Uwe Lüttgens
"Schmeckt Dir der Kaffee?“ „Nicht die Bohne!" (Kalenderspruch)
Adventszeit ist die Zeit gemütlicher und familiärer Kaffeerunden. Mein derzeitiger Lieblingskaffee ist eine Mischung, ein sogenannter Blend, verschiedener Arabica-Sorten. Die Mischung führt zu einer angenehm nussigen, leicht schokoladigen Note, ist mit wenig Säure ausgestattet und mittelkräftig. So steht es jedenfalls auf dem Etikett. Bild 1: Etikett der „Falkenseer Röstung“, einer Mischung verschiedener Kaffeesorten (mit freundlicher Genehmigung der Kaffeerösterei RöstTeam Falkensee)
Kann ein Laie solche Nuancen herausschmecken? Wie wird Kaffee professionell getestet? Welche Aromen bestimmen den Geschmack eines Kaffees? Lesen Sie diesen Tipp des Monats, der sich mit den Aromen des Kaffees beschäftigt. Dann wissen Sie mehr! Zu den Hintergründen des Röstens der grünen Kaffeebohnen gibt es bereits einen Tipp. Cupping – so heißt die professionelle Verkostung verschiedener Kaffeesorten, um diese halbwegs objektiv einordnen und auch bewerten zu können. Als Utensilien benötigt man nicht viel: Porzellantassen und ein oder zwei Löffel pro Person (am besten einen aus Silber, der ist geschmacksneutral), eine Kaffeemühle, eine Kaffeekanne (nicht unbedingt notwendig), eine Waage zum Abwiegen der Kaffeebohnen, eine Stoppuhr, um bei allen Tassen die gleiche Brühzeit zu gewährleisten, den Röstkaffee selbst und heißes Wasser. Bild 2: Vorbereitung für ein Cupping: Zwei Kaffeesorten sollten getestet werden (links und rechts, in der Mitte findet sich der Referenzkaffee).
Für die Verkostung hat sich ein mehr oder weniger standardisiertes Vorgehen etabliert: Bild 3: Java Blawan, eine vollmundige, erdige und fruchtige Kaffeesorte aus Indonesien mit wenig Säure (mit freundlicher Genehmigung der Kaffeerösterei RöstTeam Falkensee)
Bild 4: Die Röstbohnen müssen genau eingewogen werden.
Bild 5: Auch das Volumen des heißen Wassers sollte bei jeder Tasse Kaffee gleich sein.
Bild 6: Für die Geruchsprobe wird die Kruste mit zwei Löffeln „gebrochen“.
Bild 7: Beim Cupping wird der Kaffee genüsslich geschlürft, damit sich die Aromen im Mundraum entfalten können.
Bild 8: Aroma-Rad [nach 3, 5] Wie ausgewogen die Kaffeesorte oder die Röstung ist, bestimmen neben den freigesetzten Aromen der Säuregehalt, die Süße und die Bitterkeit sowie die Schärfe und seine Rauigkeit. Für ein Cupping können Sie schrittweise vorgehen [vgl. 5]: Bild 9: Beim Cupping kommt das Aroma-Rad zum Einsatz.
Hinweis: Wer Genaueres zur Zubereitung von Kaffee wissen möchte, gar selbst ein Cupping durchführen möchte oder einfach zu Hause rösten will, dem seien das Buch von Michael Pauzenberger „Kaffee rösten, mahlen, zubereiten“ [3] und das Buch von Claus Fricke „Kafferösten zu Hause“ [5] empfohlen. Nachweisen konnten die damaligen Kaffeeforscher 70 Substanzen. Heute wissen wir, dass mehr als 850 flüchtige Verbindungen zum Aroma des Kaffees beitragen [4, S. 975]. Grob unterscheiden kann man die Aromastoffe, die zu verschiedenartigen Geschmackseindrücken führen: süßen bis karamellartigen, eher erdigen, röstigen bis schwefligen, rauchigen bis phenolischen und würzigen. Zwischen 25 und 30 Schwefelverbindungen sind dabei entscheidend mitverantwortlich für das Aroma des Kaffees [7], die jede für sich genommen kaum von angenehmen Geruch sind. Eine davon, das 2-Furfurylthiol, erinnert stark an den Geruch von Röstkaffee – es handelt sich um einen sogenannten Schlüsselaromastoff. Die Schwefelverbindung ist auch in gekochtem Fleisch oder in Popcorn zu finden [6]. 2-Furfurylthiol Die Aromen einzelner flüchtiger Substanzen können erheblich vom Wohlgeschmack des jeweiligen Kaffees abweichen, wie die kleine Übersicht eindrucksvoll zeigt: Methanthiol Methional 2-Methyl-3-furanthiol Methylpropanal (Isobutanal) 2-Methylbutanal 3-Methylbutanal (Isovaleraldehyd) 4-Vinylguaiacol (2-Methoxy-4-vinylphenol) Guaiacol 2-Ethyl-3,5-dimethylpyrazin 2,3-Diethyl-5-methylpyrazin Ethanal (Acetaldehyd) Propanal (Propionaldehyd) Lässt man den gemahlenen Kaffee offen stehen, gehen rasch über 20 % seines Aromas verloren [4, S. 977]. Schließen Sie daher die Packung sofort, nachdem Sie Ihre Portion Röstbohnen entnommen haben. Sie können ja mal den Geruch einer frisch geöffneten Packung Röstkaffee mit einer Packung vergleichen, die bereits mehrere Wochen angebrochen ist. Sie werden erstaunt sein über den Unterschied. Bild 10: Kaffeebohne und -pulver (grob bzw. fein gemahlen)
Je feiner der Mahlgrad ist, desto größer ist die Oberfläche der einzelnen Kaffeepartikel. [8, S. 15 f.], die wie ein Schwamm von Tunneln und feinen Kanälen durchzogen. Bild 11: Oberfläche einer gerösteten Kaffeebohne, mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) aufgenommen
Durch diese vielleicht 10 bis 20 µm großen Kanäle ist die Kontaktfläche zum heißen Kaffeewasser vergrößert. Durch das Mahlen wird die Oberfläche erneut vergrößert. Das wirkt sich auf die Geschwindigkeit der Extraktion und die Freisetzung der Aromastoffe aus. Dazu eine einfache Abschätzung: Nehmen wir an, der Kaffee, egal ob Bohne oder Pulver, besteht aus kleinen Kugeln. Dann lässt sich über den Radius sowohl das Volumen als auch die Oberfläche bestimmen – angefangen bei der ganzen Bohne bis hin zum fein gemahlenen Mocca. Oberfläche und Volumen von Kaffeepartikeln (die idealisiert als kugelförmig angenommen werden) Interessant ist das Verhältnis der Oberfläche zum Volumen des einzelnen Korns: Es vergrößert sich um mehr als das 300fache von der ganzen Bohne zum fein gemahlenen Kaffee. Aus einer Bohne entstehen ca. 27 Körner grob gemahlener Kaffee, jedoch tausendmal mehr Körner, ungefähr 27.000, bei sehr fein gemahlenem Mocca-Kaffee. Entsprechend wächst das Verhältnis der gesamten Oberfläche zum Volumen des Kaffees rasant an – um das 875.000fache – also fast um den Faktor von 1 Million. Mathematiker würden sagen: Beim Kaffeemahlen nimmt mit zunehmendem Mahlgrad die Oberfläche bei gleichem Volumen exponentiell zu. Und das hat Auswirkungen auf die beim Brühvorgang freigesetzten Aromastoffe: Je mehr Partikel mit entsprechend größerer Oberfläche mit dem heißen Wasser in Berührung kommen, desto mehr Aromen, aber auch Bitterstoffe können sehr schnell freigesetzt werden – genauer gesagt: extrahiert werden, denn Verfahrenstechniker sprechen von einer Extraktion (lat. extrahere: entnehmen, herausziehen) bei der Zubereitung von Kaffee. Die Inhaltsstoffe verteilen sich gleichmäßig im Wasser; also findet eine Diffusion (lat. diffundere: ausgießen, ausbreiten, verstreuen) statt. Da sich im Brühwasser sowohl ölige Komponenten als auch feste Partikel verteilen, hat man es mit einer Emulsion (lat. ex mulgere: heraus melken) bzw. einer Suspension (lat. suspendere: aufhängen, in der Schwebe lassen) zu tun [vgl. 5]. Übrigens: Kaffeemühlen für den professionellen Gebrauch mahlen die Bohnen langsam, da mit zunehmender Umdrehung des Mahlwerks der gemahlene Kaffee warm oder gar heiß werden kann, was zu Einbußen im Aroma führen kann. Extraktion von Kaffee Material: Kaffee (ganze Bohne), Mörser mit Pistill, 6 Bechergläser (40 ml), Leitungswasser, Wasserkocher Drei ganze Kaffeebohnen, drei grob gemahlene sowie drei fein gemahlene Bohnen werden jeweils in ein Becherglas gegeben und mit Leitungswasser (25 ml) übergossen. Nach 5 min wird die Färbung des Extrakts geprüft. Der Versuch wird mit kochendem Wasser wiederholt. Bild 12: Ergebnisse des Versuchs (Ganze Bohne, grob bzw. fein gemahlen (von oben nach unten); jeweils bei Raumtemperatur (li.) und bei 100 °C (re.))
Obwohl auch das geht! Beim sogenannten Cold Brew oder Cold Drip – einer kalten Extraktion spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle, damit die Aromen aus dem gerösteten Kaffeepulver in das Wasser übergehen. Die kalte Extraktion, bei der tropfenweise das Wasser durch das Kaffeepulver rinnt, kann 12 Stunden und länger dauern. Sicherlich nichts für den schnellen Kaffee zwischendurch.
Der Ursprung des aufputschenden Getränks soll einer anderen Legende nach in Äthiopien liegen. Genauer: In der Provinz Kaffaim abessinischen Hochland. Dort kam man auf die Idee, die roten Kaffeekirschen nicht nur zu kauen, sondern zu rösten, anschließend zu mahlen und mit kochendem Wasser aufzubrühen. Ob dort ein Waldbrand, bei dem auch Kaffeepflanzen betroffen waren, zu der Erkenntnis geführt hat, dass man die Kaffeekirsche vor dem Genuss rösten sollte, wird wohl nie geklärt werden. Jedenfalls wanderten das erworbene Wissen und die Kunst der Kaffeezubereitung anschließend über die Türkei zu uns nach Europa [9]. Übrigens: In Cupping-Kursen können Sie unter professioneller Anleitung lernen, guten von schlechtem Kaffee zu unterscheiden [10]. So, nun brühe ich uns erst einmal einen leckeren Advents-Kaffee...
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