Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie


Tipp des Monats August 2020 (Tipp-Nr. 278)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Rettungsfolie fürs Homeschooling – Experimente zu Coronazeiten

Jens Schorn

Bild 1: Eine Rettungsdecke
(Foto: Schorn)

Mitten in der Sommerpause und dazu noch unter verordneter Distanz aufgrund der Corona-Epidemie denkt kaum jemand an die kommenden Herausforderungen eines experimentellen Chemieunterrichts. Das wissenschaftliche Experimentieren spielt in der Schulchemie eine Schlüsselrolle, sowohl im Prozess der Erkenntnisgewinnung, wie auch für einen handlungsorientierten Unterricht mit hohem Selbsterfahrungswert. Aus diesem Grund ist das Experimentieren im Chemieunterricht fundamentaler Bestandteil aller Lehrpläne. Die Durchführung wird durch die Bildungsinstitutionen mit erheblichem Aufwand (Naturwissenschaftliche Unterrichtsräume, Geräte- und Chemikaliensammlungen, qualifiziertes Lehrpersonal, Sicherheitsregelwerke) gewährleistet.

Hatten viele Schüler zum Ende des letzten Schuljahres durch verordnete Schulschließungen keine oder kaum die Möglichkeit in den naturwissenschaftlichen Unterrichtsräumen zu experimentieren, so wird dies auch nach den Sommerferien in vielen Schulen keine regelmäßige experimentelle Auseinandersetzung in den Naturwissenschaften wie im ursprünglichen Regelbetrieb geben.

Homeschooling mit chemischen Experimenten (häusliches Experimentieren) muss unterschiedliche Kriterien beachten:

  • Häusliche Räumlichkeiten
  • Vorhandene Alltagschemikalien und Geräte
  • Gefährdungspotential
  • Aufsicht durch Erwachsene

Es finden sich wenige Angebote, die diese Kriterien berücksichtigen und über einen rein phänomenologischen Ansatz hinausgehen.

Dieser Tipp soll einen Beitrag leisten für machbare Experimente mit einfachen Haushaltsmitteln.

Die hier vorgestellten Experimente passen zu den Themengebieten Metalle und ihre Eigenschaften, Unterscheidung von Kunststoffen sowie Laugen und ihre Wirkung auf Metalle.

Rettungsdecken kennt jeder, der entweder schon einmal einen Erste Hilfekurs gemacht hat oder der in einem Notfall eine solche Decke aus einem Erste Hilfe Koffer verwendet hat.

Bei diesen Decken handelt es sich um Folien aus Kunststoffen, die mit Metall bedampft sind, sodass sie eine silberne Seite und eine goldene Seite erhalten. Die Maße sind standardmäßig auf 210 cm x 160 cm festgelegt und werden in der Regel in diesen Abmessungen im Falle der Ersten Hilfe eingesetzt, um entweder eine verunglückte Person zu kühlen oder zu wärmen. Für den Fall der Kühlung soll die silberne Seite nach außen zeigen. Im Falle des Wärmeerhalts einer Person soll die silberne Seite zur Person zeigen. In beiden Fällen sorgt die silberne Seite für die Reflektion der Wärmestrahlung entweder weg oder hin zu der Person.

Solche Folien werden in abgewandelter Form z.B. auch bei der Lebensmittelverpackung von Chips oder anderen Lebensmitteln verwendet, die einerseits luftdicht sowie licht- und wärmegeschützt aufbewahrt werden sollen. Da es sich hierbei meist um Folien handelt, bei denen die Metallschicht beidseitig beschichtet ist, kommt eine solche Folie für das hier gezeigte Experiment nicht in Frage.


Aus welchem Metall besteht diese Folie?

a) Zur Beantwortung dieser Fragen lassen wir die Metallschicht mit einer Lauge aus dem Haushalt reagieren, was einem Ätzvorgang gleicht.

b) Gleichzeitig bestimmt man die Massendifferenzen und erhält die Massenanteile von Metall und Kunststofffolie.


Experiment 1: Auflösen von Aluminium einer Rettungsdecke mit Waschsoda

Geräte: Kleine Plastikwanne (16er Verpackung von bekannten Pralinen ist gut geeignet), Küchenwaage (Genauigkeit: 1 g), abwischbare Unterlage, Teelöffel, Küchentücher, Schere.

Chemikalien: Waschsoda, Leitungswasser, Rettungsdecke

Bild 2: Käufliche reine Soda
(Foto: Schorn)

Durchführung:

1. Die Rettungsdecke aus der Packung nehmen und die Masse der Rettungsdecke bestimmen.

Bild 3: Massenbestimmung der verwendeten Rettungsdecke
(Foto: Schorn)

2. In der Plastikwanne eine Lösung aus 200 g Leitungswasser und 40 g Waschsoda herstellen und mit dem Teelöffel gut vermischen.

Bild 4: Sodalösung in einer Plastikwanne – Einwaage der Soda
(Foto: Schorn)

3. Die Rettungsdecke im zusammengefalteten Zustand in vier gleich große Stücke schneiden.

4. Die vier Stücke im gefalteten Zustand nacheinander für die Dauer von 24 Stunden in das Sodabad einlegen. Dabei unbedingt darauf achten, dass jedes einzelne Stück der Decke komplett untergetaucht ist und die Sodalösung die gesamte Oberfläche benetzt.

Bild 5: Teil einer Rettungsdecke nach 24 Stunden Einwirkzeit im Sodabad
(Foto: Schorn)

5. Nach 24 Stunden das Stück mit einem Löffel aus der Wanne nehmen und im Waschbecken unter fließendem Wasser waschen und an der Luft trocknen lassen.

Bild 6: Teil einer Rettungsdecke ohne Metallbeschichtung
(Foto: Schorn)

6. Falls die Metallschicht an einigen Stellen noch haften sollte, die Decke erneut für einige Stunden in das Bad zurücklegen und einwirken lassen.

7. Die Gesamtmasse aller trockenen Teilstücke der Folie bestimmen.

Beobachtung: Die Folie verliert ihren metallischen Glanz und wird komplett durchsichtig und je nach Foliensorte farblos. In der Sodalösung bleibt z.T. eine gelblich schleimige Schicht zurück.

Ergebnis: Die Aluminiumschicht wurde durch die Sodalösung aufgelöst. Zurück bleibt die Kunststofffolie. Reste einer aufgelösten Lackbeschichtung färben das Wasser gelblich. Die Folie ohne Metallbeschichtung wiegt 53 g.

Die verwendete Sodalösung besteht aus Natriumcarbonat Na2CO3, wobei die Carbonat-Ionen als sogenannte Brönstedt-Base mit Wasser zu Hydroxidionen (OH-) reagieren.

(1) Na2CO3 + H2O —> 2 Na+ + HCO3- + OH-

Lösungen mit diesen Teilchen bezeichnet man als Laugen.

Im Allgemeinen reagieren Metalle nicht mit Laugen, aber Aluminium macht hier eine Ausnahme. Aluminium bildet an der Luft eine sogenannte Passivierungsschicht aus Aluminiumoxid aus. Wird diese Schicht nur geringfügig zerstört, so reagierte das unter der Schicht befindliche Aluminium der Rettungsfolie mit den Hydroxidionen der Lauge und löst sich dabei auf. Es entsteht ein Salz des Aluminiums (hier handelt es sich um eine Komplexverbindung), das Aluminat genannt wird. Außerdem entsteht noch Wasserstoffgas H2. Die Passivierungsschicht löst sich dabei langsam auf, deshalb benötigt die Reaktion Zeit.

(2) 2 Al + 6 H2O + 2 Na+ + 2 OH- —> 2 Na[Al(OH)4] + 3 H2

Dadurch, dass nur Aluminium diese Eigenschaft der Auflösung durch eine Lauge zeigt, haben wir indirekt nachgewiesen, dass es sich bei der Metallbeschichtung der Rettungsdecke um Aluminium handelt.

Der eindeutige Nachweis von Aluminium ist auf chemische Weise möglich und kann hier nachgelesen werden.

Der hier gezeigte Versuch soll in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden können. Viele Haushalte besitzen zwar in Form von Abflussreinigern eine viel stärkere Lauge, aber die Gefahren (klicke hier) im Umgang mit diesen Chemikalien lassen sich nur im schulischen Labor vermeiden.


Aus welchem Kunststoff besteht diese Folie?
Um den Nachweis der Kunststoffsorte zu erbringen, lässt sich im Haushalt eine einfache Versuchsreihe durchführen.


Versuch 2: Identifikation von Kunststoffsorten durch Dichtevergleich

Geräte: 2 kleine Plastikwannen (16 er Verpackung von bekannten Pralinen ist gut geeignet), Küchenwaage (Genauigkeit: 1 g), abwischbare Unterlage, Teelöffel, Küchentücher, Schere, Beschriftungsstift.

Chemikalien: Soda, Leitungswasser, 1 cm2 große Probenstücke der Rettungsfolie aus Experiment 1, sowie von Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS)
(Hinweis: Es ist darauf zu achten, dass hier keine Copolymere verwendet werden, sodass Vergleichsproben durch die Lehrkraft zur Verfügung gestellt werden oder man sich aus häuslichen Verpackungsmaterialien selbst Proben ausschneidet. Die Symbole PP und PS lassen eine Identifizierung auf Lebensmittelverpackungen zu).

Durchführung:

  1. In beide Plastikwannen gibt man jeweils 200 g Leitungswasser. In einer löst man erneut 40 g Soda auf, sodass eine Lösung mit der Dichte von ca. 1,18 g / cm3 entsteht [1].
    (Hinweis: Die Vergleichslösung lässt sich auch mit Kochsalz herstellen. Hierbei müsste es eine 24 %ige Lösung sein. In den meisten Haushalten ist aber kein reines Kochsalz vorhanden, sodass hier auf das Waschsoda in reiner Form zurückgegriffen werden sollte.)
  2. Man beschriftet die drei Kunststoffproben und gibt sie zuerst in die Wanne mit Leitungswasser und anschließend in die Wanne mit der Sodalösung. Dabei drückt man die Proben zuerst unter die Wasseroberfläche und achtet darauf, dass sie nicht am Wannenrand haften bleiben.

Bild 7: Kunststoffproben (PP, RF=Rettungsfolie, PS) in Sodalösung oben und Leitungswasser unten
(Foto: Schorn)

Beobachtung: PP schwimmt auf Leitungswasser, während PS und die Rettungsfolie untergehen. In der Sodalösung schwimmen PP und PS während die Rettungsfolie untergeht. Mit Hilfe der folgenden Dichteangaben [2] kann der Kunststoff der Rettungsfolie identifiziert werden.

Stoff Dichte in g / cm3
Polypropylen (PP) 0,9 - 1,0
Polystyrol (PS) 1,05
Polyethylenterephthalat (PET) 1,30 - 1,32
Wasser 1,0
Sodalösung (Massenkonzentration 200 g / L) 1,18

Ergebnis: PP schwimmt auf dem Leitungswasser, weil die Dichte geringer als 1,0 g / cm3 ist. Die beiden anderen Kunststoffe schwimmen, weil ihre Dichte größer als von Wasser ist. In der Sodalösung geht nur die Rettungsdecke unter, da sie die größte Dichte hat und deshalb zu Boden sinkt. Die Rettungsdecke besteht also aus PET. Die Dichteuntersuchung von Kunststoffen stellt keinen eindeutigen Nachweis dar, sondern ist ein weiteres Verfahren zur Identifizierung von Kunststoffen. Die Kombination solcher Verfahren, wie hier beschrieben kann zur eindeutigen Identifizierung von Kunststoffen führen.

Demnach bestehen die Rettungsdecken aus Polyethylenterephthalat, einem thermoplastischen Kunststoff, der mit Aluminium bedampft wurde.

Mit den Ergebnissen der Massenbestimmung aus dem Experiment 1 könnte man noch einige Überlegungen zum Aufbau solch einer Rettungsdecke anstreben.

Die Maße der Rettungsdecke betragen 210 cm * 160 cm.
Die Fläche A ist demnach 33600 cm2.
Die Masse von PET wurde mit 53 g gemessen und damit liegt die Masse von Aluminium und Lackschicht bei 14 g.

Die Schichtdicken metallisierten PET Folien werden mit 3-50 nm angegeben [3].

Rettungsdecken aus dem Kunststoff Polyethylenterephthalat sind sehr reißfest, aber dabei sehr leicht. Die Bedampfung mit Aluminium bei diesen geringen Schichtdicken bietet einen sehr guten Schutz vor Wärmestrahlung und UV-Licht.

Das Experimentieren mit solch einfachen haushaltsüblichen Geräte und Materialien ist im Rahmen von Homeschooling für den Anfangsunterricht der Chemie möglich und führt zu zufriedenstellenden Ergebnissen, kann aber die weiterführen Fragen ohne die damit notwendigen Untersuchungen im Schullabor natürlich nicht beantworten.


Quellen:
[1] Dichtetabelle von Natriumcarbonat http://www.periodensystem-online.de/index.php?id=lists&form=Dichtewerte&sst=17 (zuletzt abgerufen am 28.07.2020)
[2] Dichteangeben von Stoffen https://wiki.polymerservice-merseburg.de/index.php/Dichte (zuletzt abgerufen am 28.07.2020)
[3] https://alfipa.de/anwendungen/metallisierte-pet-met-folie/ (zuletzt abgerufen am 28.07.2020)


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 2. Juli 2020, Fritz Meiners