Präparate wie zum Beispiel Urotropin.

Im Schneckenkorn ist die Konzentration von Metaldehyd jedoch relativ gering, z. B. 60 g/kg (Limex ®). Schnecken werden durch diese Substanz scheinbar magisch angezogen. Auf die Vergiftung reagieren sie mit starker Schleimbildung, was zu ihrer Austrocknung führt. Wenn es allerdings regnet, werden die Tiere wieder munter… Man muss die ausgeschleimten Schnecken deshalb einsammeln und irgendwie loswerden. Die meisten Leute spülen sie ins Klo.

Leider ist Metaldehyd gesundheitlich nicht unbedenklich. 4 g sollen für einen erwachsenen Menschen tödlich sein. Hunde scheinen Schneckenkorn sogar recht gerne zu fressen. Es sind Fälle bekannt, dass sie daran eingegangen sind.

Sicherlich gilt das auch für die Igel, unsere Haupt-Schneckenvertilger. Aber Igel scheinen das Schneckenkorn zu meiden; auch mögen sie keine damit vergifteten Schnecken. Dennoch: Wer Igel im Garten hat, sollte kein Schneckenkorn streuen. Das braucht man eigentlich auch nicht. Wir haben z. B. einen Igel als Untermieter im Komposthaufen. Das Tierchen hinterlässt zwar seine kleinen schwarzen Köttelchen auf unserem Rasen, aber dafür sind die Nacktschnecken in unserem naturbelassenen (die Nachbarn sagen: „ungepflegten“) Garten absolut selten anzutreffen.

Bild 4 (Foto: Blume)


Schneckenkorn wird gern auch in der Landwirtschaft benutzt. So streuen Bauern das Gift in einem etwa ein Meter dicken Ring um ihre Zuckerrübenfelder. Das erweist sich als Barriere für Schnecken, die auf Rübenkraut ganz heiß sind, aber leider auch als verführerisch für Hunde. Irgendwie scheint das Schneckenkorn für die süß zu schmecken.


Wie wirkt Schneckenkorn?
Der Metaldehyd wird zum Teil im Magen – wie im Versuch - durch die Magensäure zersetzt; es bildet sich Acetaldehyd. Dieser ist in zu großen Mengen ein Zellgift. Außerdem wird er in der Leber durch die Aldehyddehydrogenase mit NAD+ zu Essigsäure oxidiert. Die großen Säuremengen führen zu einer Blut-Acidose.
Nicht zersetzter Metaldehyd wird vom Darm gut resorbiert. Er wirkt auf das Zentralnervensystem ein; es gibt Krankheitsbilder wie beim Botulinismus oder Vergiftungen durch Organo-Phosphorverbindungen.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 07. Februar 2014, Dagmar Wiechoczek