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Tipp des Monats März 2023 (Tipp-Nr. 309)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Trübes Mineralwasser

Dennis Dietz und Sabine Streller

In unserem letzten Monatsstipp vom August 2022 mit dem Titel „Das „leichteste“ Wasser Europas“ haben wir von einer unerwarteten Beobachtung berichtet. Um die bei unseren Experimenten zur Dichtebestimmung des Wassers störende Kohlensäure zu entfernen, hatten wir unsere Mineralwasserproben zunächst gerührt. Dabei ist das Mineralwasser eines Herstellers trübe geworden.

Bild 1: Trübes Mineralwasser
(Foto: Streller)

Wie so häufig heißt es auch in diesem Fall: Nach dem Experiment ist vor dem Experiment. In diesem Tipp widmen wir uns also dem trüben Mineralwasser.


Trübes Mineralwasser – ein viel diskutiertes Phänomen
Eine kurze Online-Recherche offenbart, dass „trübes“ oder „flockiges“ Mineralwasser ein heiß diskutiertes Thema im Internet ist. In Internetforen wird dieses Phänomen beschrieben und auch darüber diskutiert, ob trübes Mineralwasser gesundheitsschädlich sei.[1] Die Gründe für die vermeintliche Gesundheitsgefahr sind aus naturwissenschaftlicher Sicht eher hanebüchen. So heißt es bspw. im Forumsbeitrag von „IsiLangmut“ vom 31.07.2011:

„Es gibt ja auch Leute, die ‚was in Flaschen injizieren!-Oder aber die Abfüllanlage ist nicht in Ordnung.- Vielleicht waren auch die Flaschen nicht richtig gespült vor’m Befüllen. Nix riskieren!..meint auch Isi“[1]

Entwarnung allerdings gibt der Hersteller auf seiner Homepage. Dort heißt es:

„Wenn Kohlensäure verloren geht, können die Mineralien sichtbar werden. […] Ändert sich das Gleichgewicht von Mineralien und Kohlensäure […] gehen die natürlichen Mineralien in eine sichtbare Form über und zeigen sich als weiße, flockige oder pulverartige Ablagerungen in der Flasche […] Die Qualität des Wassers wird dadurch nicht grundlegend beeinflusst. Das Trinken ist gesundheitlich völlig unbedenklich.“[2]

Ohne Frage bieten solche Aussagen – wie hier aus einem Onlineforum und von der Homepage eines Herstellers zitiert – ein großes Potenzial, bekannte Schülervorstellungen zu thematisieren und darüber hinaus Kompetenzen aus den Bereichen der Kommunikation und der Bewertung zu fördern. Aber zurück zur Trübung des Mineralwassers: Der Hersteller gibt bezüglich der Gesundheitsgefahr Entwarnung, lässt uns jedoch im Unklaren darüber, was im Mineralwasser ausfällt.


Was fällt im Mineralwasser aus?
Ein Blick auf die Inhaltsstoffe des Mineralwassers ermöglicht es uns, eine Hypothese darüber aufzustellen, um welche Verbindung es sich bei diesem Niederschlag handelt. Der Hersteller führt folgende Inhaltsstoffe des Mineralwassers auf:[3]

Inhaltsstoff 1 L Mineralwasser enthält Inhaltsstoff 1 L Mineralwasser enthält
Calcium 348 mg Chlorid 40 mg
Kalium 11 mg Sulfat 38 mg
Magnesium 108 mg Hydrogencarbonat 1816 mg
Natrium 118 mg Kohlensäure 4500 mg

Infolge des Austreibens von Kohlenstoffdioxid nimmt die Menge an Kohlensäure und damit auch die Menge an Hydrogencarbonat-Ionen im Mineralwasser ab. Die verschiedenen Kombinationen von Kationen und Anionen ergeben die möglichen Salze, die im Mineralwasser ausfallen können. In der folgenden Tabelle sind die Löslichkeiten der in Frage kommenden Salze angegeben:

Salz Löslichkeit in g/100g H2O [4]
Calciumchlorid 73,9
Calciumsulfat 0,25
Kaliumchlorid 34,4
Kaliumsulfat 11,1*
Magnesiumchlorid 54,4
Magnesiumsulfat 59,6
Natriumchlorid 36,0
Natriumsulfat 19,3

(* Wert aus Quelle [5] entnommen)

Der Blick auf die Löslichkeiten der verschiedenen Salze offenbart, dass es sich bei dem Niederschlag um Calciumsulfat handeln sollte. Diese Hypothese gilt es im Folgenden experimentell zu überprüfen.


Experimentelle Untersuchung unserer Hypothese zum Niederschlag im Mineralwasser
Um den Niederschlag untersuchen zu können, wird dieser zunächst aus dem trüben Mineralwasser abfiltriert, mit destilliertem Wasser gewaschen und getrocknet.

Bild 2: Der filtrierte und getrocknete Niederschlag aus dem Mineralwasser
(Foto: Dietz)

Im Anschluss wird der Niederschlag wieder in Lösung gebracht und es werden Nachweisreaktionen sowohl für Calcium-Ionen [6, S. 171 f.] als auch für Sulfat-Ionen [6, S. 124] durchgeführt.


Versuch 1: Nachweis von Calcium-Ionen

Geräte und Materialien: Reagenzglas, Spatel, Pipette, getrockneter Niederschlag aus dem Mineralwasser, destilliertes Wasser, 1 M Salzsäure, 1 M Ammoniak, 0,1 M Ammoniumoxalat-Lösung

Durchführung: Zunächst wird etwas destilliertes Wasser mit wenigen Tropfen Salzsäure versetzt und der zu untersuchende Niederschlag darin gelöst. Im Anschluss wird die Probelösung mit Ammoniak versetzt, um den pH-Wert im basischen Bereich einzustellen. Im dritten Schritt wird die Lösung mit wenigen Tropfen einer Ammoniumoxalat-Lösung versetzt.

Versuch 2: Nachweis von Sulfat-Ionen

Geräte und Materialien: Reagenzglas, Spatel, Pipette, getrockneter Niederschlag aus dem Mineralwasser, destilliertes Wasser, 1 M Salzsäure, 0,1 M Bariumchlorid-Lösung

Durchführung: Zunächst wird etwas destilliertes Wasser mit wenigen Tropfen Salzsäure versetzt und der zu untersuchende Niederschlag darin gelöst. Im Anschluss werden wenige Tropfen einer Bariumchlorid-Lösung zu der Probelösung hinzugegeben.

Die Beobachtungen zu den zwei Nachweisreaktionen sind im Bild 3 dargestellt.

Bild 3: Beobachtungen zu den beiden Nachweisreaktionen: 1 = Nachweis für Calcium-Ionen, 2 = Nachweis für Sulfat-Ionen
(Foto: Dietz)


Auswertung und Fazit
Im Reagenzglas 1 ist Calciumoxalat ausgefallen. Im Reagenzglas 2 ist die Fällung von Bariumsulfat zu beobachten. Damit zeigen die Nachweisreaktionen eindeutig, dass es sich bei dem Niederschlag um Calciumsulfat handelt. Unsere Hypothese ist damit bestätigt.

Calciumsulfat ist ein schwer lösliches Salz, das unter sauren Bedingungen in Lösung gebracht werden kann. Infolge des Austreibens von Kohlenstoffdioxid steigt der pH-Wert des Mineralwassers an, sodass das Calciumsulfat ausfällt.

Fall Schüler*innen die Hypothese formulieren sollten, dass es sich bei dem Niederschlag um Calciumcarbonat handle, dann kann dies leicht widerlegt werden. Dazu kann der getrocknete Niederschlag einfach mit etwas konzentrierter Salzsäure versetzt werden. Carbonate würden in diesem Fall schäumen – dies ist bei unserem Niederschlag aus dem Mineralwasser nicht zu beobachten.

Das Phänomen des „trüben Mineralwassers“ ist im Übrigen auch häufig zu beobachten, wenn Mineralwasser, das in Plastikflaschen abgefüllt ist, gefriert. Durch den Frost nehmen die Plastikflaschen Schaden, sodass die Kohlensäure leichter entweichen kann. Dadurch kann das Mineralwasser infolge des Ausfallens von Calciumsulfat trübe werden.

Der Blick in die GESTIS-Stoffdatenbank[5] verrät, dass Calciumsulfat kein Gefahrstoff nach GHS und damit gesundheitlich unbedenklich ist. Trübes Mineralwasser kann also ohne Bedenken verzehrt werden. Damit bewahrheitet sich wieder einmal, was schon seit Jahrhunderten bekannt ist und von Johann Peter Franck 1792 verschriftlicht wurde:

„Die Helle des Wassers ist sehr trüglich und beweist noch lange nicht, dass es auch rein seye. Das hellste Wasser wird oft über dem Feuer trübe und läßt Kalck und alaunartige Theilchen zu Boden fallen, und manches Wasser, das unrein scheint, ist oft besser als das schönste krystallhelle Wasser.“[7]


Danksagung:
Ein herzlicher Dank geht an Jan-Ole Rost für die Durchführung der Nachweisreaktionen.


Literatur:
[1] https://forum.frag-mutti.de/index.php?showtopic=42194, letzter Zugriff: 18.02.23
[2] https://www.gerolsteiner.de/de/mineralwasser-verbraucherfragen/mineralienausfaellungen-in-mineralwasser/ursachen-mineralienausfaellungen/, letzter Zugriff: 18.02.23
[3] https://www.gerolsteiner.de/de/mineralwasser/medium/, letzter Zugriff: 18.02.23
[4] Küster, F. W., Thiel A., & Ruland, A. (1985). Rechentafeln für die chemische Analytik, 103. Auflage. De Gruyter.
[5] Die GESTIS-Stoffdatenbank. Verfügbar unter: https://gestis.dguv.de/
[6] Jander, G., & Blasius, E. (1990). Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum. 13. Auflage. S. Hirzel Verlag. S. 124 und S. 171 f.
[7] Franck, J. P. (1792). System einer vollständigen medizinischen Polizey. Universitäts-Bibliothek zu Prag. S. 311.


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Letzte Überarbeitung: 3. März 2023, Fritz Franzke