Prof. Blumes Tipp des Monats Februar 2013 (Tipp-Nr. 188)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Topinambur und Inulin

In vielen Spezialgeschäften (Bio- oder Feinkostläden) kann man jetzt Topinambur-Knollen kaufen. Liebhaber essen sie wie Kartoffeln. Es gibt unzählige Rezepte!

Bei den Knollen handelt es sich um die unterirdischen Speicherorgane einer Pflanze, die wie der in vielen unserer Gärten wuchernde Sonnenhut aussieht.

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Bild 1: Sonnenhut
(Foto: Blume)


Topinambur hat den wissenschaftlichen Namen Helianthus tuberosus. Das weist sie als eine Verwandte der Sonnenblume (Helianthus) aus. Wie die Sonnenhutarten ist auch Topinambur bekannt für starke Knollen- und Wurzelbildung. Tuberosus heißt sie, weil ihre Knollen höckerartige Auswüchse zeigen (lat. tuber, Höcker, Beule).

Bild 2: Knollen von Topinambur
(Foto: Blume)


Anders als Kartoffeln enthalten sie als Speicherstoff das Polysaccharid Inulin. Dieses sollte man nicht mit dem Hormon Insulin verwechseln!

Neben Topinambur enthalten die Knollen vieler anderer Pflanzen als Speicherstoff Inulin. Beispiele sind die Wegwarte (Zichorie, also auch in deren Kulturform Chicorée), Artischocke oder Löwenzahn. Inulin heißt auch Alantstärke, da sie in der schon den Griechen wohlbekannten Heilpflanze Alant vorkommt, einer Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Wie man deren wissenschaftlicher Name Inula helenium unschwer entnehmen kann, ist sie Taufpatin für das Inulin, das 1804 erstmals aus Atlant-Knollen isoliert wurde.

Weitere Quellen für Inulin sind Bananen, Schwarzwurzeln oder Dahlienknollen. Weiter enthalten Spargel oder andere Liliengewächse wie Lauch und Zwiebeln Inulin. Wir sehen, dass es sich bei Inulin keineswegs um einen exotischen Naturstoff handelt. Warum sollte man sich damit nicht einmal projektartig im Chemie- oder Biologie-Unterricht beschäftigen? Das wäre doch außerdem ein Facharbeitsthema.

Zunächst isolieren wir Inulin.

Versuch 1: Isolierung von Inulin
Wir reiben Knollen von Topinambur (oder von anderen, inulinhaltigen Pflanzen) möglichst fein und extrahieren die Späne mit heißem Wasser. Wir lassen abkühlen.
Ergebnis: Wir erhalten eine etwas trübe Lösung, die das Inulin enthält. Mit dieser Lösung können wir weiter experimentieren. Wir können die Lösung auch eintrocknen lassen und erhalten ein weißes, durch Verunreinigungen manchmal auch gelbliches Pulver.

Wenn man das Inulin nicht isolieren will, kann man es in der Apotheke kaufen. Auch manche Bioläden bieten die Substanz an. Natürlich kann man sie auch im Chemikalienfachhandel erwerben.

Inulin ist ein weißer, kristalliner Stoff, der in heißem Wasser löslich ist.


Wie Inulin aufgebaut ist
Inulin ist ein Polysaccharid. Es besteht aus Molekülketten mit durchschnittlich 30 Monomeren, ist also (verglichen mit Stärke oder Cellulose) relativ klein. Bausteine des Inulins sind in erster Linie Fructose-Einheiten, die in ihrer Furanoseform (Fünfringform) vorliegen.

(Zu Problemen bei der Darstellung der Struktur der Reste von Fructosemolekülen in Mehrfachzuckern haben wir den Tipp des Monats Nr. 177.)

Die Fructose-Reste sind (β-2 → 1)-gebunden. Am Anfang des linearen Inulin-Moleküls befindet sich ein (α-1 → β-2)-gebundener Glucose-Rest.

Man kann durchaus sagen, dass der Anfang der Inulinkette ein Saccharosemolekül ist. Hinzu kommen noch einige wenige (α-1 → β-3)-gebundene Glucose-Reste im Inneren der Molekülketten.


Mit Inulin kann man experimentieren wie mit Stärke
Um den Unterschied zwischen Inulin und Stärke herauszuarbeiten, empfiehlt es sich, in parallelen Ansätzen die beiden Polysaccharide gleichzeitig zu untersuchen. Das ist z. B. in Gruppenarbeit möglich.

Zunächst führen wir die übliche Nachweisreaktion auf Stärke mit Iod-Iodkalium-Lösung (Lugolsche Lösung) durch.

Versuch 2: Inulin und Lugolsche Lösung
Wir nehmen eine aufgeschnittene, gekochte Topinambur-Knolle, festes Inulin und eine wässrige Aufschlämmung von Inulin und tropfen Lugolsche Lösung dazu.
Ergebnis: Es tritt keine Umfärbung der braunen Lösung ein.

Das Ausbleiben der Reaktion weist darauf hin, dass das Polysaccharid Inulin nicht spiralig aufgebaut ist, in das wie bei Stärke die Iod-Iodid-Komplexe (genau: [I5]-) eingelagert werden könnten. Wenn man noch die Geschmacksprobe macht, stellt man fest, dass Inulin schwach süß schmeckt - auch das ist ein Hinweis auf eine kleine Molekülgröße.

Man sollte nun auch die Fehlingsche Probe durchführen. Sie fällt bei reinem Inulin negativ aus.

Zur Untersuchung der Zusammensetzung spalten (hydrolysieren) wir die Polysaccharide und untersuchen die Hydrolyse-Produkte.

Versuch 3: Hydrolyse von Inulin
Wir geben etwa 1 g Inulin in einen kleinen Erlenmeyerkolben mit 10 ml Wasser. Wir schlämmen das Inulin auf. Mit einem Glucostick® prüfen wir die etwas trübe Lösung auf Glucose.
Dann schlämmen wir etwa 1 g Inulin in 10 ml halbkonzentrierter Salzsäure (C) auf. Wir erhitzen einige Minuten lang zum Sieden und lassen dann abkühlen.
Ergebnis: Die Aufschlämmung ist klarer geworden.

Bild 3: Hydrolyse von Inulin.
Links Aufschlämmung vor der Hydrolyse und rechts klare Lösung danach.
Ergebnisse der Tests mit Glucosticks®
(Foto: Daggi)

a) Nachweis von Fructose
1. Seliwanoff-Probe
Zu 2 ml der sauren Hydrolyselösung geben wir einige Tropfen einer alkoholischen Lösung von Resorcin (w = 1 %) (F). Die Mischung wird kurz aufgekocht.
Ergebnis: Es tritt rasch eine rote Färbung auf.

Bild 4: Fructosenachweise in der Hydrolyse-Lösung von Inulin.
Links Probe nach Seliwanoff, rechts Nachweis mit Seleniger Säure. Die farblose Lösung enthält die Selenige Säure
(Fotos: Daggi)

2. Nachweis mit Seleniger Säure
Wir neutralisieren die Hydrolyse-Lösung mit Natronlauge (C). Indikatorpapier verwenden!
Hierzu geben wir die gleiche Menge an Fructose-Reagenz und stellen die Mischung in ein siedendes Wasserbad.
Ergebnis: Nach wenigen Sekunden fällt rotes Selen aus.

b) Untersuchung auf Glucose
Wir neutralisieren die Lösung mit Natronlauge (C). Indikatorpapier verwenden!
In diese Lösung tauchen wir einen Glucose-Teststreifen ein.
Ergebnis: Der Teststreifen färbt sich blau.

Ähnliches hatten wir bereits bei der Hydrolyse von Saccharose (Haushaltszucker) gefunden.


Was geschieht mit Inulin im Körper?
Erstaunlicherweise wird Inulin von Diabetikern geschätzt, da es weitgehend nur Fructose-Einheiten enthält. Dabei kann Inulin aber durch den Menschen gar nicht abgebaut werden, da ihm das Hydrolyse-Enzym Inulinase fehlt. Vielmehr erfolgt der Abbau nur durch Bakterien und das auch erst im Dickdarm. Das führt bei machen Leuten zu Blähungen (Flatulenzen) und hat abführende Wirkung. Die Bakterien wandeln die Fructose in kurzkettige Carbonsäuren um, die durch den Darm resorbiert werden können.


Wofür Inulin gebraucht wird
Überlegungen zielen dahin, Inulin als nachwachsenden Rohstoff zur Gewinnung von „Bioalkohol“ zu nutzen. Das erscheint vor allem deswegen interessant, weil einige der meist anspruchslosen Quellpflanzen auch auf Böden, die ansonsten für landschaftliche Zwecke kaum genutzt werden können, gedeihen.

Hinzu kommt die Verwendung von Inulin als Lebensmittelzusatz zur „Verfeinerung“ von deren Eigenschaften. Vor allem dient es als Fettaustauschstoff. Der soll Eigenschaften, die ansonsten Fette haben, vortäuschen - wie z. B. das „Mundgefühl“ von Lebensmitteln wie Schokolade. Damit vermeidet man beim Schlemmen von Schokolade die unnötige Aufnahme von Fett. Außerdem dient es in gewissem Umfang auch als Stärkeersatzstoff für Diabetiker.

Eine wichtige Rolle spielt Inulin in der Medizin als Testsubstanz zur Untersuchung von speziellen Nierenfunktionen (Clearance-Tests). Dazu wird Inulin parenteral verabreicht, also zum Beispiel in die Blutbahn injiziert. Da Inulin durch die Niere nicht resorbiert wird, wird es quantitativ ausgeschieden.


Last but not least
Einige Topinambur-Knollen sollte man aufbewahren. Da sie leicht austrocknen, wird empfohlen, sie mit lockerer Erde oder Sand zu bedecken, ab und zu sparsam anzufeuchten und ansonsten in einem dunklen, kühlen Raum zu lagern. Nach der Frostzeit werden sie eingepflanzt. Vielleicht wachsen dann schöne, große Topinambur-Pflanzen heran!

Rüdiger Blume

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Letzte Überarbeitung: 29. Januar 2013, Dagmar Wiechoczek