Prof. Blumes Tipp des Monats August 2004 (Tipp-Nr. 86)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Abflussreiniger sind gefährlich

Diese Meldung stand am 14. Juli 2004 in den Zeitungen:

Mehr als ein Schülerstreich
Durch eine Explosion ist ein 14-jähriges Mädchen schwer verletzt worden. Kinder hatten erst Abflussreiniger und dann Wasser in eine Sprudelflasche gefüllt. Sie schüttelten die verschlossene Flasche und lösten dadurch eine chemische Reaktion aus, die zur Explosion dieser selbstgebastelten "Rohrbombe" führte.

Was ist da geschehen? Was war das für eine chemische Reaktion? Gleich vorneweg: Es handelt sich um ein komplexes chemisch-physikalisches Geschehen, das aber auch ein Schüler der Sekundarstufe I verstehen sollte.


Die Zusammensetzung der Abflussreiniger gibt Aufschluss
Zunächst müssen wir klären, woraus Abflussreiniger bestehen. Wir haben in unserem Supermarkt für unsere Experimente aus verschiedenen Produkten den Klassiker unter den festen Abflussreinigern Drano Rohrfrei ® der Firma Johnson Wax GmbH ausgewählt. Das ist nichts anderes als Rohrfrei, das klassische Synonym für Abflussreiniger. Sein Gefahrensymbol ist (C).

C

Ätzend

Egal, was man über Abflussreiniger sagt: Man kann mit ihnen viel über Chemie lernen.

Abflussreiniger enthalten grundsätzlich stark ätzende, alkalische Substanzen: Natriumhydroxid (NaOH) oder Kaliumhydroxid (KOH). Alte Bezeichnungen dafür sind Ätznatron oder Ätzkali. Diese bilden mit Wasser starke Laugen.

Sicherheitshinweis:
Lesen Sie zunächst auf jeden Fall zusammen mit den Schülern die Warnhinweise auf der Verpackung!
Abflussreiniger und Laugen sind auch verdünnt extrem stark ätzende Substanzen, deren Kontakt mit Haut, Schleimhaut und vor allem mit der Hornhaut der Augen schreckliche Folgen haben kann. Deshalb ist bei allen Versuchen mit Abflussreinigern (und mit Laugen sowieso) das Tragen von Schutzbrillen Pflicht. Auch sollten laugenfeste Handschuhe angelegt werden.
Die Versuche sind deshalb in erster Linie als Demonstrationsversuche durch den Lehrer durchzuführen.

Versuch 1: Prüfen eines Abflussreinigers mit Universalindikator
Man legt eine kleine Probe des Reinigers auf feuchtes Indikatorpapier.
Ergebnis:
Eine Lauge wird angezeigt.

Ob es sich um NaOH oder KOH handelt, kann man zumindest in Grenzen mit der Flammenfärbung zeigen. Lang anhaltende, intensiv dunkelgelbe Flammenfärbung zeigt Natrium an. Lilablaue Färbung weist auf Kalium hin.

Versuch 2: Flammenfärbung mit Abflussreinigern
Mit einem zuvor ausgeglühten Magnesiastäbchen wird eine Probe des Reinigers genommen. Man hält das Stäbchen in die heiße, entleuchtete Flamme eines Bunsenbrenners.
Ergebnis:
Unser ausgewähltes Produkt enthält Natronlauge.

Außerdem sind im festen Abflussreiniger metallische Körner zu erkennen. Das ist Aluminium. Zu seinem chemischen Nachweis führen wir später einen Versuch durch (-> Versuch 6).

(Foto: Daggi)


Hier wird schon der erste Nachteil der Nutzung von Abflussreinigern deutlich
Wenn solche ätzenden Substanzen in chemischen Labors benutzt werden, müssen die oben angeführten Sicherheitsbestimmungen genau befolgt werden. Wer macht das schon im Haushalt?

Außerdem erreicht man nicht viel: Ätzende Laugen greifen die Emaille oder Glasuren von Wanne, Duschbecken oder Toiletten an. Denn Emaille und Glasuren bestehen aus silikatischem, glasartigem Material (Stichwort "Glaskorrosion"). Das Material fühlt sich nach dem Kontakt mit Laugen ganz stumpf an und verschmutzt auch viel rascher als unbeschädigte Oberflächen.


Worauf beruht die Wirkung der Abflussreiniger?
Abflüsse von Dusche oder Badewanne sind meistens durch Haare und fettige Ablagerungen verstopft. Abflussreiniger haben die Aufgabe, diese Pfropfen zu entfernen. Dabei zersetzen sie diese förmlich - wie wir im Folgenden zeigen wollen. (Flüssigen Abflussreinigern werden meistens noch Tenside zugemischt.)

Zuvor ein Hinweis: Wir können und wollen mit schulischen Mitteln nicht alle chemischen Komponenten nachweisen, die sich im Abflussreiniger befinden, und deren Wirkungen demonstrieren.

1 Fette zersetzen sich in alkalischen Lösungen
Dass sich Fette in Alkalien lösen, ist wohl aus der Seifenherstellung bekannt. Um das Zersetzen zu zeigen, kann man Fette in verdünnter Natronlauge erwärmen. Tenside fördern die Reaktion, indem sie die Fette emulgieren.

Versuch 3: Laugen zersetzen Fette
In einem Reagenzglas wird eine Mischung aus 1 Tropfen fettem Öl und 3 ml Methanol (T, F) mit wenigen Tropfen einer alkoholischen Phenolphthaleinlösung (F), versetzt. Anschließend wird aus einer Tropfpipette so viel methanolische Natronlauge (w = 0,1 % in Methanol) (Xi, T, F) zugegeben, dass gerade eine Rotfärbung zu erkennen ist. Wir erwärmen 5-10 min. auf dem Wasserbad (t = 70 °C). Entfärbung der Lösung oder deutliche Farbaufhellung weisen auf Carbonsäureester hin.

Bei der Fettzersetzung (Hydrolyse) läuft folgende Reaktion ab:

Fett + 3 NaOH ———> Glycerin + 3 Natriumsalze der Fettsäuren

Dabei wird Natronlauge verbraucht. Das erkennt man daran, dass das Phenolphthalein entfärbt wird. (Der Blindversuch ist notwendig, da sich Phenolphthalein in konzentrierteren Laugen ebenfalls entfärbt. Das kennt man auch vom Kristallviolett.)

Die Fähigkeit der Laugen, Ester wie die Fette zu spalten, ist auch die Ursache der Schädigung von Acrylglaswannen durch Abflussreiniger. Auf die Probleme wird in den Warnhinweisen der Verpackung ausdrücklich hingewiesen. Denn Acrylglas besteht aus dem Kunststoff PMMA (Polymethmethylacrylat), das auch als Plexiglas bekannt ist. Dessen Monomeres ist der Methyl-Ester der Meth-acrylsäure.

2 Beim Mischen von Abflussreinigern mit Wasser heizt sich das System auf
Und wie steht es beim praktischen Abflussreiniger mit der Erwärmung?

Versuch 4: Temperaturmessung beim Lösen von Abflussreinigern
Abzug! Es entsteht Natronlauge-Aerosol!

Wir geben etwa 20 g Abflussreiniger in ein Becherglas und geben 50 ml Wasser dazu. Wir messen die Temperatur des Wassers vor und nach dem Mischen.
Ergebnis:
Wir erhielten eine Temperaturerhöhung von 83 °C.

Der Grund ist, dass das Lösen von Alkalimetall-Hydroxiden (anders als bei "echten" Salzen) stark exotherm ist.

Hierzu eine Story: Ein mir bekanntes Ehepaar füllte reichlich festen Abflussreiniger in den Auslauf einer Badewanne. Dann gossen sie Wasser darauf. Die Lösungswärme führte dazu, dass der Reiniger förmlich geschmolzen ist und den Abfluss endgültig lahm legte. Da half nur eines: Literweise Salzsäure zugeben und vorsichtig neutralisieren. Die Leute hatten einen Tag zu tun...

Deshalb sollte man wirklich den wichtigen Hinweis auf der Verpackung beherzigen: Abflussreiniger sind immer nur gering zu dosieren!

3 Haare zersetzen sich in Laugen
Hierzu gleich ein Versuch.

Versuch 5: Laugen zersetzen Haare
Man bereitet sich eine Kalilauge (w = 20 %) (C). In die noch heiße Lösung gibt man ein Büschel Haare und erhitzt weiter im Wasserbad.
Ergebnis:
Nach 10 Minuten sind die Haare verschwunden.

Auch hier gilt: In heißer Lauge verläuft die Reaktion schneller, die Haare zersetzen sich deshalb noch besser.

4 Aluminium reagiert mit Natronlauge unter Gasbildung
Nun untersuchen wir noch die dritte Komponente des Abflussreinigers. Zunächst weisen wir das vermutete Aluminium nach.

Versuch 6: Nachweis von Aluminium
Eine Spatelspitze Abflussreiniger wird in 5 ml Wasser gelöst. Wir achten darauf, dass die Probe auch ein paar Metallstückchen enthält. Nach der chemischen Reaktion lassen wir die Mischung abkühlen und filtrieren durch ein feuchtes Filterpapier. Dann geben wir eine Lösung von Alizarin S (w = 0,1 %) zu.
Ergebnis:
Die Lösung färbt sich rotviolett. Beim Ansäuern schlägt die Farbe in Orange bis Gelb um (etwas warten!). Das ist ein Hinweis auf das Vorliegen von Aluminium in Gegenwart von Ammoniak.

Bei diesem Versuch wird die Aufgabe des Aluminiums deutlich: Es dient zur Erzeugung eines Gases. Den Ablauf untersuchen wir im nächsten Versuch genauer.

Versuch 7: Die Reaktion zwischen Laugen und Aluminium erzeugt ein Gas
Abzug! Es entsteht Natronlauge-Aerosol!

Mit Alkohol (F) entfernen wir aus einem Teelichtbecher aus Aluminium die letzten Reste von Kerzenwachs. Dann stellen wir den Becher in ein Glas. Wichtig: Wir sorgen noch dafür, dass wir einen Becher Wasser zur Verfügung haben, um die Reaktion zu unterbrechen.
Nun füllen wir konzentrierte Natronlauge (c = 10 %) (C) in den Alu-Becher.
Ergebnis:
Nach kurzer Anlaufphase beginnt sich der Alu-Becher immer heftiger unter Gasbildung zu zersetzen. Dabei heizt sich das System stark auf.
Wenn die Reaktion zu heftig wird, muss unbedingt mit Wasser verdünnt werden. Gefahr einer Knallgasexplosion!

Bei all den Versuchen stellen wir fest, dass sich stets ein schwarzer Niederschlag bildet. Es handelt sich um fein verteiltes Metallpulver, das in den Aluperlen "versteckt" war. Im Abflussreiniger wird sicherlich nicht Reinaluminium, sondern Legierungsabfall verwendet. Beispielsweise sind Al-Cu-Legierungen wichtig für die Elektrotechnik. Außerdem ist Kupfer zusammen mit Chlorid-Ionen Katalysator bei der Korrosion von Aluminium.

Folgende Reaktion läuft ab: Aluminium ist so unedel, dass es mit Wasser reagiert. Das Wasser spielt hier die Rolle einer Säure. Nun werden Sie sagen: Aluminium ist doch in Wasser stabil. Denn es bildet bekanntlich einen feinen, aber sehr fest haftenden Überzug aus Aluminiumoxid (Passivierung).
Aluminiumoxid oder auch -hydroxid wird aber durch zusätzlich anwesende Laugen zersetzt, die mit Aluminium einen löslichen Komplex ("Aluminat") bildet. Formal gilt:

2 Al + 6 H2O ———> 2 Al(OH)3 + 3 H2

Al(OH)3 + OH- ———> [Al(OH)4]-

Bei dieser Reaktion bilden sich beträchtliche Mengen an Wasserstoff - wiederum unter starker Hitzeentwicklung. Den Wasserstoff wollen wir nachweisen.

Wir müssen Ihnen aber zuvor unbedingt unsere Erfahrungen zu diesem Versuch schildern: Wir haben nämlich zunächst versucht, das Gas "über Wasser" aufzufangen. Das ist uns gänzlich misslungen, denn uns ist dabei aufgrund der heftigen Reaktion die Gasentwicklungs-Apparatur glatt auseinandergeflogen. (Das war aber kein sonderliches Problem für uns, denn wir waren mit Schutzbrille, Handschuhen und Kittel gewappnet.) Deshalb sollten Sie den Versuch wie im Folgenden beschrieben durchführen.

Versuch 8: Prüfen des entstehenden Gases (Vorsicht! Schutzbrille!)
Sehr wenig Substanz und Wasser nehmen!
Nehmen Sie einen Erlenmeyerkolben mit durchbohrtem Stopfen, durch das Sie ein Glasrohr führen. Dann starten Sie die Reaktion, indem Sie zur Abflussreiniger-Substanz ein wenig Wasser zutropfen. Setzen Sie dann rasch den durchbohrten Stopfen auf und halten Sie ein Reagenzglas (und danach vielleicht noch einige mehr) darüber. Führen Sie damit die Knallgasprobe durch.
Ergebnis:
Die Knallgasprobe ist positiv.

Was lernen wir daraus? Man sollte beim Abflussreinigen nicht nur eine Schutzbrille und laugenstabile Handschuhe tragen, sondern auch nicht rauchen...

Die Gasbildung ist von den Mischern des Abflussreinigers gewollt: Denn die Gasbildung bewirkt eine Auflockerung des in Zersetzung befindlichen Fett/Haar-Pfropfens. Bleibt noch die Frage, warum man kein anderes Gas nimmt. Es gibt keines, das sich in solchen Mengen unter den Bedingungen des Abflussreiniger-Systems bildet.

Da Wasserstoff aber nicht ganz ungefährlich ist, will man dessen Entstehung ein wenig "abpuffern". Dazu mischt man dem Reiniger Nitrat oder Nitrit zu. Diese reagieren unter diesen Bedingungen mit Wasserstoff zu Ammoniak. Formal gilt für Nitrat:

NO3- + 4 H2 ———> NH3 + 2 H2O + OH-

Chemische Puristen (wie mein Freund Heiner Schönemann aus Neukirchen-Vluyn) formulieren diese Reaktionsgleichung gern anders. Bei denen ist das Reduktionsmittel das unedle Metall (-> Webseite).

Egal wie das Ammoniak entsteht: Jetzt verstehen wir auch, warum man beim Lösen des Abflussreinigers einen deutlichen Geruch nach Ammoniak feststellt. Dieses Ammoniak hat auch farbliche Auswirkungen auf die Nachweisreaktion von Aluminium (-> Versuch 6).

Abflussreiniger sind übrigens stark hygroskopisch. Das merkt man, wenn man eine Probe offen stehen lässt. Deshalb sind die Gefäße immer gut zu verschließen.


Und nun verstehen wir auch die Ursachen des in der Zeitungsmeldung angesprochenen Unglücks
Alle Reaktionen und Lösungsvorgänge zwischen festem Abflussreiniger und flüssigem Wasser sind stark exotherme Prozesse, die an Oberflächen ablaufen. (Chemiker sprechen von Reaktionen an Phasengrenzen.) Das Tückische beim Rohrreiniger ist, dass die Gas bildende Reaktion zunächst gar nicht zu starten scheint. Deshalb wiegt sich der Nutzer in falscher Sicherheit. Die Reaktion beschleunigt sich aber immer stärker, wobei sie sogar außer Kontrolle geraten kann.
Auch durch das Schütteln werden diese Vorgänge mächtig beschleunigt. Es werden auf diese Weise Temperaturen von über 100 °C erreicht. Dadurch heizt sich der Flascheninhalt besonders rasch auf, und ein hoher Druck ist die Folge.

Zu den Auswirkungen und Verletzungen: Wenn man bedenkt, dass nicht nur scharfe Flaschensplitter herumflogen, sondern auch hochkonzentrierte, ätzende und dazu noch kochend heiße Lauge verspritzt wurde und die Splitter diese dazu noch in die Wunden trugen, wird einem das Ausmaß des Unglücks deutlich.

Zu den gesundheitlichen Folgen für die Verletzten kommen sicherlich noch juristische Verfahren und versorgungsrechtliche Ansprüche auf die Kinder oder ihre Eltern zu. Juristisch ist wohl alles klar: Die Warnhinweise auf der Verpackung zumindest des von uns ausgewählten Produkts Drano sind deutlich genug. Wer die ignoriert, handelt nicht mehr fahrlässig, sondern vorsätzlich und nimmt ein Unglück in Kauf.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 14. August 2008, Dagmar Wiechoczek