Der Farbstoff der roten Lehrertinte heißt Eosin (griech. Eos; Göttin der Morgenröte). Der ist durch Tintenkiller nicht zu löschen. Chemisch gesehen ist Eosin ein mit vier Bromatomen substituiertes Fluorescein. Gemeinsam mit Fluorescein hat Eosin die Eigenschaft, unter UV-Bestrahlung zu leuchten: Seine Lösungen fluoreszieren. Von der Struktur her gehört Eosin zu den Triphenylmethanfarbstoffen. Jedoch weist es (wie Fluorescein) eine Besonderheit auf, die seine Eigenschaften entscheidend verändert: Eosin hat einen zusätzlichen Ring im Molekül, einen Pyranring (siehe Bilder unten). Hängt die Unwirksamkeit des Tintenkillers vielleicht damit zusammen? Der Grund für die Farbigkeit von Triphenylmethanfarbstoffen ist, dass die Moleküle wegen der sp2-Hybridisierung des zentralen C-Atoms völlig planar sind. Damit können sich die p-Elektronen der Doppelbindungen und die nichtbindenden Elektronen der Substituenten über das ganze Molekül verteilen ("delokalisieren"); wir sprechen von "Mesomerie" bzw. vom "mesomeren Zustand". Solche Elektronen sind leicht anregbar und absorbieren deshalb energiearme Strahlung aus dem sichtbaren Spektrum. Der nichtabsorbierte Spektralanteil addiert sich zum sichtbaren Farbeindruck. Wir hatten bei "normalen" Triphenylmethanfarbstoffen wie Fuchsin oder Kristallviolett gesehen, dass durch die Addition der Anionen des Tintenkillers an das zentrale C-Atom die Geometrie des Farbstoffmoleküls total verändert wird: Es verliert seine für die Farbigkeit notwendige sp2-Planarität und nimmt die Form einer sp3-Pyramide an. Es gibt für Eosin zwei mögliche Strukturformeln, die vom pH-Wert ihrer Lösungen abhängen. Das ist genauso wie beim Phenolphthalein. In Bild 1 zeigen wir zunächst für beide Stoffe diejenigen Strukturen, die im alkalischen Milieu vorliegen. Weil einer der aromatischen Ringe formal die Bindungsverhältnisse eines Chinons aufweist, nennt man diese Struktur "chinoid". Für die Farbgebung ist in beiden Verbindungen weitgehend nur der obere Bereich der Strukturen verantwortlich. Wir können hier eine Reihe von Grenzstrukturen formulieren. Beim Phenolphthalein betrifft das den Wechsel der negativen Ladung bzw. der chinoiden Struktur von links nach rechts. Beim Eosin kommt für die Elektronen noch ein weiterer Weg über das Sauerstoffatom des Pyranrings in Frage. Die alkalischen Lösungen der beiden Stoffe sind deshalb rot. Bild 1: Chinoide Formen von Phenolphthalein und Eosin im alkalischen Milieu Im sauren Milieu ist das alles ein wenig anders. Im Folgenden besprechen wir die beiden Farbstoffe getrennt. 1 Phenolphthalein
Im sauren Milieu dagegen ist Phenolphthalein von vornherein farblos. Dazu bedarf es keines "Farbkillers". Der Grund ist die spontane Bildung eines Lactons, eines innermolekularen, ringförmigen Esters (siehe Bild 2). Die Lactonform ist farblos, weil das zentrale C-Atom sp3-hybridisiert ist und ein großflächiger mesomerer Zustand als Ursache für die Farbigkeit nicht mehr möglich ist. Die beiden aromatischen Ringe verhalten sich wie unabhängige farblose Phenolmoleküle. Bild 2: Die Lactonformen von Phenolphthalein und von Eosin im sauren Milieu 2 Eosin
Zur Erklärung müssen wir etwas ausholen:
Eine Entfärbung erfolgt deshalb auch dann nicht, wenn das zentrale C-Atom durch die Lactonringbildung im sauren Milieu sp3-hybridisiert wird. Dann läuft der Elektronenaustausch zwischen den Phenolen oben über die Sauerstoffbrücke. Statt des Lactonringschlusses kann beim Eosin natürlich auch ein HSO3--Ion am zentralen C-Atom angreifen - aber ohne jegliche farblöschende (tintenkillende) Wirkung. Resümee
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