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Tipp des Monats Februar 2018 (Tipp-Nr. 248)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Gelatine Fix – gelingt garantiert?

Sabine Streller

Kochen und backen ähnelt der Arbeit im Labor – man sollte den Versuchsvorschriften genau folgen. Beim Backen dieser Torte habe ich das aber nicht vollständig eingehalten, sondern für die Füllung Saft, Quark und Sahne mit Zucker verrührt und anschließend ein Gelatine-Pulver eingerührt, das nicht erwärmt werden muss (Handelsnamen „Sofort-Gelatine“ oder „Gelatine Fix“). Beim Aufräumen fiel mein Blick auf die Rückseite der Verpackung und dort stand in roter Schrift: Achtung! Zucker erst ganz am Schluss einrühren! Das hatte ich aber nicht beachtet. Würde die Füllung nun nicht fest werden?

Bild 1: Tortencreme mit „Gelatine Fix“ verdickt
(Foto: Streller)


Was ist Gelatine?
Gelatine ist Proteingemisch, das aus dem Kollagenanteil von Knochen und der Haut vor allem von Schweinen gewonnen wird. Gelatine besteht grundsätzlich wie alle anderen Proteine aus linear verknüpften einzelnen Aminosäuren, wobei die Carboxylgruppe der einen mit der α-Aminogruppe der anderen Aminosäure eine Peptidbindung eingeht [1]. Mehr zu Gelatine finden Sie hier.

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Gelatinelösungen ist ihre Fähigkeit, im Warmen wasserlöslich zu sein und bei Abkühlung wieder zu erstarren. Man nennt diese Eigenschaft thermoreversibel. Wird die Lösung abgekühlt, dann nimmt die Viskosität der Lösung zu, bis sie schließlich ein Gel bildet. Diese Eigenschaft nutzt man in der Küche zur Herstellung von Sülzen, Aspik, Geleespeisen und eben auch von Tortenfüllungen.


Was unterscheidet Gelatine von Sofort-Gelatine?
Instant- oder Sofort-Gelatine ist ein Gelatine-Produkt, das einem bestimmten Trocknungsverfahren unterzogen wird und mit Oligofructose oder Maltodextrin vermengt wird. Der Gelatineanteil liegt zwischen 33 % und 40 %. Den weitaus größeren Anteil bilden die Kohlenhydrate. Oligofructose und Maltodextrin gehören zu den Oligosacchariden. Oligofructose ist ein partielles Abbauprodukt von Inulin und besteht aus 2 bis 10 Fructoseeinheiten. Maltodextrin ist ein Gemisch verschieden lang miteinander verknüpfter Glucoseeinheiten, das aus partiell hydrolysierter Stärke hergestellt wird. Beide Stoffe wirken als Verdickungs- und Süßungsmittel.

Der Vorteil von Sofort-Gelatine liegt darin, dass sich die Gelatine bereits in kaltem Wasser löst und somit die zu gelierende Speise nicht erwärmt werden muss. Der Namenszusatz „Sofort“ oder „Fix“ bezieht sich dagegen nicht auf das Gelierergebnis selbst: Auch damit behandelte Speisen müssen einige Stunden gekühlt werden, damit die Gelierwirkung einsetzt und die Speisen fest werden.

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Bild 2: Gelatine und Sofort-Gelatine im Vergleich
(Foto: Streller)

Auffällig bei der Verarbeitung ist, dass sich Sofort-Gelatine nicht so gut löst und die Lösung leicht trüb bleibt. Auch ist das Gel nicht so klar wie bei der Verwendung der „klassischen“ und unter Erwärmung gelösten reinen Gelatine.


Aber hat denn nun der Zucker einen Einfluss auf das Gelierergebnis?
Um diese Frage zu klären, müssen wir uns zuerst überlegen, wie man generell die Festigkeit eines Gels objektiv bestimmen kann. Die mit der Festigkeit oder Zähigkeit von Flüssigkeiten oder Gels verbundene Größe ist die Viskosität. Je zäher eine Substanz ist, desto größer ist ihre Viskosität. Die Viskosität lässt sich bestimmen, indem man eine Kugel in die zu untersuchende Substanz sinken lässt und die Zeit misst, die die Kugel zum Durchqueren einer bestimmten Strecke benötigt. In die Berechnung der Viskosität gehen die Schwerkraft der Kugel, sowie der Auftrieb und die Reibungskraft ein, die der Schwerkraft entgegengerichtet sind, ein [3].

Da der Radius der Kugel r, die Fallbeschleunigung g, die Dichte der Kugel ρK, die Dichte der Flüssigkeit/des Gels ρFL sowie die Strecke bei jeder unserer Messung gleich sind, bleiben am Ende die Größen Viskosität η und die Zeit t, die einander proportional sind.

Mit unserem selbstgebauten Kugelfallviskosimeter werden wir keine Literaturergebnisse erzielen, zum Vergleich untereinander sollte es sich aber eignen. Der Einfachheit halber messen wir also die Zeit und vergleichen diese miteinander, um die Viskosität der Proben abschätzen und so vergleichen zu können.

Da die Viskosität von der Temperatur abhängig ist (je wärmer ein Gel wird, desto flüssiger wird es), müssen wir unsere Messung bei einer definierten Temperatur vornehmen.


Versuch 1: Ermittlung einer geeigneten Gelatinekonzentration zur Viskositäts-messung

Material: 5 x 150-ml-Bechergläser, 100-ml-Messzylinder, „Gelatine Fix“, Waage, kleines Becherglas zum Abwiegen, Spatel, 5 gleichhohe 100-ml-Messzylinder aus Glas, zum Messzylinder passende Stahlkugel, Pinzette, Stoppuhr

Je 100 ml werden in die Bechergläser gefüllt. In jedes Becherglas wird unter Rühren eine Portion Gelatine Fix (1,0 g, 1,5 g, 2,0 g, 2,5 g, 3,0 g) gemischt und so lange gerührt, bis sich die Gelatine vollständig gelöst hat. Jede Gelatinelösung wird nun in ein hohes Glasgefäß gegossen und über Nacht im Kühlschrank gekühlt. Die Messung erfolgt unmittelbar, nachdem die Proben aus dem Kühlschrank entnommen wurden. Dazu wird die Stahlkugel mit einer Pinzette vorsichtig auf die Oberfläche des Gels gelegt. Sobald die Kugel vollständig eingesunken ist und die erste Markierung (90 ml Marke) erreicht hat, wird mit der Zeitnahme begonnen. Die Zeit wird gestoppt, wenn die Kugel die 10 ml Marke erreicht hat.

Bild 3: Vorprobe zur Viskositätsmessung
(Foto: Streller)

Ergebnis:

Gelatine-Fix-Konzentration (g/100 ml Wasser) 1,0 g 1,5 g 2,0 g 2,5 g 3,0 g
Zeit in Sekunden < 1 s < 1 s 2 s 90 s > 120 s

Das Ergebnis zeigt, dass die Viskosität von der Konzentration abhängt. Ist die Konzentration der Gelatine zu gering, kann die Zeit kaum fehlerfrei gemessen werden. Ist die Konzentration zu hoch, sinkt die Kugel nicht gleichmäßig, sondern bewegt sich ruckartig. Die Messung kann ebenfalls nicht gut erfolgen, da sich die Kugel gleichförmig durch die Gelatine bewegen sollte. Nach weiteren Versuchen haben wir uns für eine Konzentration von 2,3 g Gelatine-Fix in 100 ml Wasser entschieden. Wir konnten feststellen, dass die Kühldauer (5 Stunden oder über Nacht) einen erheblichen Einfluss auf die Festigkeit des Gels hat. Ebenso ist eine sehr genaue Einwaage erforderlich, denn kleine Schwankungen haben großen Einfluss auf die Gelbildung. Außerdem ist es wichtig, sehr kräftig und einige Minuten das Gel-Fix-Pulver in das Wasser einzurühren, damit sich keine Klümpchen bilden. Wir empfehlen einen Magnetrührer oder einen Schneebesen.


Versuch 2: Untersuchung des Einfluss von Zucker auf die Gelierfähigkeit von Gelatine Fix

Material: 2 x 150-ml-Bechergläser, 100-ml-Messzylinder, „Gelatine Fix“, Zucker, Waage, Spatel, 2 gleichhohe 100-ml-Messzylinder, passende Stahlkugel, Pinzette, Stoppuhr

Je 100 ml Wasser werden in die beiden Bechergläser A und B gefüllt. In Becherglas A wird außerdem 1 Esslöffel Haushaltszucker gelöst. Nun werden unter Rühren jedem Becherglas 2,3 g Gelatine Fix hinzugefügt und so lange gerührt, bis sich die Gelatine vollständig gelöst hat. In Becherglas B wird anschließend 1 Esslöffel Zucker hinzugefügt. Jede Lösung wird nun in einen Messzylinder gegossen und über Nacht im Kühlschrank gekühlt. Die Messung erfolgt wie in Versuch 1 beschrieben.

Video: Viskositätsmessung einer Gelatine-Fix-Lösung; links: Zucker wurde vor der Gelatine hinzugefügt, rechts: Zucker wurde erst nach der Gelatine hinzugefügt
(Film: S. Streller in Zusammenarbeit mit A. Leschber)

Das Ergebnis zeigt, dass die Viskosität in beiden Mischungen nahezu gleich ist. Wir haben mehrere Messungen durchgeführt und können insgesamt keinen Unterschied in der Gelierfähigkeit von „Gelatine Fix“ ausmachen – egal ob der Zucker vor oder nach Zugabe des Gelatine-Pulvers hinzugefügt wurde. Und tatsächlich ist auch meine Torte gelungen und alle Sorge war umsonst.


Schlussbemerkung: Gelatine und Kohlenhydrate
Das Ergebnis lässt sich auch wissenschaftlich belegen. Kollagen und damit auch Gelatine enthält zwei ungewöhnliche Aminosäuren, die nicht in unserer DNA codiert sind, nämlich Hydroxyprolin und Hydroxylysin. Sie entstehen erst später in der fertigen Proteinkette durch enzymatische Reaktionen (Hydroxylierung) aus Prolin bzw. Lysin. Diese Hydroxylreste können wiederum glykosyliert werden. Das hat zur Folge, dass Kollagen einen Kohlenhydratanteil zwischen 0,5 und 10 % besitzen kann. Vor allem werden Galactose und ein 1,2-verknüpftes Disaccharid aus Glucose und Galactose an die Proteinkette gebunden. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Kohlenhydratreste an den Gelierungsreaktionen beteiligt sind [1]. Die Gelierfähigkeit von Gelatine sollte also auch durch Zucker nicht beeinträchtigt werden.

Danksagung: Mein Dank geht an Fabian Stollin, Nicole Schrader und Albert Leschber für ihre tatkräftige Unterstützung.


Quellen:
[1] W. Babel (1996). Gelatine – ein vielseitiges Biopolymer. Chemie in unserer Zeit, 30, 2, S. 86-95
[2] W. Arneth. Gelatine. Römpp Lexikon der Chemie (online), Thieme Verlagsgruppe, abgerufen am 08.01.2018 um 11:30 Uhr, https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-07-00483
[3] W. Demtröder (2008). Experimentalphysik 1. Berlin, Heidelberg: Springer, 5. Aufl.


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Letzte Überarbeitung: 27. Januar 2018, Fritz Meiners