Dennis Dietz und Sabine Streller
In unserem letzten Monatsstipp vom August 2022 mit dem Titel „Das „leichteste“ Wasser Europas“ haben wir von einer unerwarteten Beobachtung berichtet. Um die bei unseren Experimenten zur Dichtebestimmung des Wassers störende Kohlensäure zu entfernen, hatten wir unsere Mineralwasserproben zunächst gerührt. Dabei ist das Mineralwasser eines Herstellers trübe geworden. Bild 1: Trübes Mineralwasser
Wie so häufig heißt es auch in diesem Fall: Nach dem Experiment ist vor dem Experiment. In diesem Tipp widmen wir uns also dem trüben Mineralwasser. „Es gibt ja auch Leute, die ‚was in Flaschen injizieren!-Oder aber die Abfüllanlage ist nicht in Ordnung.- Vielleicht waren auch die Flaschen nicht richtig gespült vor’m Befüllen. Nix riskieren!..meint auch Isi“[1] Entwarnung allerdings gibt der Hersteller auf seiner Homepage. Dort heißt es: „Wenn Kohlensäure verloren geht, können die Mineralien sichtbar werden. […] Ändert sich das Gleichgewicht von Mineralien und Kohlensäure […] gehen die natürlichen Mineralien in eine sichtbare Form über und zeigen sich als weiße, flockige oder pulverartige Ablagerungen in der Flasche […] Die Qualität des Wassers wird dadurch nicht grundlegend beeinflusst. Das Trinken ist gesundheitlich völlig unbedenklich.“[2] Ohne Frage bieten solche Aussagen – wie hier aus einem Onlineforum und von der Homepage eines Herstellers zitiert – ein großes Potenzial, bekannte Schülervorstellungen zu thematisieren und darüber hinaus Kompetenzen aus den Bereichen der Kommunikation und der Bewertung zu fördern. Aber zurück zur Trübung des Mineralwassers: Der Hersteller gibt bezüglich der Gesundheitsgefahr Entwarnung, lässt uns jedoch im Unklaren darüber, was im Mineralwasser ausfällt.
Infolge des Austreibens von Kohlenstoffdioxid nimmt die Menge an Kohlensäure und damit auch die Menge an Hydrogencarbonat-Ionen im Mineralwasser ab. Die verschiedenen Kombinationen von Kationen und Anionen ergeben die möglichen Salze, die im Mineralwasser ausfallen können. In der folgenden Tabelle sind die Löslichkeiten der in Frage kommenden Salze angegeben:
(* Wert aus Quelle [5] entnommen) Der Blick auf die Löslichkeiten der verschiedenen Salze offenbart, dass es sich bei dem Niederschlag um Calciumsulfat handeln sollte. Diese Hypothese gilt es im Folgenden experimentell zu überprüfen. Bild 2: Der filtrierte und getrocknete Niederschlag aus dem Mineralwasser
Im Anschluss wird der Niederschlag wieder in Lösung gebracht und es werden Nachweisreaktionen sowohl für Calcium-Ionen [6, S. 171 f.] als auch für Sulfat-Ionen [6, S. 124] durchgeführt. Versuch 1: Nachweis von Calcium-Ionen Geräte und Materialien: Reagenzglas, Spatel, Pipette, getrockneter Niederschlag aus dem Mineralwasser, destilliertes Wasser, 1 M Salzsäure, 1 M Ammoniak, 0,1 M Ammoniumoxalat-Lösung Durchführung: Zunächst wird etwas destilliertes Wasser mit wenigen Tropfen Salzsäure versetzt und der zu untersuchende Niederschlag darin gelöst. Im Anschluss wird die Probelösung mit Ammoniak versetzt, um den pH-Wert im basischen Bereich einzustellen. Im dritten Schritt wird die Lösung mit wenigen Tropfen einer Ammoniumoxalat-Lösung versetzt. Versuch 2: Nachweis von Sulfat-Ionen Geräte und Materialien: Reagenzglas, Spatel, Pipette, getrockneter Niederschlag aus dem Mineralwasser, destilliertes Wasser, 1 M Salzsäure, 0,1 M Bariumchlorid-Lösung Durchführung: Zunächst wird etwas destilliertes Wasser mit wenigen Tropfen Salzsäure versetzt und der zu untersuchende Niederschlag darin gelöst. Im Anschluss werden wenige Tropfen einer Bariumchlorid-Lösung zu der Probelösung hinzugegeben. Die Beobachtungen zu den zwei Nachweisreaktionen sind im Bild 3 dargestellt. Bild 3: Beobachtungen zu den beiden Nachweisreaktionen: 1 = Nachweis für Calcium-Ionen, 2 = Nachweis für Sulfat-Ionen
Calciumsulfat ist ein schwer lösliches Salz, das unter sauren Bedingungen in Lösung gebracht werden kann. Infolge des Austreibens von Kohlenstoffdioxid steigt der pH-Wert des Mineralwassers an, sodass das Calciumsulfat ausfällt. Fall Schüler*innen die Hypothese formulieren sollten, dass es sich bei dem Niederschlag um Calciumcarbonat handle, dann kann dies leicht widerlegt werden. Dazu kann der getrocknete Niederschlag einfach mit etwas konzentrierter Salzsäure versetzt werden. Carbonate würden in diesem Fall schäumen – dies ist bei unserem Niederschlag aus dem Mineralwasser nicht zu beobachten. Das Phänomen des „trüben Mineralwassers“ ist im Übrigen auch häufig zu beobachten, wenn Mineralwasser, das in Plastikflaschen abgefüllt ist, gefriert. Durch den Frost nehmen die Plastikflaschen Schaden, sodass die Kohlensäure leichter entweichen kann. Dadurch kann das Mineralwasser infolge des Ausfallens von Calciumsulfat trübe werden. Der Blick in die GESTIS-Stoffdatenbank[5] verrät, dass Calciumsulfat kein Gefahrstoff nach GHS und damit gesundheitlich unbedenklich ist. Trübes Mineralwasser kann also ohne Bedenken verzehrt werden. Damit bewahrheitet sich wieder einmal, was schon seit Jahrhunderten bekannt ist und von Johann Peter Franck 1792 verschriftlicht wurde: „Die Helle des Wassers ist sehr trüglich und beweist noch lange nicht, dass es auch rein seye. Das hellste Wasser wird oft über dem Feuer trübe und läßt Kalck und alaunartige Theilchen zu Boden fallen, und manches Wasser, das unrein scheint, ist oft besser als das schönste krystallhelle Wasser.“[7]
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