Diese Meldung stand am 14. Juli 2004 in den Zeitungen:
Was ist da geschehen? Was war das für eine chemische Reaktion? Gleich vorneweg: Es handelt sich um ein komplexes chemisch-physikalisches Geschehen, das aber auch ein Schüler der Sekundarstufe I verstehen sollte.
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Egal, was man über Abflussreiniger sagt: Man kann mit ihnen viel über Chemie lernen. Abflussreiniger enthalten grundsätzlich stark ätzende, alkalische Substanzen: Natriumhydroxid (NaOH) oder Kaliumhydroxid (KOH). Alte Bezeichnungen dafür sind Ätznatron oder Ätzkali. Diese bilden mit Wasser starke Laugen. Sicherheitshinweis:
Ob es sich um NaOH oder KOH handelt, kann man zumindest in Grenzen mit der Flammenfärbung zeigen. Lang anhaltende, intensiv dunkelgelbe Flammenfärbung zeigt Natrium an. Lilablaue Färbung weist auf Kalium hin.
Außerdem sind im festen Abflussreiniger metallische Körner zu erkennen. Das ist Aluminium. Zu seinem chemischen Nachweis führen wir später einen Versuch durch (-> Versuch 6). (Foto: Daggi)
Außerdem erreicht man nicht viel: Ätzende Laugen greifen die Emaille oder Glasuren von Wanne, Duschbecken oder Toiletten an. Denn Emaille und Glasuren bestehen aus silikatischem, glasartigem Material (Stichwort "Glaskorrosion"). Das Material fühlt sich nach dem Kontakt mit Laugen ganz stumpf an und verschmutzt auch viel rascher als unbeschädigte Oberflächen.
Zuvor ein Hinweis: Wir können und wollen mit schulischen Mitteln nicht alle chemischen Komponenten nachweisen, die sich im Abflussreiniger befinden, und deren Wirkungen demonstrieren. 1 Fette zersetzen sich in alkalischen Lösungen
Bei der Fettzersetzung (Hydrolyse) läuft folgende Reaktion ab: Fett + 3 NaOH > Glycerin + 3 Natriumsalze der Fettsäuren Dabei wird Natronlauge verbraucht. Das erkennt man daran, dass das Phenolphthalein entfärbt wird. (Der Blindversuch ist notwendig, da sich Phenolphthalein in konzentrierteren Laugen ebenfalls entfärbt. Das kennt man auch vom Kristallviolett.) Die Fähigkeit der Laugen, Ester wie die Fette zu spalten, ist auch die Ursache der Schädigung von Acrylglaswannen durch Abflussreiniger. Auf die Probleme wird in den Warnhinweisen der Verpackung ausdrücklich hingewiesen. Denn Acrylglas besteht aus dem Kunststoff PMMA (Polymethmethylacrylat), das auch als Plexiglas bekannt ist. Dessen Monomeres ist der Methyl-Ester der Meth-acrylsäure. 2 Beim Mischen von Abflussreinigern mit Wasser heizt sich das
System auf
Der Grund ist, dass das Lösen von Alkalimetall-Hydroxiden (anders als bei "echten" Salzen) stark exotherm ist. Hierzu eine Story: Ein mir bekanntes Ehepaar füllte reichlich festen Abflussreiniger in den Auslauf einer Badewanne. Dann gossen sie Wasser darauf. Die Lösungswärme führte dazu, dass der Reiniger förmlich geschmolzen ist und den Abfluss endgültig lahm legte. Da half nur eines: Literweise Salzsäure zugeben und vorsichtig neutralisieren. Die Leute hatten einen Tag zu tun... Deshalb sollte man wirklich den wichtigen Hinweis auf der Verpackung beherzigen: Abflussreiniger sind immer nur gering zu dosieren! 3 Haare zersetzen sich in Laugen
Auch hier gilt: In heißer Lauge verläuft die Reaktion schneller, die Haare zersetzen sich deshalb noch besser. 4 Aluminium reagiert mit Natronlauge unter Gasbildung
Bei diesem Versuch wird die Aufgabe des Aluminiums deutlich: Es dient zur Erzeugung eines Gases. Den Ablauf untersuchen wir im nächsten Versuch genauer.
Bei all den Versuchen stellen wir fest, dass sich stets ein schwarzer Niederschlag bildet. Es handelt sich um fein verteiltes Metallpulver, das in den Aluperlen "versteckt" war. Im Abflussreiniger wird sicherlich nicht Reinaluminium, sondern Legierungsabfall verwendet. Beispielsweise sind Al-Cu-Legierungen wichtig für die Elektrotechnik. Außerdem ist Kupfer zusammen mit Chlorid-Ionen Katalysator bei der Korrosion von Aluminium. Folgende Reaktion läuft ab: Aluminium ist so unedel, dass es mit Wasser
reagiert. Das Wasser spielt hier die Rolle einer Säure. Nun werden Sie sagen: Aluminium
ist doch in Wasser stabil. Denn es bildet bekanntlich einen feinen, aber sehr
fest haftenden Überzug aus Aluminiumoxid (Passivierung).
2 Al + 6 H2O > 2 Al(OH)3 + 3 H2 Al(OH)3 + OH- > [Al(OH)4]- Bei dieser Reaktion bilden sich beträchtliche Mengen an Wasserstoff - wiederum unter starker Hitzeentwicklung. Den Wasserstoff wollen wir nachweisen. Wir müssen Ihnen aber zuvor unbedingt unsere Erfahrungen zu diesem Versuch schildern: Wir haben nämlich zunächst versucht, das Gas "über Wasser" aufzufangen. Das ist uns gänzlich misslungen, denn uns ist dabei aufgrund der heftigen Reaktion die Gasentwicklungs-Apparatur glatt auseinandergeflogen. (Das war aber kein sonderliches Problem für uns, denn wir waren mit Schutzbrille, Handschuhen und Kittel gewappnet.) Deshalb sollten Sie den Versuch wie im Folgenden beschrieben durchführen.
Was lernen wir daraus? Man sollte beim Abflussreinigen nicht nur eine Schutzbrille und laugenstabile Handschuhe tragen, sondern auch nicht rauchen... Die Gasbildung ist von den Mischern des Abflussreinigers gewollt: Denn die Gasbildung bewirkt eine Auflockerung des in Zersetzung befindlichen Fett/Haar-Pfropfens. Bleibt noch die Frage, warum man kein anderes Gas nimmt. Es gibt keines, das sich in solchen Mengen unter den Bedingungen des Abflussreiniger-Systems bildet. Da Wasserstoff aber nicht ganz ungefährlich ist, will man dessen Entstehung ein wenig "abpuffern". Dazu mischt man dem Reiniger Nitrat oder Nitrit zu. Diese reagieren unter diesen Bedingungen mit Wasserstoff zu Ammoniak. Formal gilt für Nitrat: NO3- + 4 H2 > NH3 + 2 H2O + OH- Chemische Puristen (wie mein Freund Heiner Schönemann aus Neukirchen-Vluyn) formulieren diese Reaktionsgleichung gern anders. Bei denen ist das Reduktionsmittel das unedle Metall (-> Webseite). Egal wie das Ammoniak entsteht: Jetzt verstehen wir auch, warum man beim Lösen des Abflussreinigers einen deutlichen Geruch nach Ammoniak feststellt. Dieses Ammoniak hat auch farbliche Auswirkungen auf die Nachweisreaktion von Aluminium (-> Versuch 6). Abflussreiniger sind übrigens stark hygroskopisch. Das merkt man, wenn man eine Probe offen stehen lässt. Deshalb sind die Gefäße immer gut zu verschließen.
Zu den Auswirkungen und Verletzungen: Wenn man bedenkt, dass nicht nur scharfe Flaschensplitter herumflogen, sondern auch hochkonzentrierte, ätzende und dazu noch kochend heiße Lauge verspritzt wurde und die Splitter diese dazu noch in die Wunden trugen, wird einem das Ausmaß des Unglücks deutlich. Zu den gesundheitlichen Folgen für die Verletzten kommen sicherlich noch juristische Verfahren und versorgungsrechtliche Ansprüche auf die Kinder oder ihre Eltern zu. Juristisch ist wohl alles klar: Die Warnhinweise auf der Verpackung zumindest des von uns ausgewählten Produkts Drano sind deutlich genug. Wer die ignoriert, handelt nicht mehr fahrlässig, sondern vorsätzlich und nimmt ein Unglück in Kauf.
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