Prof. Blumes Tipp des Monats November 2015 (Tipp-Nr. 221)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wenn Insekten wachsen und sich häuten, ist viel Terpen-Biochemie im Spiel

Dieses Jahr gab es auffallend viele Marienkäfer. Vielleicht haben Sie schon einmal beobachtet, dass der Käfer bei seiner Entwicklung aus dem Ei einige Stadien durchläuft, die gar nicht nach Käfer aussehen. Da gibt es munter herumlaufende, bunte Larven mit großen Zangen, mit denen sie Blattläuse erlegen. Dann verfallen die Larven in eine Starre, umgeben sich mit einem runden Panzer. Und daraus kriecht schließlich der Marienkäfer. Der ist am Anfang noch richtig hell gefärbt und erreicht erst nach einigen Stunden sein gewohnt prächtiges Aussehen.

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Bild 1: Entwicklungsstadien eines Marienkäfers. Von links: Larve, Puppe und erwachsenes Tier
(Foto: Blume)


Vielleicht fragt sich der eine oder andere, wie so etwas zustande kommt. Das Stichwort für diesen Vorgang lautet Metamorphose (Umgestaltung, griech. meta, zwischen, hinter; morphosis‚ Gestaltung).

Diese Entwicklung hat zwei Vorgänge zur Voraussetzung: Wachstum und Häutung. Denn auch eine weiche Raupe hat eine Hülle aus hartem Chitin. Da diese nicht mitwächst, muss die Raupe ihre Hülle ab und zu abwerfen.

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Bild 2: Raupe eines Schmetterlings (Brauner Mönch) beim Häuten
(Foto: Blume)


Dies wird durch das Zusammenspiel zweier Hormone gesteuert, nämlich vom Wachstum fördernden Juvenil-Hormon und dem die Häutung auslösenden Ecdyson.

Das Juvenil-Hormon (latein. juvenilis, jugendlich; griech. hormon, antreibend) gehört zu den acyclischen Terpenen.


Man kann auch sagen, dass es sich um den Methylester einer ungesättigten, stark verzweigten Carbonsäure handelt.

Ecdyson ist ein bei allen Insekten, Spinnentieren und den Krebsen weit verbreitetes Hormon. Sein Name stammt vom griechischen Wort ekdysis (das Herauskriechen). Es gehört zu den Steroid-Hormonen, ist also ein tetracyclisches Terpen. Das Steroid-Gerüst leitet sich erkennbar vom Cholesterin ab.


Physiologisch wirksam ist aber erst seine hydroxylierte Form, 20-Hydroxy-Ecdyson.

Bild 3: Links ein frisch geschlüpfter Admiral. Nach ein-zwei Stunden hat er sich voll entwickelt (rechts)
(Fotos: Blume)


Die Entwicklung des Insekts hängt vom Konzentrations-Verhältnis der beiden Hormone ab. Eine hohe Konzentration an Juvenil-Hormon fördert die Entwicklung vom Ei über das Larvenstadium und Puppe bis zum eigentlichen Tier, dem Imago (lat. imago, Ebenbild). Eine niedrige Konzentration an Juvenil-Hormon fördert vor allem die Häutung des Imagos. Die Tiergruppe, deren Entwicklung vom Ecdyson abhängt, nennt man deshalb auch Häutungstiere.

Die Terpenoid-Hormone wirken als Aktivatoren für die Gen-Abschnitte, die die Insektenentwicklung steuern. Insofern gleichen sie den Steroid-Hormonen, die auch unseren Stoffwechsel regeln. Dazu gehören die Sexual-Hormone Testosteron, Androsteron sowie Östrogen und Progesteron sowie auch die Corticoide der Nebennierenrinde.

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Bild 4: Maikäfer-Larve (Engerling) und Imago
(Fotos: Blume)


Wo Ecdyson sonst noch vorkommt
Bemerkenswert ist noch, dass Ecdyson nicht nur in Häutungstieren, sondern auch in vielen Pflanzen wie den Farnen oder in Coniferen wie der Eibe vorkommt, und das in viel höherer Konzentration als in den Insekten. Man nimmt an, dass sich die Pflanzen auf diese Weise gegen Fressfeinde schützen. Denn wenn ein Insekt außerhalb seiner Entwicklungszyklen Ecdyson aufnimmt, kommt es zu Fehlsteuerungen und sogar zum Tod. Allerdings haben viele Insekten schon gegengesteuert, indem sie gegen oral aufgenommenes Ecdyson vom Stoffwechsel her ignorieren.

Die moderneren Blüten-Pflanzen setzen dagegen eher auf die Abwehr durch Alkaloide oder Bitterstoffe. Sie enthalten deshalb nur in Ausnahmefällen Ecdyson.

Rüdiger Blume


Literatur:
[1] E. Buddecke: Grundriss der Biochemie. Walter de Gruyter-Lehrbuch. Berlin 1971.

[2] J. B. Harborne: Ökologische Biochemie. Spektrum Verlag, Heidelberg 1995.


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Letzte Überarbeitung: 28. Oktober 2015, Dagmar Wiechoczek