Delokalisierte Elektronen machen die Welt farbig

Experiment:
Versuch: Untersuchung verschiedener Lebensmittel auf ß-Carotin
Versuch: Woher hat die Möhre ihre Farbe?
Versuch: Bromierung von Tomatensaft


Unsere Umwelt erscheint uns farbig. Dies hängt mit dem Vermögen einiger Molekülarten zusammen, Licht bestimmter Wellenlänge zu absorbieren, andere Wellenlängen des sichtbaren Bereichs des Lichts hingegen nicht. Die nicht absorbierten Wellenlängen werden von unserem Auge als Farbe wahrgenommen. Solche Substanzen sind die Farbstoffe. Wir wollen uns hier nur mit den farbigen Kohlenwasserstoffen befassen.

Das Vermögen von Kohlenwasserstoffen, Licht zu absorbieren, beruht oft auf der Anwesenheit ausgedehnter π-Elektronen-Systeme. In langkettigen Alkenen, die abwechselnd Einfach- und Doppelbindungen enthalten, können diese Elektronen über alle senkrecht stehenden p-Orbitale der benachbarten C-Atome verteilt werden. Solche Doppelbindungen, die durch nur eine Einfachbindung voneinander getrennt sind, heißen konjugierte Doppelbindungen. Ein Beispiel ist das 1,3-Butadien. Die Ziffern besagen, an welchen Kohlenstoffatomen die Doppelbindung ansetzt.

Die π-Elektronen sind in einem System konjugierter Doppelbindungen delokalisiert. Sie halten sich also in einem gemeinsamen Raum auf, der aus allen p-Orbitalen gebildet wird.

π-Elektronen können viel leichter angeregt werden als die σ-Elektronen der gesättigten Kohlenwasserstoffe. Aber es sollten schon viele π-Elektronen sein. Während das 1,3-Butadien noch farblos erscheint, da es nur im UV-Bereich absorbiert, können Moleküle mit vielen konjugierten Doppelbindungen auch energieärmeres, langwelligeres Licht des sichtbaren Bereichs absorbieren und scheinen damit für uns wiederum farbig. Zu der Anregung von π-Elektronensystemen und Farbigkeit gibt es ein akustisches Modell. Klicke hier.


Die Carotinoide - farbig durch 11 konjugierte Doppelbindungen
Carotinoide gehören zur Stoffklasse der Tetraterpene (C40-Körper). Sie besitzen ein stark ausgedehntes, über 30 Kohlenstoffzentren delokalisiertes π-Elektronensystem, das besonders leicht anregbar ist.

Das bekannteste Carotinoid ist das ß-Carotin, das nicht nur der Karotte ihre orange Farbe verleiht. Es ist auch in allen grünen Blättern als wichtiges Fotosynthese-Pigment zu finden. Es erscheint uns orange, absorbiert also Licht im blauen bis grünen Spektralbereich des sichtbaren Lichts zwischen 415 und 500 nm.

β-Carotin

Als reiner Kohlenwasserstoff ist es gänzlich unpolar und löst sich somit auch nur in unpolaren Flüssigkeiten wie Aceton, Benzin oder verschiedenen Ölen (lipophil = "ölliebend") (-> Versuch).


Reaktionen an konjugierten, delokalisierten Doppelbindungen
Tomatensaft lässt sich mit Bromwasser entfärben (-> Versuch). Das liegt daran, dass der rote Farbstoff der Tomate ebenfalls ein delokalisiertes, ungesättigtes π-Elektronensystem besitzt.

Dieser tiefrote Farbstoff ist das Lycopin. Es ist ebenfalls ein Carotinoid.

Lycopin

Die konjugierten Doppelbindungen addieren Brom genauso wie einzelne Doppelbindungen. Die Bromatome können hierbei jedoch an vielen verschiedenen Stellen des Moleküls andocken. Dadurch wird die Delokalisierung des Elektronensystems auf zufällige Art und Weise unterbrochen. Das Molekül absorbiert dann zunächst Licht anderer Wellenlängen. So kann man alle Farben des Spektrums von Rot bis Blau beobachten. Nach einiger Zeit sind alle Doppelbindungen bromiert; dann wird gar kein sichtbares Licht mehr absorbiert und der Stoff erscheint farblos.

Verschiedene Schichten des mit Bromwasser behandelten Tomatensaftes.
Das Brom wandert langsam aus der wässrigen Schicht in die Lycopinlösung ein
(Foto: Andreas)


Lycopin bildet Radikale
Mit Schwefelsäure bildet ß-Carotin blaue bis blau-schwarze Komplexe (-> Versuch). Hierbei werden kurzlebige Radikale an der Kohlenwasserstoffkette gebildet. Diese Tendenz zur Radikalbildung kann Ursache dafür sein, dass Lycopin vor Radikalen schützen soll.


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Letzte Überarbeitung: 20. Februar 2007, Dagmar Wiechoczek