Chemiker untersuchen Fossilien: Paläochemie

Bild 1: Ein fossiler Schildkrötenpanzer kann auch Chemikern viel erzählen (Länge 15 cm) (Stylemys nebrascensis; Tertiär/Oligozän)
(Fotos: Blume)


Vor einigen Tagen war in der Zeitung zu lesen, dass Biochemiker jetzt den letzten Beweis erbracht haben, dass die Vögel direkte Nachfahren der Dinosaurier sind. Das hat man anhand des Vergleichs von Kollagenproben nachgewiesen. Denn die stammesgeschichtliche Entwicklung (Taxonomie) dokumentiert sich nicht nur in den Nucleinsäuren wie der DNA (die als empfindliche Moleküle leider nicht nachweisbar sind), sondern auch in den davon abgeleiteten, wesentlich stabileren Proteinen und Peptiden.

Wer bearbeitet so ein Gebiet? Es hat sich - relativ unbemerkt von der Gesellschaft - ein spezieller Zweig der Chemie oder auch der Biochemie herausgebildet, der bei der Aufklärung verschiedener Sachverhalte aus der Paläontologie mithilft. Diese Paläochemie befasst sich mit den Inhaltsstoffen von Fossilien. Sie ist (wenn man so will) eine Art Naturstoffchemie.


Chemofossilien
Wenn wir den Begriff Fossilien verwenden, vergessen wir oft, dass auch die darin und in den Sedimenten enthaltenen organisch-chemischen Verbindungen letztlich Fossilien sind - Chemofossilien. Von vielen Organismen sind oftmals nur chemische Reste erhalten geblieben. Erinnern wir beispielsweise an die Kohle, an das Erdöl oder an den Bernstein!

Bilder 2a-c: Kohle, Bernstein und Erdöl
(Fotos: Blume, Alex, Daggi)


Darüber hinaus beschäftigt sich die Paläochemie mit den Fragen, die mit der Diagenese von Fossilien und von umgebenden Gesteinen zusammenhängen.


Paläoproteine und andere Biostoffe
Last but not least kann die Paläochemie sogar dazu beitragen, stammesgeschichtliche (taxonomische) Zusammenhänge aufzuklären.

Besonders stabil sind Skleroproteine, unter anderem auch, weil sie aus relativ einfachen Aminosäuren zusammengesetzt sind.

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Bild 3: Toneisengeode mit einem Wirbelknochen (Höhe des Wirbels 4,5 cm) (Lias Epsilon)
(Fotos: Blume)


In den Knochen, Zähnen oder Eierschalen von Wirbeltieren findet man vor allem das schon erwähnte Kollagen bzw. seine Abbauprodukte (Peptide und Aminosäuren) (Bilder 1, 3 und 4).

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Bild 4: Wirbeltierreste (Höhe des Bildausschnitts 10 cm) (Tertiär)
(Foto: Blume)


Auch in den fossilen Schalen von Weichtieren (Mollusken) stößt man auf mehr oder weniger große Moleküle, die Verwandtschaftsbeziehungen aufzuklären helfen. Das sind vor allem Reste von Conchiolin (hinter „conch“ steckt das griechische Wort für Schnecke oder Muschel). Dieses ist das Matrixprotein, in das die Aragonitplättchen bei der Perlmuttbildung eingebettet worden sind.

Aber auch das äußerst stabile Polysaccharid Chitin findet man - zum Beispiel in fossilen Krebspanzern (Bild 5). Der lange Fangarm des Krebses in diesem Bild wurde als Geodenreihe in der Wand einer Tongrube gefunden.

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Bild 5: Fangschreckenkrebs (zur Präparation der Geodenreihe in Kunstharz eingebettet)
(Länge des Krebses 35 cm) (Mecochirus rapax; Unterkreide/Valendis)
(Foto: Blume)


Hinzu kommen in seltenen Fällen auch erhaltene Farbstoffe, die ebenfalls zur Bestimmung von Verwandtschaften herangezogen werden können.

Bei den Pflanzen kann man Taxonomien auch anhand von Inhaltsstoffen wie Wachsen, Lignin und Terpenen sowie an der Zusammensetzung fossiler Harze festmachen. In Böden sind daraus hochmolekulare Naturstoffe wie das Kerogen entstanden. Man nimmt heute an, dass das Kerogen quasi die „Ursubstanz“ des Erdöls ist.


Fossilien erzählen von der ersten Fotosynthese
Aufgrund von Chemofossilien kann man auch nachweisen, dass im Präkambrium die Fotosynthese „erfunden“ wurde. So hat man in den Sedimenten und vor allem auch im Erdöl Abbauprodukte von Chlorophyll gefunden, die äußerst stabilen Porphyrine. Zwar enthielten diese Chelate als Zentral-Ionen kein Magnesium mehr, sondern stattdessen Vanadium oder Nickel. Dazu findet man aber auch die vom Chlorophyll abgespalteten langkettigen Kohlenwasserstoffe Pristan und Phytan.

Dazu passt auch, dass aufgrund der Zusammensetzung der Sedimente anzunehmen ist, dass „plötzlich“ ungebundener Sauerstoff in der Atmosphäre vorkam. Grund: Gab es bislang nur Eisen(II)-Verbindungen, so tauchen ab jetzt in den Sedimenten vermehrt Eisen(III)-Verbindungen auf. Die Steine waren nicht mehr grünlich bis farblos, sondern wurden beim Übergang zum Kambrium zunehmend braun bis rot gefärbt - wie im Grand Canyon zu sehen ist. Das folgende Bild zeigt einen Stein, der den Übergang von Graugrün nach Rotbraun deutlich macht.

Bild 6: Kambrischer Sandstein aus dem Grand Canyon
(Foto: Blume)


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Letzte Überarbeitung: 18. Juni 2008, Dagmar Wiechoczek